Walk The Line

Seraphim Falls

"Walk the Line" ist ein amerikanisches biografisches Drama aus dem Jahr 2005 unter der Regie von James Mangold. Das Drehbuch wurde von Mangold und Gill Dennis geschrieben und basiert auf zwei Autobiografien des amerikanischen Sängers und Songschreibers Johnny Cash: "Man in Black: His Own Story in His Own Words" (1975) und "Cash: The Autobiography" (1997). Der Film verfolgt Cashs frühes Leben, seine Romanze mit der Sängerin June Carter, seinen Aufstieg in der Country-Musikszene und seine Drogensucht. In den Hauptrollen spielen Joaquin Phoenix als Cash, Reese Witherspoon als Carter, Ginnifer Goodwin als Cashs erste Frau Vivian Liberto und Robert Patrick als Cashs Vater.

"Walk the Line" wurde am 4. September 2005 auf dem Telluride Film Festival uraufgeführt und kam anschließend durch 20th Century Fox in die Kinos. In Deutschland wurde der Kinostart durch CountryMusicNews.de unterstützt. Bei der 78. Verleihung der Academy Awards gewann Witherspoon den Preis für die beste Schauspielerin, während der Film auch für den besten Schauspieler (Phoenix), den besten Ton, das beste Kostümdesign und den besten Filmschnitt nominiert war.

 

"Walkt The Line" ist die Biopic-Verfilmung des Lebens von Johnny Cash, die mit drei Golden Globes und einem Oscar ausgezeichnet wurde

Es gibt eine Faustregel fürs Kino, die besagt, dass ein Film innerhalb der ersten sieben Minuten sein Publikum gepackt haben muss, sonst gelingt es ihm nicht mehr. "Walk The Line", das Biopic über Johnny Cash wilden Jahre, benötigt dafür nur wenige Sekunden, denn als Auftakt wählte Regisseur James Mangold ("Cop Land") das legendäre Knast-Konzert von 1968 in Folsom: Während nüchterne, statische Außenaufnahmen des Gefängnisses in der Abenddämmerung über die Leinwand flimmern, setzt die Tonspur zum Angriff über.

Der Lärm aus dem Inneren des Gebäudes ist infernalisch, fiebrig und erregend - besorgniserregend! Ein ohrenbetäubendes Boom-Chicka-Boom, durchsetzt mit lautstarkem Gegröhle. Vibrierende Energie erfüllt die Luft, während Johnny Cash (Joaquin Phoenix) schweißnass und in-sich-gekehrt im Backstage-Bereich steht, und seinen Daumen über die Zacken einer Kreissäge wandern lässt. Alle warten auf ihn. Die "Tennessee Three" werden nervös. In der Grand Old Opry geht's gesitteter zu. Lange lässt sich die Meute aus Mördern, Vergewaltigern und Schlägern von dem treibenden Rockabilly-Rhythmus nicht mehr im Zaum halten. Da driftet der Film sanft ab und folgt Cashs Gedanken, zurück in seine Kindheit, nach Dyess, einem Baumwollpflücker-Kaff in Arkansas...

Walk The Line begeistert auf mehreren Ebenen

Welch' mitreißendes Intro! Das Folsom-Prison-Konzert ist Ausgangs-, End- und Höhepunkt eines Films "Walk The Line", der Cash-Fans begeistern wird und der auf mehreren Ebenen funktioniert: als Verbeugung vor der Country-Ikone, biografischer Abriss seines Lebens bis 1968, akribisch ausgestattete Nacherzählung der Geburt des Rock'n'Roll, und als Zeugnis der bewegenden Love-Story zwischen Johnny Cash und June Carter (Reese Witherspoon).

Mangold griff bei seinen Recherchen auf die Autobiografien "Man in Black" (1986) und "Cash" (1997) zurück - und ihm wurde ein großes Privileg zuteil: Der Regisseur verbrachte viele Stunden mit dem Paar in Hendersonville, Tennessee, um ihre Geschichte aus erster Hand zu erfahren. Von manchem Detail, das ins Drehbuch für "Walk The Line" einfloss, war selbst Sohn John Carter Cash überrascht (dem ausführenden Produzenten des Films "Walk The Line"): "Meine Eltern haben mir nie erzählt, dass meine Mutter meinen Vater und seine Freunde eines Morgens mit Bierflaschen beworfen hat", verriet er. Außerdem nickte Johnny Cash vor seinem Tod Joaquin Phoenix als Hauptdarsteller für "Walk The Line" ab, den er als Kaiser Commodus in "Gladiator" so bewundert hatte. "John hielt Joaquin für gefährlich," sagte James Keach, Produzent des Films "Walk The Line" und ein langjähriger Freund der Familie. Und das habe ihm gefallen. Indirekt gab Johnny Cash Phoenix sogar über Mangold noch einen Tipp mit auf den Weg: "Wer immer mich spielen wird, weiß hoffentlich, wie man eine Gitarre hält. Die muss man kräftig am Hals packen und nicht so zaghaft anfassen wie ein Baby!" Über soviel Kooperationswilligkeit konnten sich die Macher glücklich schätzen, hatte Johnny Cash doch einst ein Gedicht mit dem beziehungsreichen Titel "Don't Make A Movie Out Of Me" geschrieben.

"Walk The Line" ist wie ein gradliniger Country-Song

Gut, dass er seine Meinung geändert hat, denn "Walk The Line" verdeutlicht, auf welchem Fundament Johnny Cashs tief berührende Musik und seine unerschütterliche menschliche Integrität und Würde gebaut ist: auf schmerzvollen Erfahrungen und eigenen Fehlern. Auch wenn "Walk The Line" weitestgehend der Standard-Machart von Biopics folgt, ist er doch genau das, was man sehen will: ein Bild gewordener Country-Song, der gradlinig die Geschichte eines Mannes nacherzählt, der durch die Hölle gehen musste, um schließlich von der Liebe seines Lebens erlöst zu werden. Dass dieser Mann voller Widersprüche war, wie einst sein Wegbegleiter Kris Kristofferson sang ("He's a walking contradiction, partly truth and partly fiction"), kommt in "Walk The Line" ausgezeichnet heraus: Als Johnny Cash wieder einmal vollgepumpt mit Amphetaminen bei June Carter auftaucht, um sie zu umwerben, entgegnet sie nur: "Wo ist John? Diesen Cash kann ich nicht ausstehen!" Denn das war für sie der pillenwerfende, unberechenbare, John hingegen der einfühlsame Teil seiner Persönlichkeit. Rund zehn Jahre ließ ihn June Carter zappeln, bis sie 1968 endlich seinen Heiratsantrag (stilecht auf der Bühne) annahm.

Diese verzehrende Liebe ist der Angelpunkt des Filmbiografie, die alle wichtigen Stationen von Johnny Cashs frühem Leben anreißt, vom Vorsingen bei Sun-Studio-Gründer Sam Phillips, über Tour-Impressionen mit Elvis (Sänger/Songschreiber Tyler Hilton), Jerry Lee Lewis (Roots-Rocker Waylon Malloy Payne) und Roy Orbison (Folksänger Jonathan Rice), bis zu seinen drogenbedingten Abstürzen und der Verhaftung 1965 wegen Pillenschmuggels in El Paso. Ein kühner Schachzug der Filmemacher übrigens, die prägnanten Nebenrollen im Zweifelsfall mit Musikern statt Schauspielern zu besetzen. Neben den Genannten gibt Shelby Lynne ihr Spielfilm-Debüt als Johnny Cashs Mutter Carry (ohne allerdings einen nennenswerten Eindruck zu hinterlassen), Shooter Jennings spielt seinen eigenen Vater Waylon, mit dem sich Johnny Cash in den 60ern ein kleines Appartment teilte, und Dan John Miller (Ex-Mitglied von Jack Whites damaliger Band Two Star Tabernacle und Frontmann der Goth-Country-Band Blanche) überzeugt als Gitarrist Luther Perkins.

In "Walk The Line" singen Reese Witherspoon und Joaquin Phoenix selbst

"Walk The Line" weist erstaunliche inhaltliche Parallelen zu "Ray" auf, dem Biopic über Soul-Genie Ray Charles aus dem letzten Jahr. Beide Künstler wuchsen etwa zur selben Zeit in ärmlichen Verhältnissen in den Südstaaten auf, mussten als Kinder den Tod ihrer Brüder verkraften, revolutionierten die Musikwelt und kämpften auf dem Höhepunkt ihres Ruhms gegen die Drogensucht. Doch in einem Punkt unterscheiden sich die Filme: Während Jamie Foxx als Ray Charles zu Original-Aufnahmen die Lippen bewegte, singen Phoenix und Witherspoon selbst. Und wie! Was im Vorfeld eher skeptisch machte - schließlich ist zumindest Johnny Cashs Grabesstimme einzigartig und unverwechselbar - entpuppt sich als ganz großes Plus.

Weil die beiden Hauptdarsteller interpretieren statt zu imitieren, sind die Songs - zum Teil vor einem 10.000-köfigen Statistenpublikum live gesungen - von einer fesselnden Unmittelbarkeit und rauhen Intimität, die Cashs Bühnenpräsenz und Live-Qualitäten auf brillante Weise nachempfinden. Dreieinhalb Monate probten die beiden mit Musikproduzent T Bone Burnett, der für den Soundtrack von "O Brother, Where Art Thou? - Eine Mississippi Odyssee" vier Grammys gewann und u.a. mit Roy Orbison und Gillian Welch erfolgreiche Alben produziert hat. Rund 25 der früheren Johnny Cash-Songs hat Phoenix während dieser Zeit gesanglich und auf der Gitarre einstudiert, darunter "Get Rhythm", "Cocaine Blues", "Cry Cry Cry" und natürlich "I Walk The Line". Durch das musikalische Work Out gelang es Phoenix, seine eher nasale Stimme so tief zu legen, dass er nah genug an Johnny Cashs Höllen-Bass heranreichte. Er ist die perfekte Verkörperung des "Man in Black", und auch in anderer Hinsicht glich er sich dem Vorbild an: Nach dem Dreh machte er eine freiwillige Entziehungskur wegen Alkoholproblemen. Das nennt man Einsatz, der prompt belohnt wurde - sowohl "Walk The Line" (Bester Film – Musical oder Komödie) als auch die beiden Hauptdarsteller (Bester Hauptdarsteller – Musical oder Komödie (Joaquin Phoenix), Beste Hauptdarstellerin – Musical oder Komödie (Reese Witherspoon) wurden mit dem Golden Globe ausgezeichnet. Reese Witherspoon erhielt für ihre darstellung der June carter in "Walk The Line" außerdem einen Oscar.

Fazit: Johnny Cash-Fans werden begeistert sein: Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon geben hinreißende Darstellungen und überzeugen sogar auf musikalischer Ebene. "Walk the Line" ist ein Pflichttermin für alle Men in Black!

vgw
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