Brantley Gilbert - Read Me My Rights

CD Cover: Brantley Gilbert - Read Me My Rights

"Read Me My Rights" - man möge Brantley Gilbert doch bitteschön seine Rechte vorlesen. Ist der böse Bube des Country gefasst worden? Wenn ja, bei was? Oder meint der 30-Jährige aus Georgia das irgendwie metaphysisch oder philosophisch, wie: Es ist mein gutes Recht, zum Beispiel jede mir beliebige Art von Musik zu mache. Und dabei so gefährlich auszusehen, dass sich selbst die härteste Drogengang in Detroit in die Calvin-Klein-Höschen macht?

Wichtiger erscheint mir aber die Frage, was das alles noch mit Country zu tun haben soll. Wenn - vereinfacht gesagt - Johnny Cash, Willie Nelson, Alan Jackson und vielleicht Tim McGraw Country machen, dann kann man den Sound von Brantley Gilbert keinesfalls dem gleichen Genre zuschreiben. Gemeinsamkeiten zwischen Cash und Gilbert? Fehlanzeige! Oder reicht es schon, wenn ab und zu eine verirrte Dobro oder ein Banjo zirpt? Und dass das Album in Nashville mit Nashville-Studiomusikern aufgenommen wurde? Und dass er immer wieder vom Landleben erzählt? Natürlich ist auch dem Schreiber dieser Zeilen klar, wie die Music Row tickt und wer hochdotierte Plattenverträge bekommt - und wer nicht (mehr). Das Musikgenre Country hat, das steht fest, ein echtes Identitätsproblem. Und "Read Me My Rights" von Brantley Gilbert liefert dafür ein weiteres Indiz.

Im Intro des Openers "Hell On Wheels" darf erst mal eine brave Dobro ran. Ein vorgeschobener Querverweis auf die Roots. Unbewusst zählt man mit, man weiß, was kommen wird. Und tatsächlich: Nach knapp vier Takten legt der Drummer los wie ein Schmied, Gitarrensalven dröhnen aus den Boxen, Brantley Gilbert singt mit Böser-Buben-Stimme irgendwas von "six gun", eine Slidegitarre jault wie zu besten Lynyrd Skynyrd-/Molly Hatchet-Zeiten auf; die Stimmung erinnert etwas an Bon Jovi, wenn sie gerade mal wieder auf Country-Trip sind. Also: Nicht Country-Rock, sondern Country-Hardrock. Oder vielleicht besser: Hardrock-Country?

So ähnlich geht's auch weiter. Wobei "Kick It In The Sticks" noch düsterer, noch weitaus härter, noch viel rockiger daherkommt. Zwischendrin hört man Gilbert von "George Jones" singen. Aha, doch also irgendwie Country. Verstehe ... Als Co-Autoren standen ihm hier Rhett Akins und Ben Hayslip zur Seite. Beim nachfolgenden, tatsächlich so etwas wie ein bisschen Country-Folk-Feeling versprühenden und vermutlich missionarisch gemeinten "Country Must Be Country Wide" teilt er sich die Credits mit Mike Dekle und Colt Ford, seinem Entdecker und frühen Förderer. In den Strophen verströmt der Song glatt eine wehmütige, an die frühen Eagles erinnernde Romantik - im Refrain holt der Radaubruder natürlich wieder das volle Brett heraus und bügelt alles mit brachialer Gewalt nieder.

Apropos "brachiale Gewalt". Offenbar hat Brantley Gilbert ein paar Folgen zu viel von "Sons of Anarchy" gesehen. Jedenfalls gibt er in den Coverfotos putzig den wilden Rocker: Jeder Finger - ein klobiger Ring. Tattoos ohne Ende. Mit verwegenen Ketten verzierte Lederjacken, und - darf für einen Rebellen keinesfalls fehlen - ein Foto mit finster dreinblickend auf einem Harley-Chopper fahrend. Das sind seine Posen, und so klingt auch seine Musik. "Take It Outside" wartet mit derartig gruftigen Metalriffs auf, dass selbst Metallica die Düse gehen sollte; beim von Colt Ford bekannten - und gemeinsam mit ihm geschriebenen - "Dirt Road Anthem" bieten die zwei ein recht nettes Folk-Rap-Duett. Ein guter Song, weil: ein Song mit guter Melodie.

Das erhofft man sich auch von dem ganz auf Imagepflege gebürsteten "If You Want A Bad Boy", da Songschmied Troy Verges (u.a. das fantastische "Telluride" für Tim McGraw) seine kreativen Finger mit im Spiel hatte. Tatsächlich wartet der Titel, leider wieder bloß bis zum Refrain, mit entspannter Atmosphäre und rootstauglichen Harmonien auf. Es ist schon erstaunlich und spricht nicht gerade für die Phantasie der Nashville-Autoren und Arrangeure, dass jeder Refrain eines jeden Songs unbedingt gebrüllt, gerockt, gedonnert und gewalzt werden muss. So hält es Brantley Gilbert auch in den restlichen Tracks. "Bottoms Up" geht lässig-locker los, "My Baby's Guns N' Roses" und "Lights of My Hometown" sogar richtig romantisch - doch kaum kommt der Refrain... Diese Berechenbarkeit langweilt nicht nur. Sie ist ein Armutszeugnis.

Beim Titeltrack und dem finalen "G.R.I.T.S." verzichtet Gilbert erfreulicherweise auf diesen Dynamik-Kontrast, bleibt er durchgängig beim knallharten Country-Hardrock. Oder besser: Hardrock-Country.

Fazit: Hart, härter, Brantley Gilbert. Er singt zwar unentwegt von Country und vom Landleben, aber die Musik ist trotzdem ganz und gar im Hardrock und, doch, doch, Metal verankert. Da ist kein Banjo dagegen gewachsen.

Label: Big Machine (Universal) VÖ: 27. März 2015
01 Hell On Wheels
02 Kick It In The Sticks
03 Country Must Be Country Wide
04 Take It Outside
05 Dirt Road Anthem (Revisited)
06 If You Want A Bad Boy
07 Bottoms Up
08 My Baby's Guns N' Roses
09 Lights of My Hometown
10 One Hell of An Amen
11 Read Me My Rights
12 G.R.I.T.S
vgw
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