Rodney Crowell - The Chicago Sessions

CD Cover: Rodney Crowell - The Chicago Sessions

Mit 72 Jahren steht Country-Urgestein Rodney Crowell noch voll im Saft - wie sein neues Album "The Chicago Sessions" beweist.

Es ist schon eine ganze Weile her. Aber das damals im amerikanischen Fernsehen gesehene, hat auf den Autor dieser Zeilen einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen: Rodney Crowell, damals in den 90er Jahren gerade ziemlich im New-Country angesagt, stand mutterseelenalleine auf der großen Grand Ole Opry-Bühne und sang - ohne jede musikalische Begleitung - ein Traditional. Eine einzige Stimme. Mehr nicht. Dennoch gelang es dem einstigen Schwiegersohn von Johnny Cash (er war mit Rosanne Cash verheiratet), zu begeistern. Eine derartig professionelle Musik-Performance gibt es selten zu bestaunen.

Rodney Crowell: der Country-Routinier steht noch voll im Saft

Aber Rodney Crowell ist für so einen Auftritt natürlich gut. Aufgewachsen als Spross einer Musiker-Familie im texanischen Houston, begleitete er schon als Elfjähriger seinen Vater am Schlagzeug. Als Teenie gründete er seine erste Band, das Studium schmiss er als 22-jähriger, um es in den frühen 1970er Jahren in Nashville - wo sonst? - zu versuchen. Er startete eine filmreife Karriere. Spielte für wenig Geld in den kleinen Clubs der Stadt und weckte schließlich das Interesse von u.a. Jerry Reed, der ihm eine Stelle in seinem Musikverlag anbot. Als er 1975 den Ehemann von Emmylou Harris kennenlernte, siedelte er nach Los Angeles über und spielte für einige Zeit Gitarre in Harris' Band. Hier begründete er seine Songschreiber-Karriere.

Zu seiner Kundschaft gehörten schon bald die großen Namen der Country-Szene. Neben Rosanne Cash und Emmylou Harris beispielsweise auch die Oak Ridge Boys und Crystal Gayle. Einen riesen Hit mit einem seiner Songs landete ein waschechter Rocker: Bob Seger mit dem zeitlos schönen Evergreen "Shame on the Moon".

In den letzten Jahren war Rodney Crowell nicht von der Bildfläche verschwunden. Das sicher nicht. Doch wie für die meisten Größen der 90er Jahre wurde es auch um ihn deutlich stiller. Natürlich. Seine ganz und gar auf den Roots des Country-Sounds basierende Musik war an der Music Row nicht mehr angesagt. Dennoch landete er immer wieder große Erfolge. In den letzten Jahren zwei Mal mit Kooperationen mit seiner alten Weggefährtin Emmylou Harris: "Old Yellow Moon" landete im Jahr 2013 auf dem höchst respektablen vierten Platz, für die zwei Jahre später veröffentlichte Zusammenarbeit "The Travelling Kind" reichte es immer noch für Rang acht.

"Triage" aber, das er 2021 (ohne Harris) unter das Volk brachte, floppte. Wohl auch, weil der Titel auf Corona und das damit verbundene Elend anspielte. Doch die Pandemie ist vorüber und Rodney Crowell verströmt wieder Lebensfreude, wie die zehn Tracks von "The Chicago Sessions" klar machen. Mitverantwortlich dafür dürfte auch ein Tapetenwechsel und die Zusammenarbeit mit Wilco-Chef Jeff Tweedy sein. Frisches Kreativ-Blut, das in Chicago kleine Wilco-Studio sowie drei unverbrauchte Begleitmusiker - Gitarrist Jedd Hughes, Pianistin Catherine Marx und Bassist Zachariah Hickman - haben dem Routinier hörbar gutgetan.

"The Chicago Sessions": Mit neuem Team und frischem Schwung

Mit dieser Crew kredenzt Crowell auf "The Chicago Sessions" ein schmissiges, raues und voller musikalischer Hingabe eingespieltes Song-Set. Schon der Opener "Lucky" sorgt mit einem klimpernden Honky Tonk-Piano, perlenden Gitarrenläufen und einer ohrwurmtauglichen Melodie für Glückshormone. Da man in Chicago ist, darf natürlich der Blues nicht zu kurz kommen. Den präsentiert er gleich im zweiten Track, in dem hemdsärmeligen, im Mitteltempo angesiedelten "Somebody Loves You". Ein erstes Highlight; nicht nur wegen eines erstklassigen Gitarrensolos, sondern weil Crowell hier beweist, wie gut er immer noch bei Stimme ist. Ein weiteres Glanzlicht setzt er gleich im nachfolgenden "Loving You is the Only Way to Fly". Ein, wie der Titel erahnen lässt, hochgradig emotionaler Love-Song, leise, subtil und nur mit akustischen Instrumenten arrangiert.

Ohnehin dominieren auf "The Chicago Sessions" die akustischen Töne. "You're Supposed to Be Feeling Good", "No Place to Fall" und "Making Lovers Out of Friends" halten herrlichen, gelegentlich an den frühen Neil Young erinnernden Folk bereit. Mit dem finalen "Ready to Move On" lässt er mit wiederkehrender Melodie an den Lou Reed -Klassiker "Take a Walk on the Wild Side" denken. Als Filetstück der CD präsentiert Rodney Crowell rockige Töne: das seiner Frau Claudia Church gewidmete "Oh Miss Claudia" ist als stampfender Country-Blues angelegt, "Everything at Once" überzeugt als krachender Country-Rock und "Ever the Dark" bringt perfekt bluesiges Feeling und rockende Power auf einen Nenner. Top!

Fazit: Der alte Country-Hase schlägt immer noch einige exzellente Melodie-Haken: Mit "The Chicago Sessions" knüpft Rodney Crowell an alte Glanztaten an.

Label: New West (Bertus) VÖ: 5. Mai 2023
Disk 1
01 Everything at Once
02 Oh Miss Claudia
03 Lucky
04 Ready to Move on
05 Somebody Loves You
06 No Place to Fall
07 Making Lovers Out of Friends
08 Loving You is the Only Way to Fly
09 You're Supposed to Be Feeling Good
10 Ever the Dark
vgw
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