Asphalt Cowboy

Szenenbild: Asphalt Cowboy

"Asphalt Cowboy" mit Jon Voight und Dustin Hoffman in einem Großstadtwestern.

1969 war Dustin Hoffman war der gefragteste Star Hollywoods. Mit "Die Reifeprüfung" hatte der damals 32-Jährige gerade seinen ersten Hit gelandet und Regisseur Mike Nichols (†83) warnte ihn inständig, die Rolle eines verwahrlosten Penners in "Asphalt-Cowboy" nicht anzunehmen und damit seine Karriere aufs Spiel zu setzen. Wie gut, dass der Schauspieler nicht auf ihn gehört hat.

Filmplakat: Asphalt Cowboy
 

Dustin Hoffman entschied sich anders und verbrachte eine beträchtliche Zeit in den Slums von New York City, um das Verhalten von Obdachlosen zu studieren. Für die Rolle des titelgebenden "Midnight Cowboy", wie der US-Film im Original heißt, interessierten sich anfangs Elvis Presley und Warren Beatty, doch Regisseur John Schlesinger (†77) wollte keinen Star, sondern setzte auf das Gesicht des damals noch unbekannten Jon Voight. Dem Vater der inzwischen berühmteren Angelina Jolie gelang damit der Durchbruch.

Mit "Beim Sterben ist jeder der Erste" und "Coming Home" landete Jon Voight in den Siebzigerjahren noch weitere Hits, danach stagnierte seine Karriere. Wie der der rechtspopulistisch angehauchte Schauspieler heute zu "Asphalt-Cowboy" steht, ist nicht bekannt. Gewiss ist es aber seine berühmteste Rolle geblieben, und der Film selbst gehört zu den Klassikern des "New Hollywood"-Kinos, als junge Filmemacher mit gesellschaftskritischen Themen und neuen Erzählweisen das traditionelle Studiosystem ablösten. 1970 gab es für "Asphalt-Cowboy" drei Oscars, darunter in der Kategorie "Bester Film".

Der Traum vom Tellerwäscher zum Millionär

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Joe Buck (Jon Voight), ein Tellerwäscher aus einem Kaff in Texas, der eines Tages seinen Koffer packt, um in die große weite Welt hinauszugehen. In seiner neu erworbenen Cowboy-Kluft macht sich der gutaussehende Sonnyboy auf den Weg nach New York, um als Gigolo Karriere zu machen. Doch die reichen Ladies sind auf seine Liebesdienste nicht angewiesen.

Joe geht das Geld aus, trifft auf den Kleinganoven Rizzo (Dustin Hoffman), der ihn ebenfalls übers Ohr haut. Joes Versuch, sich Schwulen anzubieten, scheitert ebenfalls. Er verliert seine Bleibe, trifft erneut auf Rizzo, der ihm anbietet, in seiner schäbigen Unterkunft zu wohnen. Fortan halten die beiden Männer zusammen. Als sich Rizzos Gesundheitszustand zusehends verschlechtert, begeht Joe eine Straftat, um eine Busreise nach Florida bezahlen zu können. Hier hoffen beide auf ein neues Leben. Das wärmere Klima würde Rizzos Hustenanfälle lindern, und die Frauen sollen dort viel spendabler sein. Unterwegs wirft Joe sogar seine Cowboy-Kluft weg, aber noch sind sie nicht am Ziel.

John Wayne - eine Schwuchtel?

Bevor "Asphalt Cowboy" im Mai 1969 in die US-Kinos kam, wurde er zuerst auf der Berlinale vorgestellt, wo er wohlwollend aufgenommen wurde. Hinter dem Filmtitel mögen manche vielleicht zuerst einen heroischen Neuzeitwestern vermuten haben, um dann überrascht festzustellen, dass der Film dann doch das genaue Gegenteil ist. Ein Sozialdrama über die Ausgestoßenen unserer Gesellschaft, die einst selbst träumten, sich vom American Way of Life verführen ließen, der sie letztlich in die Gosse trieb.

Die Kritik wird im Film eindrucksvoll umgesetzt. Allein der verklärte Cowboy in seiner rühmlichen Garderobe dient dabei als Abbild falscher Vorstellungen und Träume. Regisseur John Schlesinger, der 1976 mit Dustin Hoffman den Thriller "Der Marathon-Mann" drehte, unterfüttert das noch mit Rückblenden in Joe Bucks tragische Vergangenheit, um zu erklären, was ihn angetrieben hat. Schlichtweg der Wunsch auf ein besseres Leben. Zwar empfinden manche Zuschauer diese Rückblenden als störend, weil sie das Tempo drosseln, dennoch bilden sie das Fundament der Geschichte, die sich letztlich in eine Richtung dreht, wo statt unerreichbarem Ruhm und Reichtum nur noch Freundschaft und Fürsorge zählt.

Zwar ist Joe Buck die Figur, an der dieser Wandel festgemacht wird, dennoch bleibt einem Rizzo besser in Erinnerung. Es ist die tragischere Figur, der unser ganzes Mitleid gilt. Kein Schönling wie Jon Voight, der damit zuerst noch punkten kann, sondern von Dustin Hoffman gespielt, der nicht mehr dem Schönheitsideal Hollywoods entsprach, aber sich in der neuen Ära des New Hollywoods gerade deshalb etablieren konnte und sich als guter Schauspieler erwies. Denn in seiner Traurigkeit verpasst er seinem Charakter auch etwas Fröhliches, und sei es auch nur mit Sprüchen wie "Cowboys sind Schwuchteln", worauf Jon alias Joe erwidert: "John Wayne ist ein Cowboy. Nennst du John Wayne etwa eine Schwuchtel?" Im Nachhinein umso witziger, weil sowohl Dustin Hoffman als auch Jon Voight 1969 in der Kategorie Bester Darsteller für den Oscar nominiert waren, aber gegen John Wayne verloren, der diesen Preis für seine Rolle in dem Western "Der Marshal" bekam.

Harry Nilsson und der berühmte Song "Everybody's Talkin'"

"Asphalt Cowboy" war einer der ersten Filme, die sich deutlich mit dem damaligen Tabuthema Homosexualität auseinandersetzten. Die Szene in einem Pornokino für Schwule wurde von Filmkomponist John Barry (†77) wegen seines gewagten Inhalts mit befremdlicher Musik untermalt, die eher wie aus einem Science-Fiction-Film klingt.

Barry, der in den Sechzigern vor allem mit seinen Kompositionen für James-Bond-Filme wie "Goldfinger" und "Feuerball" berühmt wurde, schrieb auch ein ohrwurmiges Hauptthema mit Gitarrenklänge und einer dominierenden Mundharmonika, das auch einem echten Western gerecht geworden wäre.

Den Titelsong überließ er aber dem Sänger und Songschreiber Harry Nilsson (†52), der in den Sechzigern nur unter den Namen Nilsson auftrat. Ursprünglich wurde Bob Dylan mit dem Titelsong beauftragt, der jedoch nicht rechtszeitig fertig wurde. So kam Nilsson ins Spiel, der ursprünglich "I Guess the Lord Must Be in New York City" als Titelsong vorschlug. Aber dann entschied man sich für Nilssons Cover-Version von Fred Neils "Everybody's Talkin'". Durch den Erfolg des Films wurde dieser Song schließlich weltberühmt. Der Song "I Guess the Lord Must Be in New York City" landete indes auf Nilssons Album "Harry" von 1969, mit dem er ebenfalls in die Top 40-Charts gelangte.

Fazit: Ein sensibler, aber niemals sentimentaler Antihelden-Film über falsche Träume und einer richtigen Männerfreundschaft, der auch nach über 50 Jahren von seiner Aussagekraft nichts verloren hat.

Regie     Darsteller   Rolle  
John Schlesinger     Dustin Hoffman ... Ratso  
      Jon Voight ... Joe Buck  
      Sylvia Miles ... Cass  
      John McGiver ... Mr. O'Daniel  
      Bob Balaban ... New Yorker Student  
      M. Emmet Walsh ... Bus Passagier  
vgw
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