Mitte 2011 kündigte die Band Old Crow Medicine Show (O.C.M.S.) an, eine Auszeit vom Musikbusiness zu nehmen. Doch schon gegen Ende des Jahres wurde das aus Virginia stammende und in Nashville angesiedelte Quintett rückfällig und buchte sich im Studio ein. Unter veränderten Vorzeichen: Leadsänger und Gitarrist Willie Watson verließ wie Mandolinist Cory Younts die Americana-Band. Ersetzt wurden sie durch einen alten Bekannten: Chris Fuqua war 1998 Gründungsmitglied und übernimmt nach längerer Auszeit wieder die Leadvocals. Neu im Line-Up ist auch der als Geigenwunderkind gehandelte Chance McCoy.
Nun, nach vier Jahren veröffentlicht die Band mit "Carry Me Back" ihr viertes Album. Und knüpft dabei trotz neuer Mitglieder an den Sound der Vorgängeralben an. Denn: Markenzeichen der Formation bleibt der traditionelle amerikanische "Old-Time" Sound – mit Kontrabass, Geige, Mandoline und Akustik-Gitarre und nicht selten treibenden Rhythmen.
Bereits der Opener und Titeltrack "Carry Me Back" fungiert als Hinweis auf den vorrangigen Stil des Gesamtwerks: Ein flotter, energiegeladener Bluegrass-Song mit ansprechendem textlichen Inhalt, in dem Sänger und Geigenspieler Ketch Secor auf seine Kindheit eingeht. Historisch wird dabei bis zum amerikanischen Bürgerkrieg ausgeholt. Musikalisch knüpft der zweite Song "We Don't Grow Tobacco" nahtlos daran an, textlich ebenso kritisch und unbequem: es geht darin um das harte Brot und die Verarmung von braven Farmern. Kurz: die albtraumhafte Seite des American Dream.
Trotz düsterer Message geht es musikalisch herzergreifend beschwingt, oft auch höchst fröhlich zur Sache. Ein Saloon Ende des 19. Jahrhunderts - so muss das bei einem Gelage geklungen haben.
Überhaupt macht die Band das ganze Album über keinen Hehl aus ihrer Vorliebe für Südstaaten-Nostalgie. Und das eben nicht nur auf musikalischer Ebene. Der Titel "Levi" dreht sich um einen Mann mit einer Flasche Schnaps, umwölkter Gedanken und einer Pistole - den Rest kann man sich denken. Man kann ein Faible für solche Texte haben, muss man aber nicht.
Dass Old Crow Medicine Show auch ruhigere Töne anschlagen können, beweisen sie mit der gefühlvollen Ballade "Ain't It Enough" die sich lyrisch durchaus mit Werken des großen Robert Hunter messen kann. Musikalisch erinnert das Werk an Alternative-Country-Großmeister Towne van Zandt - wenn das nicht grandiose Song-Paten sind? Auch die beiden weiteren Balladen "Genevieve" und "Ways of Man" berühren und gehen zu Herzen. Und sie sorgen inmitten des tempogeladenen CD-Mittelbaus für angenehme Verschnaufpausen.
Ingesamt bietet die Band mit dem zwölf Songs umfassenden Album ein kurzweiliges und flottes Bluegrass- und Old-Style Album mit reichlich Südstaaten-Flair. Wer Mumford & Sons und Trampled By Turtles mag, wird auch an den alten Krähen und ihrer Medizin seine Freude haben.
Fazit: Ein flottes und kurzweiliges Americana-Album von den Traditionsbewahrern aus Nashville. Ein sicherer Tipp.
Label: ATO (in Deutschland nicht veröffentlicht) | VÖ: 17. Juli 2012 |
Titelliste
01 | Carry Me Back to Virginia | 07 | Steppin Out |
02 | We Don't Grow Tobacco | 08 | Genevieve |
03 | Levi | 09 | Country Gal |
04 | Bootlegger's Boy | 10 | Half Mile Down |
05 | Ain't It Enough | 11 | Sewanee Mountain Catfight |
06 | Mississippi Saturday Night | 12 | Ways of Man |