Trampled By Turtles - Alpenglow

CD Cover: Trampled By Turtles - Alpenglow

"Alpenglow" von Trampled By Turtles ist das bisher ausgereifteste Album des Quintetts aus Minnesota

Trampled By Turtles. Auf den Namen muss man erst mal kommen. Von Schildkröten zertrampelt. Aber okay. Der Name muss ja nicht Programm sein - und dieser Bandname, da besteht nun mal gar kein Zweifel, der bleibt hängen im Oberstübchen. Aber auch, weil Trampled By Turtles (TBT) seit knapp 20 Jahren einen sehr originellen Sound-Mix anbieten und sich in die Herzen der Roots-Musik-Freunde spielen konnten.

Trample By Turtles: der lange Atem der Roots-Experten aus Minnesota

In früheren Jahren vermengte die Band um Sänger, Gitarrist und Songschreiber Dave Simonett die Zutaten der eigentlich völlig gegensätzlichen Musikrichtungen Bluegrass und Punk. Vom traditionsreichen Genre entlieh man sich das akustische Setup und die Melodien, vom wilden Punk die rebellische Energie. Das Konzept ging auf. Zumindest nach einer Weile. Ihr fünftes, 2010 erschienenes Album "Palomino" fand sich jedenfalls auf Platz eins der Bluegrass-Charts. Noch besser schnitt "Stars And Satellites" aus dem Jahr 2013 ab, das es - man höre und staune - bis auf Platz 32 der Billboard 200 und auf Platz 47 der Top Rock-Bestenliste schaffte.

Man sieht: So klar auf eine Richtung wollten sich Dave Simonett und seine Mitstreiter Tim Saxhaug (Bass), Dave Carroll (Banjo), Eric Berry (Mandoline) und Ryan Young (Fiddle) nicht auf ein Genre kaprizieren. Zumindest nicht damals. Heute sieht das etwas anders an. Fest steht jedenfalls, dass sich die elf Songs des köstlich mit "Alpenglow" betitelten, mittlerweile zehnten Trampled By Turtles-Album schon weit eher auf einen musikalischen Konsens einigen können. Der heißt: Folk und natürlich - die Hausmarke der Band - Bluegrass. Die Vermutung liegt nahe, dass hier ein Reifeprozess zu beobachten ist: Mit zunehmendem Alter lässt das Rebellische nach.

Außer alterslosen Musikern wie Alice Cooper, Mick Jagger und Willie Nelson ergeht es wohl allen Menschen so - und auch Simonett scheint gegen musikalische Altersmilde nicht gefeit zu sein. Schlimm ist das aber nicht. Vielleicht sogar im Gegenteil. Die elf Tracks von "Alpenglow" verströmen jedenfalls viel Gefühl, sie halten wunderbare Melodien bereit und sind hingebungsvoll und kompetent von dem Quintett aus dem Norden der USA vorgetragen. Einen nicht zu unterschätzenden Anteil am entspannten "Alpenglow"-Sound trägt bestimmt auch Produzent Jeff Tweedy. Der Wilco-Mastermind hat ja eine ähnliche musikalische Entwicklung hinter sich: vom Alternative-Country-Rocker hin zum melodieverliebten Folky.

"Alpenglow" - ein musikalisches Reifezeugnis

Mit dem Opener "It's So Hard to Hold On" präsentiert der Fünfer aus Minnesota gleich eine echte Songperle. Ein wunderschön eingängiger Folk-Track mit kuscheligem Wohlfühl-Refrain, in dem eine nicht zu überhörende melancholische Note mitschwingt. Genau der Sound zum Träumen und Tagträumen. Dass die Band nach gut zwei Minuten die Dynamik nochmals anzieht und ihre Saiteninstrumente mit Wucht bearbeitet, scheint in der DNA der Band zu liegen - und setzt dem Song das i-Tüpfelchen auf. Wie es scheint, sind die langjährigen TBT-Fans mit dieser etwas gediegeneren Klangnote durchaus einverstanden. Immerhin zählt der Track auf Spotify über 630.000 Streams. Für einen Roots-Act ist das eine echte Ansage!

Wenngleich Simonett & Co. in den nachfolgenden Titeln nicht mehr ganz an diesen harmonischen Geniestreich des Openers herankommen - höchste Folk- und Bluegrass-Standards erfüllen sie alle. Allen voran das ganz, ganz ruhige, mit zerbrechlich hoher Stimme vorgetragene und wohltuend optimistische "We´re Alright", die mit einem klassischen Streicher-Intro originell versehene, im Refrain zu einem wunderbaren Folk-Track werdende Lebensweisheit "Quiting is Rough", die unaufgeregt schöne Folk-Pretiose "Starting Over"; oder das mit einem wunderbaren Chor-Gesang veredelte "Nothing but Blue Skies" und der dylaneske Folksong "On the Highway".

Schon alleine die Songtitel machen klar, dass es auf "Alpenglow" um die elementaren Dinge geht. Um Herzensdinge, wie das Reisen auf einem Highway, die Schönheit der Natur, die Vergänglichkeit ("All The Good Times Are Gone"), die Liebe und das Leben an sich. Mit dem so schönen wie melancholischen "The Party's Over" beenden Trampled By Turtles ihr zehntes Album.

Fazit: Vom Punk-Einfluss früherer Tage ist auf "Alpenglow", dem zehnten Album von Trampled By Turtles, nicht mehr viel zu spüren. Dafür aber hält das Album elf zeitlos schöne Folk- und Bluegrass-Tracks bereit - positive Inhalte inklusive.

Label: Banjodad (Membran) VÖ: 28. Oktober 2022
Disk 1
01 It's So Hard to Hold on
02 Starting Over
03 Central Hillside Blues
04 On the Highway
05 A Lifetime to Find
06 Nothing but Blue Skies
07 Burlesque Desert Window
08 All the Good Times Are Gone
09 We're Alright
10 Quitting Is Rough
11 The Party's Over
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