I'm Not There

I'm Not There

"I'm Not There" ist ein Musikdrama aus dem Jahr 2007, bei dem Todd Haynes Regie führte und das Haynes gemeinsam mit Oren Moverman schrieb. Der experimentelle biografische Film ist vom Leben und der Musik des amerikanischen Sängers und Songschreibers Bob Dylan inspiriert, wobei sechs Schauspieler verschiedene Facetten von Dylans öffentlichen Persönlichkeiten darstellen: Christian Bale, Cate Blanchett, Marcus Carl Franklin, Richard Gere, Heath Ledger (sein letzter Film, der noch zu Lebzeiten veröffentlicht wurde) und Ben Whishaw. In einer Bildunterschrift zu Beginn des Films heißt es, der Film sei "inspiriert von der Musik und den vielen Leben von Bob Dylan"; dies ist die einzige Erwähnung von Dylan im Film, abgesehen von den Song-Credits und sein einziger Auftritt im Film sind Konzertaufnahmen von 1966, die in den letzten Momenten des Films gezeigt werden.

 

Cate Blanchett wurde für ihre Darbietung als Bob Dylan mit dem Golden Globe ausgezeichnet

Wie nähert man sich filmisch einem musikalischen Genie wie Bob Dylan? Wie einem Künstler, der so rätselhaft und vielseitig ist, dass er sämtliche Konventionen des Musikgeschäfts sprengt? Regisseur Todd Haynes ("Velvet Goldmine") fand eine einfache wie plausible Lösung: Er verpflichtete gleich sechs verschiedene Schauspieler, die die vielen Facetten und Phasen aus Bob Dylans Leben verkörpern. Oder genauer: die den öffentlichen Personen, die Dylan von sich erfand, ein Gesicht geben. Und der allerbeste Dylan in diesem Film ist eine Frau: Cate Blanchett!

Unerschöflicher Fundus

Die Handlung dieser überragenden Filmbiografie ist schnell erzählt - es gibt keine. Haynes begnügt sich nicht damit, Dylans wichtige Lebens- und Karrierestationen in ein konventionelles Handlungsgerüst à la "Walk the Line" zu pressen, Ereignisse mit hohem Wiedererkennungswert einfach chronologisch nachzuspielen. "I'm Not There" ist über weite Strecken genauso rätselhaft wie Bob Dylan selbst. Ein flirrende Collage aus wild zusammenmontierten Szenen, schwarzweiß, in Farbe, die Dylan in verschiedenen Phasen seines Lebens zeigen und verschachtelt ineinandergreifen, dabei Personen und Storys aus Dylans berühmtesten Songs mit seiner Biografie verweben. Zudem strotzt das Pseudo-Biopic vor Anspielungen und Querverweisen und bietet Fans einen unerschöflichen Fundus an Versatzstücken, in dem es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt.

Wer nicht wenigstens ansatzweise mit Bob Dylans Leben und Werk vertraut ist, dürfte bei der virtuosen Art, mit der sich Haynes dem Objekt seiner Begierde nähert, jedoch schnell den Überblick verlieren. Was das Filmvergnügen in keiner Weise schmälert, denn selbst als 135-minütiges Musikvideo ist der Film eine Wucht. "I'm Not There" gelingt es ausgezeichnet, Dylan auch ohne Vorkenntnisse spürbar und erlebbar zu machen, statt ihn lediglich zu simulieren. Und das Beste ist, dass Haynes dabei nicht in Ehrfurcht erstarrt, sondern immer originelle, manchmal sogar kritische und ironische Töne anschlägt, etwa wenn er die Hysterie der 60er Jahre schildert.

Facettenreiches Genie

Dylans Name fällt in dem Film übrigens kein einziges Mal, die sieben fiktiven Leinwandpersonen, in die der Künstler aufgesplittet wird, haben konsequenterweise alle ihren eigenen: als 11-jähriger schwarzer Hobo heißt er Woody (Marcus Carl Franklin), als Folk-Troubadour der frühen 60er Jahre Jack Rollins (Christian Bale). Um die Verwirrung komplett zu machen, spielt Bale auch den religiösen Prediger John Doe, der für Dylans gläubige Phase Ende der 70er Jahre steht. Ben Wishaw ("Das Parfum") rezitiert als Arthur (Rimbaud) geistreich-ironische Zitate aus Dylans Interviews von 1965. Die schon erwähnte Cate Blanchett ist grandios als Jude Quinn, Dylans Alter Ego, das sich Mitte der 60er Jahre die E-Gitarre umschnallte und so die eingeschworene Folkgemeinde vor den Kopf stieß. (Blanchett wurde für ihre Leistung bereits mit dem Golden Globe und dem Darstellerpreis in Venedig ausgezeichnet.) Der kürzlich verstorbene Heath Leger ist in einer seiner letzten Rollen als Schauspieler Robbie Clarke zu sehen, der zudem Dylans problematisches Liebes- und Familienleben verkörpert. Richard Gere gibt schließlich den naturverbundenen Outlaw Billy the Kid, der für Dylans häufige Verweigerungen und Rückzüge aus der Öffentlichkeit steht.

Umwerfender Soundtrack

Doch das Herzstück dieses Films, übrigens der erste Spielfilm, den Dylan persönlich autorisiert hat, ist zwangsläufig die Musik. Auch hier leistet der Film einzigartiges, denn der Soundtrack besteht aus einer famosen Mischung aus Coverversionen und Dylans Originalen. Bands und Künstler wie Calexico, Willie Nelson, Richie Havens, Yo La Tengo, Eddie Vedder, Los Lobos, Jack Johnson, Jeff Tweedy und viele andere steuern großartige Dylan-Interpretationen bei. "His Bobness" selbst liefert mit dem Titelstück "I'm Not There" zudem einen bislang nur auf Bootlegs veröffentlichten Song der Basement Tapes. Mehr Dylan geht nicht.

Fazit: And diesem Film kommt kein Musikfan vorbei. "I'm Not There" liefert eine schillernde, virtuose Interpretation des Gesamtkunstwerks Bob Dylan. Die perfekte Ergänzung zu Martin Scorseses Doku "No Direction Home".

vgw
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