Sogar in den Deutschen Charts ist die Country-Sängerin im vergangenen Jahr aufgetaucht. Allerdings nicht mit der Musik ihres ersten Albums "Hero", sondern als Stimme eines Dance-Projekts des deutsch-russischen DJs Zedd und dem US-Elektro-Duo Grey. Für den Titel "The Middle" gab es 2018 sogar eine Grammy-Nominierung. Country-Freunde müssen sich aber nicht schämen, wenn sie das nicht mitbekommen haben, denn bei dem Titel handelt es sich um eine pure Dancefloor-Nummer. Dennoch zeigt der Track, der es bis auf Platz 15 der hiesigen Charts schaffte, wie vielseitig Maren Morris unterwegs ist. Das kann auch dem zweiten Rundling "Girl" bescheinigt werden.
Vielseitig unterwegs: 14 Songs auf "Girl" überwinden locker Genre-Grenzen
Dass Maren Morris Country-Helden wie Hank Williams und Johnny Cash zu ihren Einflüssen zählt, war schon auf dem Debüt-Album nur mit einiger Fantasie herauszuhören. Wer bei den 14 neuen Songs also ein klassisches Country-Album erwartet, wird definitiv enttäuscht sein.
Schubladendenken ist nichts für die Sängerin, die sich auf dem Cover übersichtlich bekleidet auf blühenden Schnittblumen wälzt. Ein ungewohnt freizügiges Foto, wie man es vor allen Dingen im Country-Genre, zu dem die Songschreiberin ja offiziell noch gerechnet wird, schon lange nicht mehr gesehen hat.
Maren Morris strotzt nur so vor Selbstbewusstsein, was sie nicht allein für sich behalten möchte. So gibt die 28-Jährige ihren (weiblichen) Fans beim Titeltrack ein paar Tipps, wie ein Ziel zu erreichen ist, selbst wenn es man Schwierigkeiten auf dem Weg zum Ziel gibt: "Girl, don't hang your head low. Don't lose your halo. Everyone's gonna be okay, baby, girl". (Mädchen, lass den kopf nicht hängen. Verliere nicht Deinen Heiligenschein. Es wird allen gutgehen.) Eine Dosis Selbstwertgefühl gleich zum Auftakt, warum nicht?!
Für "Common" hat sich die Texanerin die jüngst mit Grammys ausgezeichnete Brandi Carlile an Bord geholt. Die Nummer wirft einen unverblümten Blick auf menschliche Beziehungen unserer modernen Welt - mit dem Fazit, dass wir uns alle sehr viel ähnlicher sind als wir insgesamt zugeben würden. Ein fast schon spiritueller Popsong, der vom kraftvollen, souligen Gesang der beiden Damen veredelt wird.
Ein Titel, der auf der bevorstehenden Deutschland-Tournee und dem Konzert in der Schweiz nicht fehlen darf, ist "All My Favorite People". Mit dabei auf dem coolen Trip in die Bar an einem Dienstagabend sind John and TJ Osborne, besser bekannt als Brothers Osborne. Die einzige waschechte Rocknummer des Albums sorgt sofort für gute Laune und klingt dank der gutgelaunten Protagonisten und der Band, die einmal die Regler voll aufdrehen durfte, wie live aufgenommen. Eine potentielle Hymne.
Auch "A Song For Everything", was komplett anders als "All My Favorite People" klingt, ist nicht so schnell leid gehört. Nachdem Maren Morris kurz vorher noch gerockt hat, ist sie jetzt wieder im eingängigen, aber niveauvollen Pop unterwegs. Eine schöne Nummer.
Die zweite Hälfte von Girl ist voller Liebeslieder
Die zweite Hälfte der CD, die beim blassen "Make Out With Me" offiziell angesagt wird, ist voll mit Liebesliedern. Der musikalischen Abwechslungsfaktor kommt allerdings etwas kürzer als auf der ersten Hälfte. Stattdessen lässt die Sängerin verstärkt ihrer Affinität für R&B freien Lauf. Das passt nicht immer so gut zusammen, beispielsweise wenn der trabende Beat bei "Gold Love" mit einem Hauch an Pedal-Steel-Sound kombiniert wird.
Deutlich besser klappt das ohne die tonangebenden Beats, wie beim erwachsenen "Hell and Back", bei dem die Sängerin einen ehrlichen Einblick in ihre Ehe mit Ryan Hurd erlaubt.
"The Bones" beginnt langsam mit einer akustischen Gitarre, bevor das Ganze langsam zu einer starken Pop-Hymne heranwächst. Hier liefert die Sängerin die wohl überzeugende Gesangsleistung des Albums ab.
Fazit: Ja"Girl" ist selbstbewusstes und kreatives Album, bei dem Maren Morris Genregrenzen locker überspringt und sich zu einem großen Stück weit neu erfindet. Dabei räumt sie ihrer Affinität für R&B viel Platz ein.
Label: Columbia Nashville (Sony) | VÖ: 8. März 2019 |
01 | Girl |
02 | The Feels |
03 | All My Favorite People (mit Brothers Osborne) |
04 | A Song for Everything |
05 | Common (mit Brandi Carlile) |
06 | Flavor |
07 | Make Out With Me |
08 | Gold Love |
09 | Great Ones |
10 | RSVP |
11 | To Hell & Back |
12 | The Bones |
13 | Good Woman |
14 | Shade |