Glen Campbell spiel in "Der Marshal" an der Seite von John Wayne
Fast wäre Glen Campbell (†81) bei den Beach Boys gelandet. In den Sechzigerjahren war er ein gefragter Studiomusiker und ging mit den kalifornischen Surf-Sängern sogar auf Tournee, um den gestressten Brian Wilson, der kreative Kopf der Gruppe, zu ersetzen. So kam das Angebot zustande, ganz bei den Beach Boys einzusteigen. Campbell lehnte ab, träumte er doch von einer Solo-Karriere. Erst als er sich der Country Music näherte, ist ihm das geglückt. Mit Songs wie "Wichita Lineman" und "Galveston" eroberte der Autodidakt die Charts und somit dauerte es nicht lange, bis sich Hollywood bei ihm meldete. Zuerst sollte Campbell nur den Titelsong für den Spätwestern "Der Marshal" beisteuern, doch weil Elvis Presley eine zu hohe Gage forderte, bekam er auch die zweite Hauptrolle. Ein Ritterschlag, den kein Geringerer als John Wayne (†72) sollte hier eine seiner besten Schauspielleistungen abliefern.
Ein Mädchen will den Mörder ihres Vaters
Im Mittelpunkt der Story steht aber die halbwüchsige Mattie Ross (Kim Darby), die sich auf die Suche nach dem Mörder ihres Vaters macht. Der wurde von seinem Gehilfen Tom Chaney (Jeff Corey, 88) auf offener Straße erschossen. Für 100 Dollar heuert das clevere Mädchen den einäugigen Alt-Marshal Rooster (John Wayne) an, mit ihr die Verfolgung aufzunehmen. Der junge Texas Ranger La Boeuf (Glen Campbell) ist aber ebenfalls hinter Chaney her, der in Texas einen Senator erschossen hat. Die drei verbünden sich, denn Chaney soll sich der Bande des berüchtigten Ned Pepper (Robert Duvall, bekam 1984 für seine Rolle als Country-Sänger in "Comeback der Liebe" den Oscar) angeschlossen haben.
Unterwegs kommt es zwischen dem trinksüchtigen Rooster und dem angeberischen La Beouf oft zu Reibereien, und Mattie nervt mit ihrem altklugen Gehabe. Als sie sich von den beiden Männern kurz entfernt, steht sie Chaney plötzlich allein gegenüber. Ihre Waffe versagt und somit wird sie von der Bande gefangengenommen. Rooster und La Boeuf bereiten sich auf den Showdown vor, den einer von ihnen mit dem Tod bezahlen muss.
"Der Marshal" hat echten Mumm und strotzt vor Selbstironie
Im Original heißt der Film "True Grit", was so viel wie "wahre Verwegenheit" heißt, ein Attribut, das ganz klar auf John Wayne gemünzt war, der bei den Dreharbeiten 1968 mit 61 Jahren noch einmal beweisen konnte, was in ihm steckt. Dabei durfte er sein in über 40 Jahren aufgebautes Image vom handfesten Haudegen gleich selbst demontieren - und das macht er mit einer gesunden Portion Selbstironie. Immer wenn er mit übertriebener Raubeinigkeit und derben Sprüchen an Grenzen stößt, weil ihm sowohl die kesse Mattie als auch der smarte La Boeuf tüchtig Paroli bieten, fühlt man sich als Zuschauer bestens unterhalten.
Dabei mokierte sich Wayne noch im Vorfeld über seine Junge Co-Partnerin Kim Darby, weil er die Rolle eigentlich seiner Tochter Aissa versprochen hatte, und im Nachhinein ließ Regisseur Henry Hathaway kein gutes Haar mehr an Glen Campbell. Fakt ist aber, dass die beiden eher unerfahrenen Darsteller dafür das sie im Grunde nur Stichwortgeber für John Wayne waren, das Beste aus ihren Rollen herausgeholt haben.
Denn machen wir uns nichts vor, die Story basierend auf den Roman "Die mutige Mattie" von Charles Portis ist ziemlich stringent und bietet keine dramaturgischen Höhepunkte. Sie lebt von den Charakteren, angereichert mit Schießereien und Pferdeverfolgungsjagden, wobei sich die Szene, in der Wayne mit Gewehr und Colt, die Zügel zwischen den Zähnen seinem Pferd die Sporen gibt, um es mit der Bande allein aufzunehmen, wirklich sehen lassen kann. Wayne wurde dafür 1970 das erste und einzige Mal mit dem Oscar ausgezeichnet.
Ein wohliger Westernsong für den Duke
Der von Glen Campbell interpretierte Song "True Grit" war ebenfalls nominiert, verlor aber gegen Burt Bacharachs "Rainddrops Keep Fallin' on My Head" zum Western "Zwei Banditen" mit Paul Newman als Butch Cassidy und Robert Redford als The Sundance Kid. Immerhin hielt sich Campbell mit dem von Elmer Bernstein (†82) komponierten Film-Song "True Grit" sieben Wochen lang in den US-Charts und gilt bis heute als musikalische Hommage an John Wayne. Als Schauspieler zog sich Campbell jedoch wieder zurück und absolvierte höchstens noch Gastauftritte wie etwa in Clint Eastwoods "Mit Vollgas nach San Fernando". Mit seinen musikalischen Evergreens wie "Rhinestone Cowboy" ("Der Kindergarten Daddy"), Southern Nights" ("Guardians of the Galaxy, Volume 2") oder "By the Time I Get to Phoenix" ("X-Men: Dark Phoenix") bereicherte er die Filmwelt aber noch über seinen Tod hinaus (Campbell erkrankte 2011 an Alzheimer und starb am 8. August 2017 in Nashville).
John Wayne, der in Hollywood nur "Duke" genannt wurde, wiederholte seine Rooster-Rolle 1975 noch einmal in seinem vorletzten Film "Mit Dynamit und frommen Sprüchen" an der Seite von Katherine Hepburn (†96). 2010 folgte das Remake "True Grit" mit Jeff Bridges als Rooster, kurz nachdem er für seine Rolle eines alkoholkranken Country-Sängers in "Crazy Heart" den Oscar bekam.
Fazit: John Wayne zeigt sich als versoffener Gesetzeshüter von seiner komödiantischen Seite und lässt alle anderen blass aussehen. Ein Wild-West-Abenteuer, das voll und ganz auf den Duke zugeschnitten ist und kurzweiliges Vergnügen bietet.