Musikalisch zeigt sich Chely Wright naturbelassen und ungeschminkt: Allen elf Titeln ist ein transparenter, luftiger Sound zu eigen; zum großen Teil mit akustischen Instrumenten erzeugt. Dass es deshalb in Folk und traditionelle Gefilde geht, ist logische Konsequenz – zumal kein Geringerer als Rodney Crowell der brünett gelockten Schönheit als Produzent unter die Arme griff.
Sie scheint aber auch Beistand nötig zu haben. Vielleicht war das Schicksal in den letzten Jahren nicht so gut zu ihr? Mit ziemlicher Sicherheit hatte die Sängerin den einen oder anderen Tief- oder Schicksalsschlag zu verdauen. Denn ihre Songs erinnern häufig an offene Bekenntnisse, an Tagebucheinträge oder gar an Protokolle von Therapiesitzungen. "Damn Liar" ist so einer. Eine wütende Anschuldigung, eine wüste Beschimpfung an die Adresse eines "verdammten Lügners". Da muss man nicht zwischen den Zeilen lesen – das ist eindeutig, das ist plakativ. Und dazu der rockigste Song eines im Großen und Ganzen sehr, sehr ruhigen Albums.
Vielleicht ist die weidwunde Seele noch nicht so weit, um Frust und Schmerz in Aggression umzuwandeln. Denn meist hadert Chely Wright noch introvertiert mit sich selbst oder mit der Vergangenheit: In wunderbaren Titeln wie dem spröden Opener "Broken" oder dem nachfolgenden "Heavenly Days". Selten gelingt es einem Künstler, eine Rückschau in intensivere Töne und Worte zu packen als Chely Wright in dem knapp vierminütigem Song. Dass dabei Geigen fideln und sich die Harmonien in kitschigen Gefilden tummeln – recht so! Der Song ist ein Tagtraum. Ein Blättern in einem Fotoalbum mit Bildern aus vergangenen Tagen.
Meistens aber schlägt die, auch für ihr soziales Engagement bekannte Künstlerin weitaus filigranere, leisere Töne an. "Hang Out In Your Heart", "Like Me" und das abschließende Bekenntnis "Shadows Of Doubt" stellen mit wenig Aufwand eine höchst intensive Atmosphäre her: eine Akustikgitarre, ein mit Besen gespieltes Schlagzeug, Kontrabass, Dobro oder Banjo, und natürlich ihr etwas brüchiger, immer wieder gehauchter Gesang. Fertig und gut.
Damit "Lifted Off The Ground" – übrigens kein gleichlautender Titel an Bord – nicht zu gemächlich und selbstvergessen dahin dümpelt, streuen Wright und Crowell immer wieder Hallo-Wach-Songs ein. So erschrickt man bei den ersten Akkorden von "Notes To The Coroner" fast: Rockige Gitarrenriffs und packende Beats war man bis zum vierten Song der CD bislang nicht gewohnt. Flott und zupackend fällt auch "That Train" aus. Dezent zwar, doch die an Karla Bonoff erinnernden Melodien machen auch ihn zu einem weiteren Leckerbissen der CD.
Fazit: Mit ihrem siebten Album legt Chely Wright ihr bislang bestes und reifstes Werk vor. Ein kleines, leises, folklastiges Meisterwerk des ehemaligen Unterwäsche-Models.
Label: Vanguard (EMI) | VÖ: 30. April 2010 |
Titelliste CD
Links
01 | Broken | 07 | That Train |
02 | Heavenly Days | 08 | Damn Liar |
03 | Hang In Your Heart | 09 | Wish Me Away |
04 | Notes To The Coroner | 10 | Object Of Your Rejection |
05 | Snow Globe | 11 | Shadows Of Doubt |
06 | Like Me |