The Eyes of Tammy Faye

The Eyes of Tammy Faye

"The Eyes of Tammy Faye" - Jessica Chastains oscarreife Darstellung einer US-Sängerin

Eine Kinoauswertung wie in die USA gab es hierzulande von "The Eyes of Tammy Faye" nicht, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass das Biopic über Tamara Faye Bakker (1942-2007) doch ein ziemlich amerikanischer Filmstoff ist, der auf die meisten Deutschen hier und da etwas befremdlich wirkt. Nichtsdestotrotz gingen zwei Oscar-Nominierungen an "The Eyes of Tammy Faye", eine für das Beste Make-Up und die andere für Jessica Chastain als Beste Hauptdarstellerin.

Filmplakat: The Eyes of Tammy Faye

Tatsächlich liebte die echte Tammy Faye extravagante Outfits inklusive fetter Make-Up-Schichten und falscher Wimpern. Jessica Chastain, die bereits für "The Help" (2012) und "Zero Dark Thirty" (2013) für den Oscar nominiert war, ist oft gar nicht wiederzuerkennen, gibt aber eine grandiose Performance ab.

Was für ein Puppentheater

Schon als Kind weiß Tammy (Jessica Chastain), dass sie Gutes tun will und das Wort Gottes verkünden will. Auf einem Seminar für Prediger lernt sie den wortgewandten Jim Bakker (Andrew Garfield) kennen und fühlt sich zu ihm sofort hingezogen. Anfang der Siebzigerjahre heiraten die beiden und beschließen, mit der Bibel in der Hand die Menschen zu bekehren.

Dabei stellt sich heraus, dass Tammy auch noch gut singen kann und mit einer selbstgebastelten Handpuppe die Stimmung auf ihren christlichen Veranstaltungen auflockern kann. Das bringt beide alsbald zum Fernsehen, wo sie bekannte TV-Prediger werden und so gut verdienen, dass sie im Luxus schwelgen können. Es kommen immer mehr Spenden zusammen, doch Jim nutzt das Geld zwackt sich davon irgendwann so viel ab, dass es auffällt. Auch in der Ehe kriselt es. Tammy fühlt sich von ihrem Mann missachtet und geht beinahe eine Affäre ein, ohne zu ahnen, dass Jim schon längst fremdgeht. Der Abstieg scheint unausweichlich zu sein, als Jim auch noch verhaftet wird und ins Gefängnis muss.

"The Eyes of Tammy Faye" - Frau in der Opferrolle

Gewiss versucht Regisseur Michael Showalter ("The Big Sick") ein ehrliches Bild dieses Prediger-Paares zu zeichnen und entlarvt vor allem Jim Bakker als jemanden, der Religion immer mehr zu seinem Vorteil auslegt und mit seinen affektierten Auftritten keine Sympathien gewinnen sollte. Zumal einem typisch amerikanische TV-Prediger, die permanent Halleluja schreien, uns hierzulande eher suspekt vorkommen, woran Filme wie "Blues Brothers" oder "Der Scheinheilige" mit Steve Martin nicht ganz unschuldig sind.

Viel besser kommt natürlich die titelgebende Tammy Faye weg, die immer wieder die Opferrolle ausfüllen muss, ob in der Konfrontation mit einer überstrengen Mutter, der Demütigung durch ihren Mann und später noch als erloschener Star, der vom Alter gezeichnet versucht, wieder auf die Bretter zu gelangen, die die Welt bedeuten. All das wird von Jessica Chastain glaubhaft und berührend gespielt. Auch Tammy Fayes Kampf gegen Homophobie kommt dabei zum Tragen, war sie doch eine der ersten Moderatorinnen des religiösen US-Fernsehens, die in den Achtzigern einen schwulen und an AIDS erkrankten Pastor in ihre Sendung einlud. Das machte sie zu einer Ikone der Schwulenbewegung, und ihre Glamour-Auftritte förderten das noch.

Also Hut ab vor dieser Frau, und doch ist der Film über sie nur ein brav heruntergekurbeltes Biopic, in der die Stationen ihres Lebens Stück für Stück chronologisch abgehakt werden. Was dem Film fehlt, ist eine eigene Handschrift, die Tammy Faye mit all ihren Facetten wieder lebendig machen. So wirken auch ihre Auftritte als Sängerin irgendwie dazwischen gequetscht. Dabei interpretierte Jessica Chastain alle Songs, die von Tammy Faye im Film aufgeführt werden, selbst.

In einer Nebenrolle: Country-Sänger Mark Wystrach

Der Mann, der für Jessica Chastain in ihrer Rolle als Tammy Faye fast zum "Verhängnis" wird, ist Country-Sänger Mark Wystrach als Plattenproduzent und Aufnahmekünstler Gary S. Paxton (1939-2016). 1987 kursierten tatsächlich Gerüchte über eine Affäre zwischen ihm und ihr. Im Film haben Jessica Chastain und Mark Wystrach eine erotische Szene, in der er ihr Komplimente macht und sie ihre Sehnsucht nach körperlicher Nähe eindringlich zum Ausdruck bringt. Was im Film fast zum Ende ihrer Ehe führt, wird von Andrew Garfield in seiner Rolle als Jim Bakker quasi in letzter Minute vereitelt. Die wenigen Minuten, in denen Wystrach auftaucht, reichen, um nachvollziehen zu können, warum eine verheiratete Frau diesem charismatischen und gutaussehnenden Mann erliegen könnte.

Der 1979 in Tucson, Arizona geborene Musiker spielte schon in etlichen Filmen kleine Rollen, darunter die Romanze "Zum Glück geküsst" neben Lindsay Lohan sowie die TV-Serien "Passions" und "Weeds - Kleine Deals unter Nachbarn". Da wünscht man ihm auch in Hollywood bald den Durchbruch mit einer richtig großen Rolle. Aber noch ist der Frontmann der Band Midland mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Erst im Dezember ist er zum zweit Mal Vater geworden und im Mai soll mit "The Last Resort: Greetings From" ein neues Album erscheinen. Auf dem Soundtrack zu "The Eyes of Tammy Faye" ist er zusammen mit Jessica Chastain mit dem Song "Somebody Touched Me" vertreten.

Es ist vorbei, wenn es vorbei ist

Zum einen gibt es den orchestralen Score aus der Feder von Theodore Shapiro mit 22 Stücken, zum anderen das für Fans von Tammy Faye sicherlich sehr viel interessantere Album mit acht Songs und einer Suite der Musik von Shapiro. Sieben Songs werden von Jessica Chastain gesungen, darunter "The Sun Will Shine Again", "Jesus Keeps Takin' Me Higher & Higher" und "We Are Blest", während die Tochter der 2007 verstorbenen Tammy Faye, Tammy Sue Bakker, mit dem Eröffnungssong "Don't Give Up" auf dem Album vertreten ist.

Im Film selbst werden nur die wenigen davon ausgespielt, dafür sind aber zumindest noch weitere zeitgemäße Songs zu hören, etwa "Blueberry Hill" von Fats Domino gesungen oder "Love Letters in the Sand", interpretiert von Pat Boone. Was bleibt ist ein rührseliges Melodram, das mit den Worten endet, die einst Tammy Faye ins Mikro sprach: "Es ist vorbei, wenn es vorbei ist". Für alle, die sich durch den Spielfilm inspiriert fühlen, sich weiter mit der Hauptfigur auseinandersetzen zu wollen, sei der Dokumentarfilm empfohlen, der bereits vor 22 Jahren, sieben vor ihrem Tod erschien und den gleichen Titel trägt: "The Eyes of Tammy Faye" von Fenton Bailey und Randy Barbato.

Fazit: Nur wegen der großartigen Darstellungen von Jessica Chastain und Andrew Garfield lässt man sich auf dieses rührselige Religionsstück ein.

 
Regie     Darsteller   Rolle  
Michael Showalter     Jessica Chastain ... Tammy Faye Bakker  
      Andrew Garfield ... Jim Bakker  
      Cherry Jones ... Rachel Grover  
      Vincent D'Onofrio ... Jerry Falwell  
      Mark Wystrach ... Gary Paxton  
      Sam Jaeger ... Roe Messner  
vgw
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