"Ocean" markiert einen Meilenstein
So ein Album wie "Ocean" kommt nicht von ungefähr. Man spürt, man hört, man fühlt: Das Trio, das 2010 mit ihrem Sehnsuchts-Song "Need You Now" gleichermaßen die Pop- und Country-Welt aufmischte, hat sich für dieses Werk einen Plan zurechtgelegt. Einen Masterplan, dem ganz offensichtlich eine Zäsur vorausging: Wer sind wir? Wo soll es hin? Was wollen wir transportieren? So ein Prozess ist nie leicht und immer schmerzhaft. Die Karten müssen auf den Tisch. Hop oder top? Dass so eine Standortsbestimmung aber der Nährboden für richtig Großes sein kann, hat die Popgeschichte vielfach bewiesen. Am schönsten vielleicht mit dem "Rumours"-Album von Fleetwood Mac. Wer weiß, vielleicht avanciert "Ocean" rückblickend zum "Rumours"-Pendant von Lady Antebellum?
Parallelen gibt es tatsächlich so manche: Beide weisen keine Song-Lückenfüller aus. Beide Alben stehen in der Tradition von harmonischem Folk und Rock. Und beide Acts haben in ihren Reihen sowohl weibliche als auch männliche Leadsänger der Extraklasse. Wer möchte, findet vermutlich auch in der Zusammensetzung der Songlist Gemeinsamkeiten.
Im Gegensatz zu den Lady Antebellum-Vorgänger-Alben "747" und "Heart Break" fällt die Produktion von "Ocean" - übrigens der Label-Einstand bei "Big Machine" - weniger glatt und berechnend aus. Was auch ein Verdient von Produzent Dann Huff ist, mit dem das Trio jetzt erstmals arbeitete. "Mit ihm im Studio war, als ob wir erneut unser erstes Album aufgenommen hätten", schwärmt Haywood kürzlich in einem Interview über die Sessions und gab zu: "Wir wollten zurück zu unseren Wurzeln als Songautoren, Sänger und Menschen - das hört man in jedem der neuen Songs."
Gelungene Standortbestimmung von Lady Antebellum
Trotz vieler Veränderungen und mancher Rückbesinnung gelingt es Hillary, Charles und Dave irgendwie, immer noch typisch nach Lady Antebellum zu klingen. Es braucht beispielsweise keine drei Akkorde des Openers "What If I Never Get Over You", ein Song, der den "Need You Now"-Faden übrigens atmosphärisch gekonnt aufnimmt, um die Band zu identifizieren. Typisch Lady Antebellum! Das Trio hat sich in 13 Karrierejahren ein unverwechselbares Sound-Signet erarbeitet. Einen Sound, dessen Dreh- und Angelpunkt meist diese eine bestimmte eingängige Country-Folk-Melodie ist. Das klingt so leicht und ist doch so schwer.
Der Mix aus luftiger Leichtigkeit und notwendigem Tiefgang gelingt Lady Antebellum auf "Ocean" gleich bei mehreren Titeln: Bei dem, mit Vinyl-Knarzen auf Retro getrimmtem "Pictures", bei der herrlichen Akustik-Ballade "Crazy Love", beim Mut machenden Southern-Rocker "You Can Do You" und bei der leisen und trotzdem betörenden und von Hillary unschlagbar gesungenen Klavier-Ballade "Let It Be Love".
Schöne Momente liefern erneut Songs, in denen sich Hillary und Charles die Lead-Vocals teilen. Natürlich, denn beide Stimmen harmonieren einfach zu schön nebeneinander und miteinander, wie beispielsweise in dem herrlichen, mit Geigen-Outfit und Dobro-Solo versehenen Schmacht-Song "On A Night Like This". Doch das Flaggschiff des Country-Pop-Crossover kann nicht nur schwelgen. Es hat auch Rock drauf. Bester Beleg: Der kernige Heartland-Rocker "The Thing That Wrecks You", bei dem Little Big Town mit von der Partie sind. Wir lernen: Wer oben ist, muss sich nur neue Ziele suchen. Den Mond, den Mars, den Musik-Himmel...
Fazit: 13 Songs, nur Volltreffer: "Ocean" könnte für Lady Antebellum zum weiteren Meilenstein in ihrer glanzvollen Karriere werden - Country-Folk-Pop auf höchstem Niveau.
Label: BMLG (Universal) | VÖ: 15. November 2019 |
01 | What If I Never Get Over You |
02 | Pictures |
03 | Crazy Love |
04 | You Can Do You |
05 | What I’m Leaving For |
06 | Be Patient With My Love |
07 | Alright |
08 | Let It Be Love |
09 | On A Night Like This |
10 | Boots |
11 | The Thing That Wrecks You (mit Little Big Town) |
12 | Mansion |
13 | Ocean |