Das geht ja schon mal gut los: "Temporary Insanity", der Opener des Albums "Honeysuckle & Lightning Bugs", lässt mit Klangschnipsel eines startenden Autos, Stimmengewirr und witzigen Sound-Effekten zunächst eher an ein Hörspiel denken, als einen Song. Und schon gar nicht an einen Country-Song - möchte der eine oder andere vielleicht noch hinzufügen. Doch je länger der gut vierminütige Track läuft, desto mehr spitzt man dann doch die Ohren: Was ist das? Wer ist das?
Letzteres lässt sich relativ leicht beantworten. Der Mann, der diesen so fantastischen wie irrwitzigen Sound- und Stilmix anzettelt, ist Blanco Brown. 31 Jahre alt, in Atlanta, Georgia, geboren und aufgewachsen - und als Produzent für HipHop-Acts wie Chris Brown, Fergie und Pitbull in einschlägigen Kreisen längst kein Unbekannter mehr.
Blanco Brown: ein Brückenbauer der Genres
Doch HipHop und Rap bilden nur die eine Seite der Blanco-Brown-Medaille ab. Die andere Seite steht für Country und Folk. Angeblich habe der Sänger und Produzent afro-amerikanischer Abstammung die Sommer regelmäßig bei der Verwandtschaft auf dem Land verbracht. Hier sei er, so ist es überliefert, mit erdigen Country-Klängen in Kontakt gekommen. Beispielsweise mit Johnny Cash und Bobby "Blue" Bland. Für seine erste Single "The Git Up", die das Album als Song Nummer zehn beendet, ersann er einen verwegenen, trotz der vielen verschiedenen Einflüsse erstaunlich homogen klingenden Mix aus: Rap, HipHop, Country, Folk, Line-Dance-Sounds, Pop-Melodien plus einem guten Schuss fingerschnippender, lasziver Lässigkeit à la Shaggy. Ein süffiges Gebräu! Deshalb avancierte der Song auch zum viralen Hit (über 49 Millionen Klicks) und landete in den amerikanischen Billboard Hot Country Song Charts auf Platz 1, in Deutschland reichte es immerhin für Rang 42.
Das war jedenfalls schon mal ein Ausrufezeichen. Nach einer Ende Mai 2019 veröffentlichten EP legt der pfiffige Kerl nun mit einem Album nach. Na klar, man sollte das Eisen ja schmieden, so lange es heiß ist. Nach überstürztem Machwerk klingt "Honeysuckle & Lightning Bugs" aber dennoch nicht. Ganz im Gegenteil. Wie schon eingangs erwähnt, lässt Blanco Brown schon mal mit dem Opener aufhorchen. Mit dem nachfolgenden Titel "HeadNod" legt er glatt noch eine Schippe an Kreativität und Hitpotential drauf. Neben den bereits erwähnten Zutaten erweitert er hier - und bei weiteren Tracks - seine musikalische Speisekarte noch zusätzlich um Doo Wop-Chor und fröhlichen Banjo-Melodien.
"Honeysuckle & Lightning Bugs" - ein frecher und begeisternder Stilmix
So etwas kann übel schief gehen. Nicht indes bei Blanco Brown. Als versierter Produzent weiß er einerseits genau über das richtige Dosieren, das Nicht-Überziehen Bescheid. Andererseits ist er nicht nur hinter den Reglern des Mischpultes ein Ass, sondern auch als Sänger erste Güte. Wenn er will - und gelegentlich will er - brilliert er als astreiner Country- ("Gett Ol Memories") oder als vollauf überzeugender Soul-Shouter ("Tn Whiskey").
Ein Lieblings-Effekt macht sich im Verlauf der zehn Tracks allerdings bemerkbar: das einst von den Lumineers in ihrem Hit "Ho-Hey" bekannte Pseudo-Hundegebell. Gleich in einigen Tracks hört man, mal weit vorne, mal dezent in den Hintergrund gemixt, dieses "Ho!" - eine Art Taktell inmitten der Drum-Computer-Beats. Als weitere Referenz, vielleicht sogar unbeabsichtigt, drängt sich immer wieder "Cotton Eye Joe", der 90er-Jahre Hit von Rednex auf. Vielleicht nur deshalb, weil auch Rednex damals kreativ und respektlos mit den Genres umgesprungen sind.
Fazit: Da hat einer eine/seine Masche gefunden: Blanco Brown gelingt mit "Honeysuckle & Lightning Bugs" ein genauso frecher wie begeisternder Mix aus Country, Pop, Rap und HipHop. Wenn das kein Hit wird...
Label: TrailerTrapMusic / Broken Bow / BMG (Warner) | VÖ: 11. Oktober 2019 |
01 | Temporary Insanity |
02 | HeadNod |
03 | Funky Tonk |
04 | CountryTime |
05 | Georgia Power |
06 | Gemini (Damn Right) |
07 | Ghett Ol' Memories |
08 | Don't Love Her |
09 | TN Whiskey |
10 | The Git Up |