Bei der Expedition in die verborgene Welt der unerhörten Melodie hat das ursprünglich aus North Carolina stammende Quintett erst einmal die Wurzeln der amerikanischen Musik frei gelegt: Mountain Music, Songs der alten Jug Bands und Travelling Shows. Und Appalachian String Music, Memphis Blues und Bluegrass. Kurz: Der Nährboden also für alles weitere; die Muttermilch von Country & Western. Diesen erdigen, mit Banjo, Fiddle, Harmonica, Kontrabass, Trommeln und vor allem mit vielstimmigen Chorgesängen aufgeladenen Bodensatz verfeinert die Band mit zeitgemäßer Energie. Das Ergebnis ist eine fesselnde Mixtur aus Tradition und Moderne.
Wie dankbar die Countrymusic-Gemeinde auf Acts reagiert, die zur Abwechslung nicht den angesagten Hit-Schmied, die übliche Studio-Elite und die Songschreiber von der Charts-Stange engagieren, bewies der erste Auftritt von Old Crow Medicine Show in 2001 im legendären Ryman Auditorium. Standing Ovations kassierte das junge Rebellen-Quartett für ihre Songs. Lieder, die - aber das muss man wohl kaum erwähnen - mal nicht von "Angels", Tequila und PickUps handeln. Die Themen des pfiffigen Fünfers sind von anderem Kaliber: Es sind Arbeiterlieder, Spaß-, Mitsing- und Party-Lieder. Es sind Blues-Songs, Protest-Songs und - so die eigene Einschätzung - "Killin' Songs" und "Love Songs". Diese volle Bandbreite bietet auch das zweite Album "Big Iron World".
Die zwölf Titel starke, unter der Leitung von David Rawlings in Nashvilles legendärem Woodland Sound Studio (u.a. Nitty Gritty Dirt Band) aufgenommene CD bietet vom ersten bis zum letzten Takt exzellente Unterhaltung. Musik, die sofort unter die Haut geht - und Wirkung zeigt. Die Mundwinkel zucken einen Tick nach oben, die Laune steigt. Gerade so, als ob sie bei einem Konzert erst das Publikum in Stimmung bringen müssten, legen sie mit "Down Home Girl", "Cocaine Habit" und "Minglewood Blues" temperamentvoll los. Auch wenn die Inhalte zum Teil harte Kost servieren ("Cocaine Habit"), setzt sie die Band musikalisch meist erfrischend gut gelaunt um. Erst im vierten Song, "My Good Gal", schaltet die optisch an eine Jugendgang in den 70er Jahre erinnernde Band einen Gang zurück. Und beweist, dass sie auch im Laid-Back-Groove vollauf zu überzeugen weiß.
Die letzten drei Titel belegen noch einmal nachdrücklich das enorme Potential der Band. Während "I Hear Them All" textlich und musikalisch an die Glanztaten von Bob Dylan erinnert, präsentieren sie mit dem nachfolgenden "Don't Ride That Horse" eine wirklich bewegende Ballade. Muss man hören, einfach unglaublich schön. Der Rausschmeißer der CD geht dafür aber wieder richtig ab: "Bobcat Tracks" hat alles was Punk an Energie zu bieten hat - und dazu musikalisches Handwerk und eine Melodie, die man so schnell nicht mehr aus den Ohren bekommt.
Fazit: Alte Musik, neu aufgemotzt. Traditionalisten mit der Energie einer Punk-Band. Endlich mal wieder frische, neue Töne aus Nashville. Ein echter Tipp!Label: Nettwerk (Soulfood) | VÖ: 1. September 2006 |
Titelliste
Links
01 | Down Home Girl | 07 | Union Maid |
02 | Cocaine Habit | 08 | Let It Alone |
03 | Minglewood Blues | 09 | God's Got It |
04 | My Good Gal | 10 | I Hear Them All |
05 | James River Blues | 11 | Don't Ride That Horse |
06 | New Virginia Creeper | 12 | Bobcat Tracks |