Bass Reeves. Eigentlich ist die Geschichte des legendären Marshals der Stoff, von dem Hollywood träumt. Über 3.000 Verbrecher hat Bass Reeves nachweislich verhaftet, aufgrund seiner Sprachkenntnisse, er beherrschte zwei indianische Sprachen, agierte er darüber hinaus als Friedensstifter in mehreren Fällen, in denen es zu Konflikten zwischen weißen Siedlern und Native Americans kam. An sich müsste es ein Dutzend Filme über Bass Reeves geben, vielleicht auch ein schönes Serial auf den 1930er Jahren, als Westernhelden ganz oben aus der Beliebtheitsskala serieller Kinoreihen standen und ein John Wayne zum Megastar aufstiegt.
Bass Reeves war allerdings ein Afro-Amerikaner und was das bedeutet, braucht an dieser Stelle wohl kaum weiter ausgeführt werden. Bass Reeves passte einfach nicht in die heile Welt blütenweißer Edelhelden, die vom hohen Ross aus den Westen eroberten. Auch in der Welt der Spätwestern, die vom Italo-Western inspiriert durchaus die Dekonstruktion des Westens und seiner Mythen nicht scheuten, tauchte er nicht auf. Dabei dürfte nicht einmal seine Hautfarbe ein Grund für die Missachtung seiner Person gewesen sein: Für diese Spätwestern war er, der Vater von elf Kindern, eher - zu anständig.
Erst 2010, genau 100 Jahre nach dem Tod des echten Bass Reeves, erschien mit "Bass Reeves" eine erste filmische Auseinandersetzung mit dem Leben des Gesetzeshüters, 2017 folgte ein zweiter Film, der ebenfalls einfach seinen Namen trägt. Beide Filme haben zwar gute Besprechung bekommen, sind aber auch nicht wirklich von einem größeren Publikum zur Kenntnis genommen worden.
Möglicherweise ist es der TV-Serie "Watchmen" zu verdanken, dass die historische Persönlichkeit Bass Reeves seit einiger Zeit eine Art Wiederentdeckung über die Ränder des historisch interessierten Publikums hinaus erfährt. Der Prolog der Superhelden-Serie findet inmitten des Massakers von Tulsa 1921 statt - und entreißt dieses dem Vergessen. 1921 wurden in einem von Afro-Amerikanern bewohnten Vorort von Tulsa mindestens 300 Menschen von einem weißen Mob ermordet. Das Vergehen der Afro-Amerikaner? Sie waren erfolgreich und wohlhabend. Die angebliche Vergewaltigung eines weißen Mädchens durch einen dunkelhäutigen Mann bot den Weißen einen Grund, die ungeliebten afro-amerikanischen Mitbürger umzubringen. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass die Justiz sich nach dem Massenmord lieber die Fußnägel lackierte als die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. In diesem Prolog versucht eine Mutter, sie ist Kinopianistin, ihren Sohn vom Massaker "abzulenken", indem sie mit ihm im Kino sitz und in die Traumwelt der Leinwand flüchten. Sie zeigt ihm ein (fiktives) Serial über einen schwarzen Zorro im Wilden Westen, vor dem alle Menschen, egal welcher Herkunft, große Respekt empfinden. Und diese Figur ist Bass Reeves nachempfunden.
Lawmen: Bass Reeves - Der Anfang
Die ersten beiden Episoden der Serie erzählen die Geschichte von Bass Reeves bis zu jenem Punkt, an dem er sich entscheidet, die Chance, einen Marshal-Stern zu tragen, anzunehmen. Um diese ersten beiden Episoden tatsächlich genießen zu können, die von einer großen Heldenreise berichten, muss man sich allerdings klarmachen, dass diese Geschichte im besten Fall Lebensmotiven und keinen Fakten folgt.
Episode 1 beginnt auf einem Schlachtfeld im Amerikanischen Bürgerkrieg. Eine Einheit der Konföderierten gerät in einen Hinterhalt von Nordstaatensoldaten, die ein regelrechtes Massaker unter den Südstaatlern anrichten. Ein Offizier aber, George A. Reeves, hält die Reihen nicht nur zusammen. Zusammen mit einem Afro-Amerikaner, der die Uniform eines Südstaatensoldaten trägt, reitet er alleine den Nordstaatlern entgegen. Den beiden gelingt es im Alleingang, das gefährlichste Geschütz der Nordstaatler auszuschalten. In dem Moment, in dem ihnen dies gelungen ist, erhalten sie Hilfe von unerwarteter Seite: Eine nicht näher benannte Gruppe von Indianern aus einem nahen Reservat, in deren Reihen aber definitiv auch Deserteure und andere Outlaws agieren, greifen ihrerseits die Nordstaatler an - und am Ende sind es die Konföderierten, die diese Schlacht für sich entscheiden.
Taylor Sheridan verantwortet Lawmen: Bass Reeves
Showrunner von "Lawmen: Bass Reeves" ist "Yellowstone"-Erfinder Taylor Sheridan und wie nicht anders zu erwarten, bietet der Prolog die ganz große, dreckige Action - wie man sie aus dem "Yellowstone"-Prequel "1883" (und teils auch "1923") her kennt und letztlich inzwischen von Taylor Sheridan-Produktionen auch erwartet.
Jenseits dessen, was er an krachender Action bietet, muss allerdings konstatiert werden, dass das, was auf dem Bildschirm geschieht, größten Teils der Fantasie der Autoren entsprungen ist, denn tatsächlich ist über das Leben von Bass Reeves bis zu dem Moment, in dem er den Marshal-Stern erhält, kaum wirklich Faktenwissen überliefert.
Ein George A. Reeves war Colonel der 11. Kavallerie-Regiments von Texas, er wurde später Speaker des texanischen Repräsentantenhauses und - er war "Besitzer" von Bass Reeves. Über Bass Reeves ist bekannt, dass er im Juli 1838 das Licht der Welt erblickte. Seine "Besitzer" lebten seinerzeit noch in Arkansas, später zogen sie nach Texas. Es entspricht auch historischen Tatsachen, dass Bass Reeves eine Südstaatenuniform trug, denn George Reeves, Nachfahre eines englischen Adelsgeschlechts, nahm seinen Sklaven mit auf die Schlachtfelder: Was für Männer von einem hohen gesellschaftlichen Rang nicht ungewöhnlich war. Bass Reeves war demnach kein regulärer Soldat. Wie Bass Reeves aus der Sklaverei entkam, ist nicht wirklich klar, die Serie inszeniert eine spektakuläre, mit Leichen gepflasterte Flucht. Historisch korrekt ist, dass Reeves nach seiner Flucht einige Zeit in einem Reservat lebte und die Sprache der im Reservat lebenden Menschen erlernte. Auf welchen Wegen er dieses Reservat verließ, ist ebenfalls unbekannt. Auch hier bietet die Serie bleihaltige Ideen.
Bass Reeves ist ein guter Mensch! Naiv ist er nicht
In kurzen Kapiteln werden Geschichten über Reeves erzählt, die ein Bild ergeben, das einen Mann zeigt, der tiefgläubig Ungerechtigkeiten verabscheuen mag, der aber, trotz der Dinge, die geschehen, den Glauben an das Gute im Menschen nicht verliert.
Hauptdarsteller David Oyelowo entpuppt sich als ein Glücksfall, denn er braucht nicht viele Worte, um seine Figur zu definieren. Mit großer Zurückhaltung stellt er diesen Bass Reeves als einen Beobachter dar. In seiner Darstellung ist Reeves ein Mann klarer Worte, der eine Eigenschaft besitzt, die anderen Menschen seiner Welt abgeht: Mitgefühl. Wenn er zum Ende der zweiten Episode erstmals als Hilfs-Marshal agiert (seine Sprachkenntnisse sind gefordert, eher zufällig wird er quasi rekrutiert), geht es Bass nicht darum, einen Mörder zu bestrafen. Es geht ihm darum, diesen Menschen dem Gesetz zu überführen.
Und dann ist da die Frau, mit der der Mörder verheiratet sein soll. Während sein Partner, der weiße Marshal Sherrill Lynn die Frau bedroht und sich selbst als ein Rassist offenbart, der Indianer hasst, gelingt es Bass in einen Dialog mit der vermeintlichen Ehefrau zu treten. Das ist ziemlich stark geschrieben und definiert Bass Reeves als einen Mann, der ein modernes Verständnis von Recht und Gerechtigkeit an den Tag legt, das keinesfalls anachronistisch erscheint, also viel zu modern für die Zeit, in der die Geschichte spielt. Nein, man kann sich vorstellen, dass dieser Mann tatsächlich so agiert hat, da sein mitfühlendes Wesen zunächst den Menschen betrachtete – und dann erst den möglichen Delinquenten.
Dennis Quaid stellt Marshal Sherrill Lynn dar, eine von A bis Z erfundene Figur. Quaid spielt stark. Einst als eines der schönsten Gesichter Hollywoods begehrt, ist Lynn ein Mann ohne Manieren, der im Westen verroht ist und der eben auch rassistische Züge nicht verhehlen kann. Nicht gegenüber Bass und Afro-Amerikanern, aber, wie bereits erwähnt, gegenüber den Natives. Die Figur Sherrill Lynn erfüllt narrativ in der zweiten Episode mit ihrem ersten Auftritt vor allem eine Funktion: Sie schließt Lücken im Lebenslauf von Bass Reeves. Es ist tatsächlich nicht ganz klar, wie er zum Marshal-Stern gelangt ist. Klar ist, dass ein Richter namens Isaac Parker Reeves zum ersten afro-amerikanischen Marshal ernannt hat. Über den wird aber in diesen ersten Episoden nur gesprochen.
In späteren Episoden wird ihm Donald Sutherland sein Gesicht leihen. Eine irritierende Wahl, denn als der echte Isaac Parker Reeves den Stern verlieh, war dieser Richter gerade einmal um die 40; Parker bekannt als Hanging Judge, da er selten lange Prozesse führte, obschon er angeblich die Todesstrafe persönlich verabscheute, starb im Alter von 61 Jahren, Sutherland war bei den Dreharbeiten 87 Jahre alt! Wie gesagt, eine Geschichtsstunde darf man von "Lawmen: Bass Reeves" nicht erwarten.
Aus 1883: Bass Reeves wurde Lawmen: Bass Reeves
Wurde Lawmen: Bass Reeves zunächst als eigenständige Miniserie angekündigt, tauchte sie einige Zeit in den Produktionslisten als "1883: Bass Reeves" auf und sollte ein Sidequel zu "1883" darstellen. Nur Wochen vor dem Start der Serie kam es dann zur Umbenennung und der Ankündigung, "Lawmen: Bass Reeves" sei der Einstieg in ein eigenes Serienuniversum über besagte Männer des Gesetzes. Dank "Tulsa King", den "Yellowstone"-Reihen, "Mayor if Kingstown" und auch "Special Oops: Lioness" ist Taylor Sheridan derzeit der König des Serienfernsehen, dem der rote Teppich ausgerollt wird und der daher sicher auch einiges an Narrenfreiheit ausnutzen kann. Ob er hinter der Umbenennung steht oder Paramount+? Das ist nicht wirklich nachvollziehbar.
Vom Inszenierungsstil her fühlt sich "Lawmen: Bass Reeves" exakt wie "1883" an. Da gibt es keine großen Unterschiede, vielleicht lässt sich in einer der kommenden Episoden ja ein versteckter Hinweis finden, der die Serien am Ende doch zusammenführt. Ein Easter Egg für Serienfans, die hier eine Serie präsentiert bekommen, die durchaus Interesse an dem weckt, was da noch kommen wird. Unabhängig davon, wie nah oder wie fern sich die Geschichte der Serienfigur von dem wahren Marshal Reeves auch unterscheiden mag.
Fazit: Taylor Sheridan hat einmal mehr abgeliefert. Hart und brutal bewegt sich die Story vorwärts, doch sie lässt Platz für menschliche Zwischentöne. Unterm Stricht: Eine Serie, die einem legendären Lawman würdig ist!
Studio: Paramount | Land: USA, 2021 - 2022 |
FSK: ab 16 Jahren |
Stoff Entwicklung von | Darsteller | Rolle | ||||
Chad Feehan | David Oyelowo | ... | Bass Reeves | |||
Dennis Quaid | ... | Sherrill Lynn | ||||
Lauren E. Banks | ... | Jennie Reeves | ||||
Demi Singleton | ... | Sally Reeves | ||||
Donald Sutherland | ... | Judge Parker | ||||
Garrett Hedlund | ... | Garrett Montgomery |