Sieben Jahre nach ihrem ersten wirklich großen Hit "Boondocks" und gut 13 Jahre nach Gründung der Band landet das Quartett mit der Nummer endlich die lang ersehnte erste No.1 in den Billboard Hot Country Songs Charts. Schon über 1 Million Mal hat sich die relaxte Hymne über die Vorzüge eines "Schwimmkörpers" während der warmen Tage schon verkauft. Lässige Gitarren, gekonntes "Geklimpere" aus der Mandoline und der Gesang von Karen Fairchild samt einem einprägsamen Refrain - fertig ist der Hit. Wenn das doch immer so einfach wäre...
Denn kommerziell betrachtet sind Little Big Town zwar immer ganz gut mit dabei, jedoch für die Champions League in Nashville hat es bisher mit drei Top-Ten-Singles in über zehn Jahren noch nicht gereicht. Immerhin schaffte es die Band mit der Vorgängerplatte "The Reason Why" erstmals ein Album auf Platz 1 der Country-Charts. Nachdem Wayne Kirkpatrick die letzten drei Platten in Szene gesetzt hatte, suchten sich Karen Fairchild, Kimberly Schlapman, Philip Sweet und Jimi Westbrook jetzt mit Jay Joyce (Eric Church, Emmylou Harris) einen neuen Mann für den Produzentenjob.
Mit Erfolg, denn so aufgeweckt wie beim Opener "Pavement Ends" klangen Little Big Town schon lange nicht mehr. Perlendes Banjospiel, die bekannt guten Gesangs-Harmonien des Vierers und ein rhythmischer Beat sorgen in Kombination mit elektrischen Gitarren für einen wirklich modernen und munteren Auftakt der zwölf neuen Songs.
Zeichen frischer Energie weist auch "Front Porch Thing" auf. Hier stehen nach sauberer Accapella-Einleitung während der Strophen einmal die beiden Männer im stimmlichen Mittelpunkt und bringen zusammen mit passender Instrumentenauswahl eine bluesige und swampige Stimmung rüber, als wären sie gerade von einer Tour an einem Sumpf in Louisiana gekommen. "Self Made" ist eine weitere Rock-Nummer, die einen so druckvollen Soundteppich ausbreitet, als sei sie in einem Take eingespielt worden - ziemlich cool!
Nur drei Wochen dauerten die Aufnahmen der neuen Stücke - deshalb entschied man sich bei der Titelsuche für die Platte für die Bezeichnung "Tornado". Der dazugehörige Song ist wieder mit einem Klatsch-Rhythmus unterlegt, einem Stilmittel das insgesamt vielleicht ein wenig zu häufig in der Produktion auszumachen ist. Karen Fairchild (oder dem Produzenten) gelingt es trotzdem, ihre aussagekräftige Stimme noch im Vordergrund zu platzieren. Groovig, tanzbar und mit einem von Italowestern bekannten Pfeifen versehen wohl eine Nummer, die eher beim weltoffenen Popfan als beim klassischen Country-Liebhaber punkten wird. Linedancer dagegen können mit der stark strukturierten Nummer sicher etwas anfangen.
Losgelöste Partylaune serviert danach das kurzweilig-temperamentvolle "On Fire Tonight". Die Drei-Minuten-Nummer ist wieder sehr modern geraten und erklingt erneut mit Klatsch-Untermalung und etwas seltsamen Hup-Geräuschen aus dem Keyboard aus den Boxen. Der von allen Bandmitgliedern vorgetragene Refrain ist allerdings ziemlich genial und sogar noch einprägsamer als der von "Pontoon".
"Can't Go Back" und "Night Owl" zeigen einmal mehr die harmonischen Qualitäten des Quartetts bei ruhigen Stücken auf. Trotzdem dürften sich spätestens hier die Geister scheiden. Wer auf diese gekonnte, aber doch sehr üppige Dosis an perfekt aufeinander abgestimmten Gesangseinlagen steht, sollte hier dahinschmelzen. Auf der anderen Seite dürften manchem sicher spätestens nach dem an ein Schlaflied erinnernde "Night Owl" auch tatsächlich die Augen zufallen.
Bei der traurig-schönen Mainstream-Ballade "Sober" besteht dagegen sicher keine "Ermüdungs-Gefahr" - dafür ist der Song zu gelungen. Highlight bei den langsameren Songs ist aber das atmosphärische, fast schon betroffen machende "Your Side of The Bed", das Folk-Sängerin Lori McKenna mit Little Big Town schrieb. Die Ballade, bei der die zwei in einer Beziehung stehenden Personen feststellen, dass der Abstand zwischen beiden immer größer wird, stellt einmal mehr die Sangeskünste der Band unter Beweis und bietet sich dazu für eine Umsetzung in einem Videoclip an.
Fazit: Little Big Town betreten auf ihrem fünften Werk überwiegend neue Wege. Ohne Angst vor Experimenten legt der Vierer ein vielseitiges und teils sehr modern orientiertes Album vor. Dazu rechtfertigt die Gruppe seine erneute CMA-Nominierung als beste Vocal-Group.
Label: Capitol Nashville (EMI) | VÖ: 21. September 2012 |
Titelliste
01 | Pavement Ends | 07 | Tornado |
02 | Pontoon | 08 | On Fire Tonight |
03 | Sober | 09 | Can't Go Back |
04 | Front Porch Thing | 10 | Self Made |
05 | Your Side of The Bed | 11 | Night Owl |
06 | Leavin' In Your Eyes | 12 |