Okay, das ist schon eine verwegene Idee: Da nimmt sich eine Band - immerhin CMT-Award- und Grammy-dekoriert - ein Album eines Künstlers vor, um es von vorne bis hinten, Song für Song, live aufzuführen, mitzuschneiden und um es als Tribut-Live-Album zu veröffentlichen. Bei der Band handelt es sich um die derzeit vielleicht heißeste Americana-Formation Old Crow Medicine Show, und der Künstler ist kein Geringerer als Bob Dylan. Die Veröffentlichung seines Album-Meilensteins "Blonde On Blonde" jährte sich im Mai 2016 zum 50. Mal.
Brüder im Geiste: Bob Dylan und Old Crow Medicine Show
Natürlich verbindet die sieben Mitglieder von OCMS, wie die Band in Insiderkreisen genannt wird, und Bob Dylan eine Art Seelenverwandtschaft. Beide halten sie es nicht so sehr mit Konventionen, beide gehen sie - jeder auf seine Art - ihren eigenen Weg. Und beide haben sie ein großartiges Händchen für lyrische Texte und erdigem Folk und Folk-Rock. Wie sehr die beiden miteinander können, zeigte sich schon 2003, als OCMS-Sänger und Fiddle-Spieler Ketch Secor gemeinsam mit Mr. Dylan den Song "Wagon Wheel" schrieb - mit dem Darius Rucker rund zehn Jahre später einen Top-Hit landete.
50 Jahre sind aber bereits seit der Entstehung von Dylans "Blonde On Blonde" vergangen. Man möchte es nicht glauben. Man kann es nicht glauben. Denn die 14 Titel seines Leuchtturm-Albums in seinem meterlangen Backkatalog trotzen - sowohl harmonisch als auch inhaltlich - lässig allen Moden und Trends; und auch der Zahn der Zeit scheint Tracks wie "Rainy Day Women", "Visions of Johanna" oder die wilde Revue-Nummer mit dem unschlagbaren Titel "Leopard-Skin Pill-Box Hat" nichts anhaben zu können. Schon gar nicht, wenn Ketch Secor und Mannen, allen voran Akkordoen- und Banjo-Spieler Critter Fuqua und Gitarrist Chance McCoy, das betagte Liedgut mit der OCMS-eigenen Energie aufladen.
Keine bibeltreue Umsetzung der Songs von "Blonde On Blonde"
Natürlich halten sich die alten Americana-Krähen nicht bibeltreu an Dylans Vorgaben. Sie interpretieren, modellieren, machen Neues draus. "Pledging My Time" hat Dylan beispielsweise ursprünglich als gemächlichen, sehr traditionellen Blues angelegt; Old Crow Medicine Show machen daraus eine superschnelle Bluegrass-Punk-Nummer, mit fliegenden Banjo- und Fiddle-Salven. Vom Original, einst in Nashville mit Top-Session-Musikern wie Al Kooper und den Leuten von The Band eingespielt, bleibt hier nicht mehr viel mehr als Text und Griff-Folgen übrig.
Ähnlich kreativ geht der Nashville-Siebener auch mit "Temporary Like Achilles" um: den typischen Dylan-Blues-Folk-Schleicher möbeln sie mit Pedal-Steel und Klavier zum partytauglichen Folk-Kracher auf.
Nur bei "Just Like A Woman", der erfolgreichste Song und gleichzeitig Erkennungsmelodie des Albums, bleiben OCMS für ihre Verhältnisse nah am Original. Sowohl beim moderaten Tempo, als auch beim Arrangement. Zu einem Dylan-Karaoke geriert sich aber auch dieser Titel nicht. Dafür sorgt schon mal Sänger Ketch Secor, der - mit Verlaub - zum Singen eine einfach deutlich besser geeignete Stimme mitbringt, als der frischgebackene Nobelpreis-Träger in jungen Jahren.
Fazit: Old Crow Medicine Show lupfen mit " 50 Years of Blonde on Blonde" ihre Hüte vor Bob Dylan und seinem Meilenstein-Album "Blonde On Blonde" - live, kompetent und voller Spielfreude. Ein Tribut mit Ehrennadel.
Label: Columbia Nashville (Sony) | VÖ: 28. April 2017 |
01 | Rainy Day Women #12 & 35 |
02 | Pledging My Time |
03 | Visions of Johanna |
04 | One of Us Must Know (Sooner or Later) |
05 | I Want You |
06 | Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again |
07 | Leopard-Skin Pill-Box Hat |
08 | Just Like a Woman |
09 | Most Likely You Go Your Way and I'll Go Mine |
10 | Temporary Like Achilles |
11 | Absolutely Sweet Marie |
12 | 4th Time Around |
13 | Obviously 5 Believers |
14 | Sad Eyed Lady of the Lowlands |