"Deeper Well" nennt Kacey Musgraves ihr sechstes Studio-Album
Von diesem Augenzwinkern ist die 35-jährige Texanerin heute, wie ihr neues Album "Deeper Well" nahelegt, einigermaßen weit entfernt. Nein, Kacey Musgraves ist nunmehr auf einem anderen Trip - auf einem mystischen, sphärischen, aber auch auf einem positiven. Schon bei den diesjährigen Grammy-Awards ließ sie aufhorchen, als sie "Deeper Well" in einem Werbespot mit dem Slogan "My Saturn Has Returned" ankündigte. Ihr Saturn ist zurück? Derartig esoterische Aussagen kennt man bisher höchstens von Stevie Nicks und natürlich von Nina Hagen. Ist nun auch Kacey Musgraves auf einem kosmischen Trip?
Esoterisch angehaucht - und trotzdem erdig und bodenständig: "Deeper Well"
Warum auch nicht - wenn es der Musik nicht schadet. Oder ihrer Kreativität sogar neue Impulse verleiht? Um die besten Vibes für die Album-Sessions zu bekommen, ging sie für die Aufnahmen der 14 "Deeper Well"-Songs nicht in eines der vielen Nashville-Studios, sondern: nach New York. In die berühmten, legendären Electric Lady Studios. "Ich war auf der Suche nach einer anderen Umweltenergie", sagte sie über die Entscheidung, "in diesem Studio in New York City fand ich das beste Mojo." Alles klar. Der Saturn ist zurück.
"My Saturn has returned" ist die erste Textzeile des Titeltracks. So abgehoben sich das für manch' schlichtes Gemüt anfühlen muss, so bodenständig erdig fällt die musikalische Umsetzung dieser bildhaften Lyrics aus. "Deeper Well", was auf Deutsch "Tieferer Brunnen" heißt, ist ein schon fast radikal reduzierter Folk-Song. Ein Track ohne jeden Schnickschnack, ohne größeres Arrangement und - bis auf etwas synthetische Klangmalerei am Song-Ende - ohne klanglichen Firlefanz. Strophe, Refrain, Strophe. Die Melodie, so eingängig wie ein Kinderlied und mit großen Emotionen und starker Stimme vorgetragen. Der Saturn hat seine Schuldigkeit getan, Kacey Musgraves ist wieder in Bestform.
Sensible Künstlerin mit Mut zum Experiment: Kacey Musgraves
Das dürfte wohl auch an ihrem Kreativ-Team liegen, mit dem sie - bis auf einen Song - alles Tracks von "Deeper Well" schrieb. Es sind nach "Golden Hour" erneut Daniel Tashian (unter anderem Martina McBride, Billy Currington) für die traditionelleren Country- und Folk-Einflüsse zuständig, und Ian Fitchuk (P!nk, Harry Styles) für die hippere Gangart. Wie es scheint, haben die drei ihren Konsens-Weg gefunden. Schließlich klingt das mit 14 Songs üppig bestückte Set wie es so schön heißt, aus einem Guss. Und das trotz des Zusammenspiels verschiedener musikalischer Elemente und Ausdrucksformen.
Gemeinsam mit Tashian und Fitchuk entstanden herrlich harmonische, von innerer Ruhe geprägte Songs. Titel wie der psychedelisch eingefärbte Opener "Cardinal", der großartige Country-Folk-Track "Too Good to Be True", das an die frühen Doobie Brothers erinnernde "Moving Out" oder das in seiner unspektakulären Art gerade so beeindruckende "Jade Green". Aus diesem High-Class-Song-Set ragen der mit 60ies-Sound-Effekten aufgeladene Folk-Rock "Anime Eyes" und - das von Musgraves gemeinsam mit Shane McAnally und Josh Osborne geschriebene - "The Architect" heraus. Mit dem soliden Folk-Rocker "Nothing To Be Scared of" beendet Kacey Musgraves dieses außergewöhnliche Album - mit positiven und zuversichtlichen Textzeilen, die klar machen, dass die sensible Künstlerin wieder ganz auf Kurs ist. Der Saturn diente ihr dabei offenbar als Leitstern.
Fazit: Kacey Musgraves hat einige schwere Zeiten hinter sich. Mit dem in New York aufgenommenen "Deeper Well" macht sie deutlich, dass sie wieder in der Spur ist. Ein tolles Album mit außergewöhnlichen Momenten.