Anscheinend aber stehen im Falle von Karen Fairchild, Kimberly Schlapman, Jimi Westbrook und Phillip Sweet in der zweiten Jahreshälfte 2010 tatsächlich alle Zeichen auf Erfolg. So gingen in der ersten Woche in den Staaten immerhin 41.940 Exemplare der neuen Langrille über die Ladentische - was dem Quartett nicht nur den 5. Platz in den genreübergreifenden Billboard Top 200 Albums Charts einbrachte, sondern - wie zu erwarten - auch die Pole Position in der Country Hitliste bescherte.
Doch ist Litte Big Town wirklich Country? Nun, längst sind die klassischen Abgrenzungen in der Branche kaum noch nachvollziehbar. So wäre "The Reason Why" noch vor 25 Jahren sicher nicht von vielen Händlern unter der Rubrik "Country" ins Regal gestellt worden. Und auch heute werden sich doch einige wundern, wenn die zwölf Stücke dort ihren Platz finden. Andererseits trägt die Truppe dazu bei, dass in den USA schon 13-Jährige ihr Taschengeld einmal für handgemachte Musik ausgeben, die nicht nur von vier äußerst feinen Stimmen veredelt wird, sondern - genau - eben auch ein wenig Country ist.
In der aktuellen Produktion muss man die typischen und so geliebten Zutaten wie eine Pedal Steel Gitarre allerdings lange suchen oder schon ganz genau hinhören. Der Blick ins CD-Heft klärt auf - bei insgesamt fünf Songs kommt das klassische Instrument zum Einsatz. Am deutlichsten zu hören beim ruhigen "Rain On A Tin Roof", einem netten, aber eben nicht umwerfenden Song. Deutlich packender fällt dagegen die Interpretation des von Gordie Sampson, Hillary Lindsay und Steve McEwan geschriebenen "Kiss Goodbye" aus. Eine Ballade, die sich nach simplen Dreiklang-Geklimper zu Beginn zu einer kraftvollen Rockhymne entwickelt, die mit dem harmonischen Gesang des Vierers noch das Sahnehäubchen aufgesetzt bekommt.
Ein gesanglicher Höhepunkt ist der Band dazu mit "Why, Oh Why" gelungen, dass mit einem beeindruckenden, 23 Sekunden langen, rein stimmlichen Intro startet und sich dann zu einem stadiontauglichen Mitstampfer entwickelt. Fetziger geht es danach ebenso bei "Little White Church" zu, dem die fast schon country-lastige, aber nicht nur deshalb gelungenen Ballade "You Can´t Have Everything" folgt. "All The Way Down" und "All Over Again” passen dann wieder in die Kategorie "Nett, aber…”.
Wer ganz genau hinguckt, wird bei den kleingedruckten Zeilen dazu feststellen, dass die Band bei dieser Platte eigentlich nicht mehr nur als Quartett durchgehen kann. Denn Produzent Wayne Kirkpatrick hat nicht nur an sieben Songs mitgeschrieben; er hatte bei den Aufnahmen auch bei jedem Song mindestens eine Gitarre in der Hand. Spricht für eine gute Chemie zwischen der Band und dem Mann an den Reglern, die sich in dem Album musikalisch wiederfindet. Der rote Faden wird mit dem Opener "The Season Why" aufgenommen und endet mit dem finalen "Lean Into It". Schön anzuhören, aber auch unaufregend. Kein Gitarrensolo (sieht man von dem kurzen, fast schon wilden Ausbruch bei "Runaway Train" ab), das aus dem Rahmen fällt oder irgendein anderer sonderlich origineller Einfall stören in den 46 Minuten die Harmonie. Das wird Fans von Lady Antebelleum super gefallen, manch anderer sehnt sich bei der Überdosis perfekter Stimmen sicher an alte Western-Haudegen zurück.
Fazit: Ohne Wagnisse einzugehen, bleiben Little Big Town mit der neuen CD auf der Erfolgsspur. Die harmonischen Stimmen sind dabei wieder ein akustisches Vergnügen. Ein paar Ecken und Kanten hätten die Platte aber erdiger und spannender werden lassen.
Label: Capitol Nashville / HumpHead (EMI) | VÖ: 20. August 2010 |
Titelliste CD
Links
01 | The Reason Why | 07 | You can't Have Everything |
02 | Runaway Train | 08 | All The Way Down |
03 | Kiss Goddbye | 09 | All Over Again |
04 | Shut Up Train | 10 | Rain on a Tin Roof |
05 | Why, oh Why | 11 | Life Rolls On |
06 | Little White Church | 12 | Lean Into It |