Landman

Landman

"Landman" ist eine amerikanische Fernsehserie, die von Taylor Sheridan und Christian Wallace geschaffen wurde und auf dem von Wallace moderierten Podcast "Boomtown" basiert. In der Hauptrolle spielt Billy Bob Thornton einen Landmann in einer Ölfirma. Die Serie feierte ihre Premiere am 18. November 2024 auf Paramount+.

Filmplakat: Landman
 

Tommy Norris sichert seinem Konzern Landrechte. Sein Konzern ist die WestTexOil, ein texanischer Öl-Multi, dem es nur um eines geht: Profit. Dementsprechend ist Norris bei seinen Verhandlungen mit einem robusten Mandat ausgestattet. WestTexOil interessiert nur, was sich unter der Erde befindet. Ob sich oben auf dem Land die Farm eines ehrenwerten Landwirts befindet oder mexikanische Drogenhändler das Land als Drehkreuz verwenden, um von dort aus ihre Geschäfte zu erledigen: Norris' Scheckbuch regelt das schon. Das Geschäft läuft gut geölt, bis es zu einem spektakulären Unfall kommt - an dem WestTexOil nicht einmal beteiligt ist…

Taylor Sheridan der Glücksgriff für Paramount+

Taylor Sheridan ist an einem Punkt in seiner Karriere angekommen, an dem er mittags in eine Bar geht, ein Bier trinkt, auf dem Bierdeckel eine Idee notiert und Paramount+ diesen Bierdeckel kauft. Doch das ist nicht alles. Die Idee wird nicht einfach in der Schublade vergessen, sondern in eine Serie verwandelt - mit einem Budget zwischen 50 und 100 Millionen Dollar. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob Sheridan einen raffinierten Plot skizziert oder nur eine Zeile wie "Cowboys treffen auf Drogenkartelle" hinschreibt. Hauptsache, es klingt nach Drama, Action und jeder Menge staubiger Landschaften.

Sheridan ist inzwischen nicht nur Drehbuchautor, sondern ein eigenes Genre: Western mit einem modernen Twist, angereichert mit Familienintrigen, Machtspielen und schlagkräftigen Dialogen. Paramount+ hat verstanden, dass Sheridan mit seinen Geschichten ein Publikum bedient, das nach epischen Erlebnissen und markanten Charakteren dürstet - und dass sie für diese Art von Entertainment bereitwillig abonniert.

Vielleicht sollte er seine Ideen auch mal auf Servietten kritzeln, um das Budget noch weiter in die Höhe zu treiben. Es ist auf jeden Fall erstaunlich, dass neben den "Star Trek"-Serien ausgerechnet ein Autor wie Taylor Sheridan die Eigenproduktions-Aktivitäten des Streamers bestimmt. Seit "Yellowstone" unerwartet zu einem Publikumserfolg im amerikanischen Fernsehmarkt avancierte und besonders Zuschauer anzieht, denen das aktuelle TV-Angebot zu "woke" erscheint (eine eingehendere Analyse dieses Begriffs aus deren Perspektive würde den Rahmen hier sprengen), genießt Sheridan eine gewisse kreative Freiheit. Diese nutzt er, um sein Talent auszuspielen: Er kombiniert klassische Western-Motive mit modernen Konflikten und erschafft so ein erzählerisches Universum, das Tradition und Gegenwart auf packende Weise miteinander verknüpft.

"Yellowstone", ein Opus Magnum, folgt der Familie Dutton und ihrem endlosen Kampf, die größte zusammenhängende Ranch in den USA gegen Eindringlinge, Politiker und ihre eigenen internen Machtspielchen zu verteidigen. Es ist ein Epos voller Verrat, Intrigen und Cowboyromantik. Mit "1883" und "1923" hat er zwei direkte Prequels geschaffen. Dazu gesellen sich "Lawmen: Bass Reeves", "Mayor of Kingstown", die Actionserie "Special Ops: Lioness" sowie Sylvester Stallones "Tulsa King".

Würde Taylor Sheridan öfters mal Ideen auf Bierdeckel schreiben, wären es mit Sicherheit noch viel mehr, denn Sheridan ist eine Schreibfabrik. Nimmt man "Special Ops: Lioness" einmal aus dem Oevre heraus, eine Serie, die eher auf den Spuren eines Tom Clancy wandelt und Sheridan die Möglichkeit gibt, seinen Fokus ganz auf Action und Tempo zu richten, gibt es natürlich so einige Elemente, die sich in seinen Formaten immer wiederfinden. Die Welten, die er erschafft, sind rau und brutal. Gemeinsam ist fast allen seinen Figuren, dass sie sich dieser Welt unterordnen. Seine Hauptfiguren leben in diesen Welten und betrachten sich als ein Teil von ihnen. Sie verändern sie nicht.

"Landman":Anders als gedacht

Gerade diese Reflektion stellt einen Widerspruch zu der von eher linken und bürgerlichen Rezensenten vorgebrachte Kritik dar, Taylor Sheridan sei der erste Hollywood-Filmemacher der MAGA-Bewegung (Make America Great Again). Das ist er definitiv nicht, nicht nur, weil die Familie Dutton, der er seinen Durchbruch und seine Machtstellung verdankt, viel zu dysfunktional ist, um als Vorbild zu dienen. Ein Beleg dafür ist seine aktuelle Serie "Landman", in der sich Sheridan zudem von einer unterschwellig sarkastischen Seite zeigt, die wenig mit der MAGA-Welt gemein hat. Vielmehr beleuchtet er die Schattenseiten dieses speziell us-amerikanisch-kapitalistischen Systems, das von Trump und seinen Anhängern propagiert wird. Dieser Kapitalismus lehnt staatliche Eingriffe vehement ab und vertraut darauf, dass der Markt sich selbst regelt. Er ist libertär bis in die Fingerspitzen.

"Yellowstone" unterscheidet sich von "Landman" in einem Punkt eklatant. In "Yellowstone" agiert die Hauptfigur John Dutton, aller Kritik zum Trotz, nach einem moralischen Kompass. Den mag man kritisch hinterfragen, aber Dutton agiert auf Grundlage einer familiären Tradition und den Opfern, die seine Familie tatsächlich selbst erbracht hat (wie in den Prequels zu sehen). Dutton ist ein Mann, der das offene Visier bevorzugt und sich nicht versteckt. Ganz anders sieht dies im Fall von "Landman" aus. Hier dreht sich alles um WestTexOil und seine Marktmacht. Es hat einen Grund, warum die Serie eben nicht die Geschichte der Chefs erzählt, der Bosse, den Konzernlenkern, sondern die von Tommy Norris.

Unwägbarkeiten gehören halt zu seinem Job

Dieser Landman ist also der Verhandler. Schon seine Einführung lässt keine Fragen offen. Da sitzt er in einer Halle, gefesselt, mit einem Sack über dem Kopf und verhandelt. Dass ihn sein Entführer schlägt: Berufsrisiko. Er weiß, er wird schon nicht sterben. Stattdessen bekommt sein Entführer von dessen Boss eine Kugel in den Kopf. Er sollte den Landman hier verstecken. Ihn zu schlagen, das stand nicht auf der To-Do-Liste. Erfreut ist Norris nicht, aber solche Unwägbarkeiten gehören halt zu seinem Job. Sein Vertragsangebot ist großzügig. Niemand interessiert, was die Besitzer des Landes, bereits erwähnte Drogenhändler, hier an der Oberfläche so treiben. Denn, wie bekannt, es interessiert, was sich unter der Erde befindet. Deren Besitzrechte liegen bei WestTexOil. Problem: Man muss es an die Oberfläche schaffen und abtransportieren. Was aber, mit dem richtigen Vertrag, kein Problem sein sollte.

Schon der Prolog der Serie ist besagter sarkastischer Kommentar auf den allseits gerühmten und gefeierten libertären Gedanken. Der Staat soll sich aus Geschäften heraushalten. Das geht so weit, dass WestTexOil seine eigenen Straßen baut und der Allgemeinheit quasi nur generös erlaubt, diese zu nutzen. Dass staatliche Gesetze eine Last sind, zeigt sich an der Figur des Sheriffs der Region (Mark Collie), der de facto von der Gnade des Konzerns abhängig ist und dessen Machtbefugnisse dort enden, wo die Begehrlichkeiten von WestTexOil beginnen.

Warum der Prolog ein sarkastischer Kommentar ist? Während die Serie eine Welt aufzeigt, in der der Staat als Gesetzgeber quasi abgelehnt wird, weil er bei den Geschäften stört - erklärt der Landman den Drogenhändlern ausführlich den Vertrag, den er ihnen anbietet. Einen Vertrag, der natürlich ein notarielles Siegel trägt und damit Teil eines komplizierten, gesetzlichen (vom Staat erstellten) Regelwerkes darstellt. Was bedeutet: Während der Staat beim Profitmachen als lästig gilt und "draußen bleiben" soll, wird er plötzlich willkommen, wenn es um den eigenen Profit geht. Verträge, Siegel und notariell beglaubigte Regelungen, die tief im staatlichen Regelwerk verankert sind, werden zum Fundament, auf dem das Geschäft aufgebaut wird - und selbst Drogenhändler nehmen dieses Regelwerk auf, um Rechtssicherheit zu erlangen. Das also ist das, was man Freiheit nennt.

Zwei Bier, zitternd!

An diesem Punkt kommt Billy Bob Thornton ins Spiel, der eben diesen Tommy Norris darstellt. Thornton alias Norris (und das ist der Clou) weiß auf den Punkt, was er macht. Er beschönigt sein Handeln nicht. Er weiß, mit was für Leuten er verhandelt und dass er moralisch unter aller Sau agiert. Nach dem Deal mit den Drogenhändlern, bei dem cool und abgeklärt wirkt, ohne einen Moment Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass er kein Bittsteller, sondern der Verhandlungsführer ist, sitzt er in seinem Auto und zittert. Er braucht nicht weniger als zwei Flaschen Bier, um dieses Zittern unter Kontrolle zu kriegen. Zwei Flaschen, die er in zwei Zügen austrinkt. Ja, Tommy ist cool.

Diese Coolness aber hat ihren Preis. Seine Ehe ist kaputt, auch wenn er zu seiner Ex-Frau (Ali Larter) ein gutes Verhältnis pflegt. Sein Sohn (Jacob Lofland) versucht sich von ihm zu emanzipieren und seinen eigenen Weg zu gehen, wie sich auch seine Tochter in der Öl-Branche durchsetzen will, was ihr als Frau schwer fällt. Ihr Verhältnis ist kompliziert. Tommy ist ein Typ der Widersprüche. Er ist ohne Frage gebildet; er ist kein Killer, er versteht die Komplexität der Welt. Sobald er jedoch in den Diensten seiner Herren steht, blendet er alle möglichen Skrupel und moralischen Bedenken aus. Dann zählt nur das Geschäft und sonst gar nichts.

Was Tommy aber nicht kann: Sein Leben vollständig von diesem Job trennen. Er kann nach einem Job nicht einfach nach Hause gehen und Job Job sein lassen. Dafür ist er - zu intelligent. Seine Bosse, das zeigt die Serie, sind im Grunde nicht weniger simpel gestrickt als seine Kollegen. Für seine Bosse zählt Geld. Für seine Kollegen auf den Bohrstellen zählt Geld. Das sind die Scheuklappen, die sie tragen. Über das Geschäfts hinaus denken? Das tut keiner von ihnen. Da gilt nur der nächste Deal nach dem nächsten Deal nach dem nächsten Deal. Eine Ausnahme ist Cami Miller, die Ehefrau seines Chefs (und langjährigen Freundes) Monty (Jon Hamm). Demi Moore spielt diese Cami mit einer Mischung aus distanzierte Coolness und Verletzlichkeit. Sie wirkt nach außen hin stark, sie ist schließlich die Frau des Bosses; sie lässt aber das Publikum daran teilhaben, dass sie nicht wirklich glücklich ist in dieser Welt, da sie, wie Tommy auch, eben nicht nur von Deal zu Deal denkt, sondern sehr wohl die Auswirkungen ihres Handelns versteht.

Die Welt, die Taylor Sheridan beschreibt, rau und brutal

Natürlich ist die Welt, die Taylor Sheridan beschreibt, rau und brutal. Ihren Ursprung hat die Serie übrigens nicht im Kopf von Taylor Sheridan, stattdessen basiert die Ausgangsidee auf einem, man höre und staune, Podcast mit dem Titel "Boomtown", der sich unter anderem mit Aspekten des tatsächlich existenten Öl-Booms in West-Texas auseinandersetzt. Dessen Moderator, Christian Wallace, hat verschiedene Aspekte dieses Booms zusammengetragen. Die wirtschaftliche Erfolgsstory, mit dem Wohlstand in die Region eingezogen ist, aber eben auch die dunklen Seiten spielen eine Rolle, wie die massive Umweltzerstörung.

Taylor Sheridan hat aus den Berichten des Machers das Fundament seiner Serie gestrickt, die zum Ende der ersten Episode ein einschneidendes Geschehen präsentiert. Tatsächlich verläuft der Einstieg in die Serie vergleichsweise ruhig, nach dem Prolog geschieht an sich wenig in Sachen Storytelling. Die Story nimmt sich viel mehr Zeit, dieses West-Texas etwas genauer vorzustellen. In welche Richtung sich diese Geschichte entwickeln soll, stellt lange Zeit ein großes Fragezeichen dar. Ja, diese Welt ist rau. Und dieser Tommy ist ein Teil dieser Welt. Und sonst?

Wie so oft ist es gar nicht ein Geschehen, das sich aus der Geschichte heraus entwickelt, das alles in Frage stellt. Es ist ein Geschehen, das einfach so passiert. Ein Privatjet landet auf einer Straße, die WestTexOil gebaut hat. Hier draußen, mitten im Nirgendwo, ist der ideale Ort, einen Jet jenseits der Augen der Flugsicherung landen zu lassen. Das Fehlen von Kennungen aller Art zeigt auf: Dieser Jet ist kein Firmenflieger eines sauerländisches Parteifunktionärs. Stattdessen ist er bis unter die Decke mit Drogen beladen. Doch so ideal ist der Landeplatz vielleicht doch nicht, denn kurz hinter einem Hügel gelegen, ist er nicht von weithin einsehbar. So sieht der Fahrer des Tanklastzuges, der nicht einmal WestTexOil, gehört, der viel zu schnell fährt, das Hindernis auf der Straße viel zu spät. Obschon er noch versucht, dem Flieger auszuweichen, kommt es zu einem Knall. Jetzt hat WestTexOil ein Problem: Der Flieger gehörte ihnen. Der wurde ihnen zwar gestohlen, doch solche Diebstähle werden nicht zwingend angezeigt. Warum? Weil gestohlene Maschinen meist nur einige Zeit ausgeliehen werden. Die "Ausleiher" nutzen sie für irgendein zwielichtiges Geschäft, und irgendwann tauchen sie irgendwo wieder auf. Den Staat einzuschalten? Laut Tommy reine Zeitverschwendung und meist wenig hilfreich, wie er dem Sheriff erklärt. Problematisch wird es allerdings, wenn ein gestohlener Flieger, der nie offiziell als vermisst gemeldet wurde, bis obenhin mit Drogen beladen, mitten in der Einöde in die Luft fliegt.

Probleme zu lösen gehört zu den originären Aufgaben eines Landmans. Dieses Mal aber hat Tommy ein Problem.

Fazit: "Landman" richtet sich an Fans von Taylor Sheridan, die eine raue Welt mit harten Männern und einer unerbittlichen Wüstensonne erwarten.

vgw
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