1997 erlitt Kevin Costner mit seinem Monumentalwerk "The Postman" eine gewaltige Bauchlandung an den Kinokassen, dabei ist es genau dieser Film, der alles über Costner aussagt: In einem durch einen Krieg zerstörten Amerika ist es ein namenloser Reiter, der sich eine Postuniform überzieht und beginnt, ein zerrissenes Land wieder zusammenzuführen. Die Figur des Postmannes, dessen wahren Namen wir nie erfahren, ist eine prototypische Figur des Westerns. Ein Fremder, der in eine Stadt kommt. Wo ein Clint Eastwood jedoch als Rächer gekommen wäre, als ein Fremder, der noch eine Rechnung zu begleichen hat, steht Costner für Lauterkeit. Costners Figuren sind Charaktere, die stets von einer höheren Moral angetrieben werden.
Mit "Silverado" (1985) und "Wyatt Earp" (1994) finden sich auch noch zwei klassische, geradlinige, echte Western in seiner Filmografie. Wer also würde sich perfekter für die Hauptrolle einer Neo-Western-Serie eignen als Kevin Costner? Eben: Niemand. Costner ist schlicht die Traumbesetzung. Gäbe es da nicht einen Haken: Die von ihm dargestellte Figur John Dutton ist ein elendiger Dreckskerl... Irgendwie zumindest!
Der Inhalt von "Yellowstone"
Doch alles der Reihe nach. John Dutton ist Rancher. Und seine Ranch in Montana ist nicht irgendeine Ranch in den Weiten des Westens. Es ist die größte, zusammenhängende Ranch der Vereinigten Staaten von Amerika. Dutton mag sie geerbt haben, sie befindet sich in der sechsten Generation im Besitz seiner Familie. John aber hat sich keinesfalls ins gemachte Nest gesetzt. Durch Zukäufe hat er das Land erweitert. Durchaus maßvoll. Bis er sämtliche Lücken schließen konnte. Seine Ranch einen eigenen Staat zu nennen, ist nicht ganz verkehrt. Zumindest ist er das Gesetz. Das Problem: Das Land ist nicht nur als Weideland wertvoll. Da gibt es etwa einen Landentwickler wie Dan Jenkins (Dan Houston), einen Milliardär, der es auf das Land abgesehen hat. Es hat Potenzial. Industrieansiedlungen hier, Tourismus da. Nur hat Dutton an solchen Investments kein Interesse. Jenkins ist jedoch niemand, der ein Nein akzeptieren könnte. Damit sind Dutton und Jenkins prototypische Rivalen unter der heißen Sonne des Westens. Auf der einen Seite der Rancher, der sich seinen Reichtum "ehrlich" erarbeitet hat. Auf der anderen Seite der Geschäftsmann von der Küste, der im Land des Westens nur eine Masse sieht, die es auszubeuten gilt, um das eigene Kapital zu mehren.
Jenkins ist aber nicht Duttons einziger Gegenspieler. Sein Land grenzt an ein Reservat und dessen neuer Chief, Chief Thomas Rainwater (Gil Birmingham, "Hell or High Water"), will sein Land zurück. Land, das Duttons Vorfahren seinem Volk gestohlen hat.
Habgierige Geier aus der Stadt, Konflikte mit einem indigenen Volk (früher Indianer genannt) wegen eines Landraubes? Mehr Western geht nicht und "Yellowstone" präsentiert all das auch noch in Serie. Dennoch gibt es einen essenziellen Unterschied zum klassischen, amerikanischen Western der 1940er, 1950er Jahre, welcher den Machern als Leitbild der Serie zugrunde liegt. Und das ist die Hauptfigur John Dutton. John Dutton ist kein netter Mensch. Er ist ein Mann, der seine Ziele, wenn es sein muss, auch mit Gewalt durchsetzt. Dafür hat er seinen eigenen Sicherheitsdienst. Einer Tradition der Familie folgend, stellt er immer wieder Straftäter ein, um diese mit der Sicherung seines Anwesens zu beauftragen. Er gibt ihnen eine zweite Chance, er bezahlt sie anständig, ihre Vergangenheit interessiert ihn nicht. Was er dafür zurückerhält? Absolute Loyalität.
Sind in klassischen Western die Rinderbarone oft die bösen Landnehmer, die die anständigen, hart arbeitenden Farmer ihres kleinen Traumes von einem gottesfürchtigen Leben in Gottes eigenem Land berauben, ist Dutton selbst einer dieser Barone. Nur dass er sich in der Rolle des anständigen Farmers sieht, auch, da seine Gegenspieler ihrerseits Drecksäcke vor dem Herrn sind. Dass Dan Jenkins niemand ist, mit dem man als anständiger Mensch gerne einmal ein Bier trinken gehen würde, ist ihm auf die Stirn tätowiert. Mut jedoch muss man der Serie dafür attestierten, dass sie auch aufseiten des indigenen Volkes, mit dem sich Dutton de facto in einem Krieg befindet, einen veritablen Mistkerl als Gegenspieler positioniert: Chief Thomas Rainwater ist kein netter Mensch. Er ist der Betreiber eines Casinos im Reservat Broken Rock, er ist selbst ein durchaus wohlhabender Mann, der das Glücksspielverbot in den USA ausnutzt, um sich selbst die Taschen zu füllen, schließlich gelten diese Verbotsgesetze in seinem Reservat nicht. Sein Kampf für das Reservat - er ist vorgeschoben, ein Feigenblatt, mit dem er seinen Ansprüchen einen legalen Touch verleiht. Am Ende des Tages geht es ihm nicht ums Reservat, sondern um Thomas Rainwater. Nun weiß jeder Autor, dass es dramaturgisch unklug ist, eine Geschichte zu kreieren, in der alle handelnden Parteien aus bösen Pestzecken bestehen. Natürlich gibt es kein Verbot, das solch eine Konstellation ausschließen würde. Aber wer möchte schon drei unsympathischen Gierlappen bei der Arbeit zusehen? Eine Erzählung, ob auf Papier oder dem Bildschirm, ist immer auch ein Eskapismus aus der Welt der Gegenwart; ein Fluchtort, an dem zumindest die Hoffnung auf Erlösung besteht. Wie kann die bestehen, wenn die Hauptfigur eben eine schwierige Person ist (um es euphemistisch auszudrücken)?
Im Fall von "Yellowstone" steht Kayce Dutton (Luke Grimes, "Die glorreichen Sieben") für eben jenen Anstand, der eine Identifikation ermöglicht. Kayce ist Johns jüngster Sohn und vielleicht der Einzige, der es je gewagt hat, seinen eigenen Weg zu gehen. Als Navy Seal hat er seinem Land und nicht seinem Vater gedient, geheiratet hat er eine Frau aus dem Reservat, mit der er (zumindest anfangs der Serie) auch im Reservat zusammen mit ihrem gemeinsamen Sohn lebt. Kayce hat sich aus dem Schatten seines Vaters befreit, auch wenn er im Zweifel zu seiner Familie steht. John ist sein Vater, also ist er ihm gegenüber verpflichtet. Dass er ihn aber auch achten muss, nur weil er ihn zufällig gezeugt hat, davon steht nichts im Familienvertrag.
Johns Verhältnis zu seinem Sohn ist schwierig. Einerseits ist es nicht frei von Konflikten, andererseits muss John Kayce zugestehen, dass dieser den aufrechten Gang beherrscht. Einen Gang, dem er seinen Sohn Jamie (Wes Bentley) abspricht. Der ist ein erfolgreicher Staatsanwalt und aufstrebender Politiker. Aber Jamie ist am Ende des Tages nur der zweitgeborene Sohn, ein verweichlichter Schreibtischarbeiter, dessen politische Kontakte natürlich der Familie nutzen. John aber verachtet Politiker, daher braucht über seine Beziehung zu seinem Zweitgeborenen nicht viel mehr geschrieben werden. Wo es einen Zweitgeborenen gibt, gibt es auch einen Erstgeborenen. In diesem Fall muss man allerdings sagen: Es gab ihn. Lee, so sein Name, ist bei einem Streit um gestohlene Rinder im Reservat erschossen worden. Oder, wie man zu Zeiten des Wilden Westens zu sagen pflegte: Er ist in seinen Stiefeln gestorben.
An Lees Stelle ist statt Jamie Rip (Cole Hauser, " Stirb langsam - Ein guter Tag zum Sterben") getreten, Johns Vorarbeiter, der John ergeben ist und der sich nicht scheut, die Drecksarbeit für ihn zu erledigen. Das Land ist hart und nicht jeder Streit kann am Schreibtisch gelöst werden. Wenn es hart auf hart kommt, dann ist Rip der Mann, auf den sich John verlassen kann. Einen Sonderplatz nimmt seine einzige Tochter ein. Bethany (Kelly Reilly, "True Detective") ist eine erfolgreiche Hedgefonds-Managerin; sie ist mindestens so skrupellos wie ihr Vater und sie ist vermutlich das einzige Kind, das sich wirklich der Liebe ihres Vaters gewiss sein kann, so wie auch sie ihren Vater liebt. Bethany aber ist auch hochintelligent und sie weiß, wer ihr Vater ist. Emotional ist sie daher, vorsichtig ausgedrückt, instabil.
Kevin Costner glänzt in "Yellowstone"
"Yellowstone" kann gewisse Parallelen zu "Dallas" oder "Denver-Clan" nicht verhehlen. Es wird intrigiert, jede handelnde Partei ist auf ihren Vorteil bedacht und da im Westen nicht unbedingt die Gesetze gelten, die in juristischen Bibliotheken nachzulesen stehen, kommt man sich hier und da eben auch mal mit Waffengewalt in die Quere, um ein Problem aus der Welt zu schaffen.
Der Geniestreich von "Yellowstone" besteht jedoch in der Besetzung der Hauptfigur mit Kevin Costner. Die ersten Kritiken zur Serie sind in den USA zum Start 2018 eher mäßig ausgefallen. Vor allem liberale Websites und Zeitungen hatten Probleme mit der Serie, vor allem die Hauptfigur ist den Rezensenten übel aufgestoßen. Warum? Weil ihn die Kritik als einen ziemlich reaktionären Leuteschinder wahrgenommen hat. Doch wenn man etwas länger am Ball bleibt und die Serie nicht nach dem ersten Eindruck (aus den ersten zwei oder drei Episoden) bewertet, relativiert sich dieser Eindruck. Sicher, auch dieser Text lässt den Eindruck aufkommen, dass Dutton nicht gerade ein Sympathieträger ist. Aber die Wahrheit ist weitaus komplexer. John Dutton wird schließlich auch als ein Mann der Tat in die Story eingeführt. Er ist ein Mann, der anpackt und der verstanden hat, dass das Leben kein Ponyhof ist. Er hat seine Kinder zu gottesfürchtigen Amerikanern erzogen. Er ist kein Mann, der große Geschenke macht, aber er ist auch kein Betrüger. John Dutton ist ein Mann, der ein offenes Visier trägt. Mögen sich seine Gegenspieler Masken aufsetzen und sich hinter Anwälten (oder angeheuerten Killern) verstecken: Ein John Dutton schreitet voran, er versteckt sich nicht hinter seinen Truppen. Wer, wenn nicht Costner, wäre für solch eine Rolle geeigneter?
Dieses Männerbild wirkt aus der Zeit gefallen, vor allem, wenn es die Inszenierung zelebriert. Wenn John aufritt, umgibt ihn eine Aura, die am Ende nur ein Kevin Costner in diese Rolle einbringen kann. Wenn Kevin Costner in seinen Filmen immer wieder den Prototypen des aufrechten Amerikaners darstellt und John Dutton Kevin Costner ist oder Kevin Costner John Dutton, dann ist John Dutton...?
Am Ende muss man sich selbst ein Bild von dieser Serie machen, denn die eine Antwort auf die gestellte Frage gibt es nicht. Muss ein Mensch wie Dutton vielleicht ein Drecksack sein, wenn die Welt um ihn herum aus solchen besteht? Hat er vielleicht irgendwann vielleicht eine falsche Abzweigung genommen? Hätte er auch ein anderer Mensch werden können? Darauf deuten Rückblicke hin, die einen durchaus sympathischeren John Dutton auftreten lassen. Was ist passiert, dass er zu dem Mann geworden ist, als den wir ihn kennenlernen? Die Serie wird darauf mit Sicherheit noch einige Antworten bieten.
Spin-offs von "Yellowstone"
In den USA ist die Serie inzwischen sehr erfolgreich und eines der Highlights beim Streamingdienst Paramount+, daher verwundert es nicht, dass der Streamingdienst die Kuh weiter melken will. Gestartet ist bereits ein Spin-off mit dem Titel "1883", das die Geschichte des Aufstiegs der Familie Dutton erzählt. Hier spielen Tim McGraw und Faith Hill die Hauptrollen. Eine zweite Serie, "1932", ist in Planung. Etwas kryptisch klingt das Projekt "6666". Bei den Zahlen dürfte es sich um einen Platzhalter handeln. Die Handlung der Serie spielt in der Gegenwart, allerdings auf einer Ranch in Texas. Mehr ist nicht bekannt.
Fazit: Kevin Costner ist eine Wucht. Er trägt "Yellowstone" quasi alleine auf den Schultern, er dominiert das Geschehen. Die Mischung aus klassischem Western, "Denver Clan" und moderner High-Concept-Fernsehserie ist ungewöhnlich und ansprechend, auch wenn man drei, vielleicht vier Episoden braucht, um in diese oft widersprüchliche Welt vollends eintauchen zu können.
Studio: Paramount | Land: USA, 2018 - |
FSK: keine Angabe |
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Drehbuch von | Darsteller | Rolle | ||||
Taylor Sheridan | Kevin Costner | ... | John Dutton | |||
John Linson | Luke Grimes | ... | Kayce Dutton | |||
Kelly Reilly | ... | Beth Dutton | ||||
Wes Bentley | ... | Jamie Dutton | ||||
Cole Hauser | ... | Rip Wheeler | ||||
Kelsey Asbille | ... | Monica Dutton | ||||
Ryan Bingham | ... | Walker | ||||