"Urban Cowboy"- John Travolta tanzt zur Music von Johnny Lee, Mickey Gilley und Charlie Daniels
Am 6. Juli 2020 starb Charlie Daniels mit 83 Jahren. Seinen größten Hit feierte er 1979 mit dem Song "The Devil Went Down to Georgia", den er mit seiner Band ein Jahr später auch in dem Hollywoodfilm "Urban Cowboy" interpretierte. Der durch "Saturday Night Fever" und "Grease" gerade zum Superstar gewordene John Travolta spielte vor 40 Jahren die Hauptrolle. Der Erfolg an der Kinokasse war dennoch bescheiden, doch in der County Music sorgte "Urban Cowboy" für eine neue Richtung. Durch Rock- und Popeinflüsse wurden Country-Songs wieder massentauglicher. Der Film machte Johnny Lee und Mickey Gilley zu Superstars, aber auch bereits renommierte Größen wie Dolly Parton und Kenny Rogers (†81) sprangen auf den Zug auf. Mitte der Achtzigerjahre ebbte die "Urban Cowboy"-Welle jedoch wieder ab.
Ich will 'nen Cowboy als Mann
Gittes Schlager von 1963 ist in den USA weitgehend unbekannt, doch die Texanerin Sissy Davis (Debra Winger, Oscar-Nominierung für "Zeit der Zärtlichkeit") träumt von nichts anderem, wenn sie in Pasadena allabendlich den "Gilley's Club" besucht. Ihr Blick fällt auf ein neues Gesicht: Bud Davis (John Travolta) ist zum ersten Mal hier und hat gerade seinen Job in einer Ölraffinerie angetreten. Also kein Cowboy, aber angeberisch genug, um einer werden zu können. Schon bald läuten die Hochzeitglocken, doch das Eheglück des jungen Paares ist nur von kurzer Dauer.
Sissy bändelt mit dem raubeinigen Wes Hightower (Scott Glenn, "Das Schweigen der Lämmer") an, weil er wie ein echter Cowboy auftritt, während der eifersüchtige Bud Trost bei der exotischen Pam (Madolyn Smith Osborne) sucht. Bud fordert Wes heraus, und zwar auf einen mechanischen Bullen. Wer bleibt länger daraus sitzen? Wes geht zunächst als Sieger hervor, doch beim 5.000-Dollar-Turnier will ihn Bud schlagen und beginnt ein hartes Training. Bis er herausfindet, dass sein Kontrahent ein Ex-Knacki ist, der Böses im Schilde führt.
Der "Urban Cowboy" ist nur ein tänzelnder Honk
Dass der Großstadt-Cowboy schon 40 Jahre auf dem Buckel hat, merkt man dem Film an. Es wird nicht nur ein veraltetes Männlichkeitsbild gezeichnet, sondern auch schon damals überholte Klischees bedient wie eine Frau zu sein hat. Sissy wird als Schlampe geoutet, weil sie weder kochen noch abwaschen kann. Dafür kassiert sie von beiden Typen Schläge - nur das Wes richtig brutal zuhaut, während sich Bud für seine Entgleisung später entschuldigt. Immerhin!
Lächerlich müssen 1980 auch schon die Testosteron-Ausstöße der zwei Kerle gewirkt haben. Ein Stetson-Hut macht eben noch keinen Cowboy, und das Reiten auf einen mechanischen Bullen wirkt so gar nicht anmutig, erst recht nicht, wenn dazu wie im Film permanent eine Art von Kuhglocke bimmelt. Nein, einen Gefallen haben sich weder Glenn Scott noch John Travolta mit ihren Rollen in diesem seichten Romantik-Drama getan. Dabei hatte Travolta für die Bullenreitszenen so hart trainiert, dass er sich nicht einmal doubeln lassen musste.
Die bessere Figur macht er dennoch wieder auf der Tanzfläche. Mit seinen leichtfüßigen Bewegungen lässt er die Country Music zusätzlich aufleben. Charakterlich bleibt er aber im gesamten Film ein Honk. Gedreht wurde übrigens tatsächlich in dem damals von Mickey Gilley geführten Country Club in Pasadena. Mit einer Gesamtfläche von über 6.500 Quadratmetern war das "Gilley's" der weltweit größte Nachtclub seiner Zeit.
Film gleich Flopp, Soundtrack aber Hot
Als "Urban Cowboy" drei Monate nach seiner US-Premiere am 11. September 1980 in die deutschen Kinos kam, hatte sich bereits herumgesprochen, dass Travolta und sein Regisseur James Bridges ("Das China-Syndrom") damit eine Schlappe hinnehmen mussten. Nur beim Soundtrack wurde aufs richtige Pferd gesetzt. Die Doppel-LP erreichte auf Anhieb Platz 1 der US Billboard Top Country Albums und Platz 3 der US Billboard 200 Charts. Johnny Lees "Lookin' for Love" ging ebenso ins Ohr wie "Could I Have This Dance" von Anne Murray oder Mickey Gilleys Country-Version des Ben E. King-Evergreens "Stand by Me". Neben diesen Songs, die alle in den Top 10 der Billboard Country Singles landeten, bereichern aber auch Kenny Rogers ("Love the World Away") und Linda Ronstadt ("Hearts Against the Wind") den Soundtrack, der sich bis heute über drei Millionen Mal verkaufte.
Fazit: Die Musik ist das eigentliche Phänomen des "Urban Cowboy" und sollte in keiner Country-Sammlung fehlen. Der Film selbst bietet leider nicht mehr als eine dünne Love-Story mit gruseligen Geschlechterklischees.