Es ist kein Geheimnis, dass wenige Filmgenres frauenunfreundlicher sind als der Western. Nicht selten kommen sie in den Geschichten gar nicht erst vor. Und wenn, dann am ehesten als Salon-Dame, Prostituierte oder bestenfalls besorgte Ehefrau. Insofern ist "The Homesman", nach "Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada" die zweite Kino-Regie von Tommy Lee Jones, auf jeden Fall ein besonderer Film. Denn seine Geschichte spielt im klassischen Wilden Westen Mitte des 19. Jahrhunderts - und wäre ohne Frauen nicht denkbar.
In einer kleinen Farmer-Gemeinde in Nebraska namens Loup City nämlich fallen nach Kindstod, Vergewaltigung oder allgemein dem schwer erträglichen Mühsal des kargen Alltags drei junge Frauen dem Wahnsinn anheim. Selbst der örtliche Geistliche weiß sich nicht anders zu helfen, als die Frauen in eine rund 300 Meilen entfernte Kirche in Iowa abzuschieben. Doch weder er noch die Ehemänner können oder wollen den nicht ungefährlichen Transport übernehmen. So meldet sich die gottesfürchtige und zu ihrem eigenen Unglück unverheiratete Mary Bee Cuddy (Hilary Swank) freiwillig, den langen Weg mit den drei angeketteten Frauen im Planwagen zurückzulegen. Gleich zu Beginn der Reise rettet sie dem grummeligen Outlaw und Deserteur Briggs (Tommy Lee Jones) das Leben, der sie gegen Geld begleiten und notfalls beschützen soll. Wobei von einer gemeinsamen Wellenlänge kaum die Rede sein kann.
Dass Tommy Lee Jones etwas vom im Kino heutzutage etwas stiefmütterlich behandelten Western versteht, ist keine Frage. Der gebürtige Texaner - im wahren Leben kaum gesprächiger als seine Filmfigur - hat von "The Missing" bis "No Country For Old Men" schon in verschiedensten Spielarten des Genres mitgewirkt. In seiner ersten, fürs Fernsehen entstandenen Regiearbeit "The Good Old Boys" verkörperte er einen Cowboy, und auch "Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada" entpuppte sich als Neo-Western. Es ist also kein Wunder, dass er sich für den Roman "The Homesman" von Glendon Swarthout interessierte. Und es ist auch nicht erstaunlich, dass die Verfilmung (die in Nebenrollen auch Meryl Streep, James Spader oder John Lithgow auffährt) nun visuell prächtig gelungen ist, woran der mexikanische Kameramann Rodrigo Prieto ("Brokeback Mountain") mit seinen Aufnahmen karger Landschaften nicht ganz unschuldig ist.
Verblüffender ist da schon, dass Jones dem nachvollziehbar bitteren Tonfall seiner Geschichte zu misstrauen scheint und immer wieder glaubt, sie mit unbedarften Humoreinsprengseln auflockern zu müssen. Was Hand in Hand damit geht, dass der Regisseur Jones nichts lieber zu machen scheint, als den Schauspieler Jones effektvoll in Szene zu setzen. Womit man dann auch schon beim eigentlichen Problem von "The Homesman" ist. Zwar gibt der Film vor, sich für das nicht selten tragische Schicksal von Frauen im Wilden Westen zu interessieren und hat mit Swank auch eine überzeugende Protagonistin zu bieten. Doch spätestens nach einer unerwarteten und fragwürdig motivierten Wendung im letzten Drittel wird klar: auch Jones interessiert sich letztlich wieder nur für den männlichen (Anti-)Helden und dessen Wandlung.
Fazit: Auf den ersten Blick ist Tommy Lee Jones' neue Regiearbeit ein sehenswert bebilderter Western mit spannender und ungewöhnlicher Geschichte. Auf den zweiten aber macht sich doch Enttäuschung breit, dass "The Homesman" seine Protagonistin letztlich verrät und kaum als feministisch durchgehen kann.