Jason Isbell: Die dunklen Seiten eines Musikers

Jason Isbell: Die dunklen Seiten eines Musikers

In der Dokumentation "Jason Isbell: Die dunklen Seiten eines Musikers" aus dem Jahre 2023, gewährt der vierfache Grammy-Preisträger Jason Isbell im Porträt einen schonungslos offenen Blick in sein Innenleben, das sich unverkennbar in seiner Musik widerspiegelt. Die Dokumentations wurde gößtenteils aufgenommen im Winter 2019 während der Studioaufnahmen zu seinem Album "Reunions".

 

"Jason Isbell: Die dunklen Seiten eines Musikers" - das helle Porträt eines Country-Star

Jason Isbell ist ein Sänger-Songschreiber aus Alabama, der in dieser Dokumentation aus seinem Leben erzählt. Sein Schaffen als Musiker kommt dabei genauso zur Sprache wie Passagen aus seinem Privatleben.

Der heute 45-Jährige lässt sich dabei von der Kamera quasi über die Schulter schauen und versucht, ein möglichst authentisches Bild von sich wiederzugeben. Bereits in den ersten fünf Minuten erlebt man ihn beim Proben im Austausch mit seinem Team. Zwischendurch ein Anruf von seiner Tochter, die wissen will, was er macht. Da ist Jason Isbell dann ganz Papa, liebenswert, fürsorglich und stolz. Im nächsten Moment ist er wieder ganz Profi im kreativen Prozess um Noten und Worte. Hier nimmt sich Regisseur Sam Jones, der zuvor schon einem Skater ("Tom Hawk: Until the Wheels Fall Off") und einer Roadie-Truppe ("Miles to Go Before I Sleep") porträtierte, besonders viel Zeit, um das Entstehen des Songs "Running with Our Eyes Closed" zu zelebrieren. So lautet auch der Originaltitel dieser Dokumentation.

Zurück in die Vergangenheit

Erst nach knapp 19 Minuten gibt es einen Rückblick in die Vergangenheit von Jason Isbell. Mit eigenen Worten erzählt er von früher, wie und wo er großgeworden ist. Auch seine Eltern Mike und Angela kommen zu Wort. Er war 18, sie 16, als Jason geboren wurde. Inmitten einer religiösen Familie mit einem Großvater als Prediger, fürchtete er früh, in die Hölle zu kommen. Schuld und Scham prägten ihn, hinzukam, dass er als Junge ziemlich pummelig und unsportlich war, weshalb er von Mitschülern gehänselt und mit Gurken beworfen wurde.

Sein einziger Ausgleich war seine Gitarre, an der er sich abreagieren konnte, wenn sich auch noch seine Eltern stritten. Psychologische Hilfe gab es nicht, wahrscheinlich wäre Jason zwischen gut und verrückt werden hängen geblieben, wenn er nicht seine Gitarre gehabt hätte, gesteht er im Interview. Auch seine Ehe zu Amanda Shires mit einem Hang zu schrägen Brillen wird reflektiert. Eine Frau mit ehrlicher Ausstrahlung, die kein Blatt vorm Mund nimmt und ihm als Violinistin auch beruflich verbunden ist.

"Jason Isbell: Die dunklen Seiten eines Musikers" - Die Verbindung zwischen Leben und Kunst

Eine gewisse Anspannung ist zwischen Jason Isbell und Amanda Shires permanent zu spüren. Sie haben einen ehrlichen und humorvollen Umgang miteinander, doch dann kommt es doch zum Bruch. Im Februar 2024 kam es schließlich zur Scheidung.

"Jason Isbell: Die dunklen Seiten eines Musikers" ist nicht die typische Erfolgsstory nach amerikanischer Machart. Hier wird tatsächlich nicht um die dunklen Seiten eines Musikers drumherum manövriert, sondern offen und ehrlich angesprochen. So auch die Alkohol- und Drogensucht, in die Isbell gleich zu Beginn seiner Karriere als Gitarrist und Songaschreiber der Band Drive-By Truckers schlitterte. Eine Überdosis aus Kokain, Alkohol und Valium brachte ihn in eine lebensgefährliche Situation. Was hat ihm geholfen? Aber Regisseur Sam Jones kehrt erst mal wieder in die Gegenwart zurück, thematisiert zwischen Studioaufnahmen erneut die Beziehungsprobleme zwischen Amanda und Jason. Das schafft eine gute Spannung und entspinnt die vielen Facetten eines Musikers, der anscheinend immer noch mit seinen inneren Dämonen kämpft.

Jason Isbell und seine Musik

Natürlich wäre ein Porträt über Jason Isbell unvollständig, würde man ihn nicht als Musiker erleben. Statt großer selbstbeweihräuchernden Konzertaufnahmen erleben wir ihn vor allem im Studio, tief versunken, singend und an seiner Gitarre. Der Mann ist in diesen Momenten in seinem Element, das spürt man.

Die Szenen, in denen er allein oder zusammen mit Amanda vor der Kamera spricht, sind in Schwarzweiß gehalten - ein abgesonderter, neutraler Raum, in dem Tatsachen auf den Tisch kommen, die aber nicht weniger emotional sind.

Erst die Pandemie zwingen Jason Isbell, sich ganz seiner Familie zu widmen. Was dann aber doch fehlte, war die Musik. So veröffentlichten Jason Isbell & the 400 Unit das Album "Reunions", welches 2020 Platz 9 der amerikanischen Billboard 200-Charts erreichte. Hier gesteht Jason, dass er in der Pandemie fast wieder zum Alkohol gegriffen hätte, wenn da nicht seien Frau und Tochter gewesen wären. Hier geht der Film noch einmal in die Vergangenheit zurück, um aufzuklären, wie Jason Isbell einst seine Sucht überwand. Aus Spannungsgründen wird das an dieser Stelle aber nicht verraten. Inzwischen ist der Country-Musiker auch als Schauspieler unterwegs, zuletzt beeindruckte er in Martin Scorseses "Killers of the Flower Moon".

Fazit: Diese gelungene Dokumentation verarbeitet hauptsächlich die Höhen und Tiefen aus dem Leben von Jason Isbell. Seine tiefsinnigen Songs bilden den Soundtrack, gewissermaßen als emotionale Reflektion. Darauf lässt man sich gern ein.

vgw