Seit 2007 gehört Luke Bryan zur Country Music und zum Nashville-Sound, wie die sechs Saiten zur Westerngitarre. Er hat abgeräumt, was es zum Abräumen gab und er setzte Maßstäbe. Smart und blendend aussehend, betreibt der aus Leesburg, Georgia, stammende Sänger auch eine höchst erfolgreiche TV-Karriere: Seit 2018 sitzt er in der Jury von "American Idol", seit diesem Jahr ist er Moderator des amerikanischen TV-Hits "Jeopardy! The Greatest Of All Time".
Luke Bryans gute Laune wirkt ansteckend
Es läuft also wieder mal rund im Hause Bryan. Halbwegs natürlich nur. Schließlich musste auch er seine große Tournee pandemiebedingt absagen. Doch Corona hin, Virus her - das Leben geht weiter. Und mit den meisten der zehn Tracks seines neuen Albums "Born Here, Live Here, Die Here" im Ohr, lässt es sich gleich um ein gutes Stück besser leben. Keine Frage, das sonnige Gemüt und das Colgate-Lächeln von Luke Bryan wirken ansteckend.
Man nehme nur den Opener "Knockin‘ Boots". In dem von Hillary Lindsey, Jon Nite und Gordie Sampson geschriebenen Song referiert Bryan über Trucks, Country-Radio, Highways, Friday Nights, Whiskey, den Mondschein, Kleinstädte und - wie es der Titel besagt - Boots. Okay, man könnte sagen, der lässige, extrem gut gelaunte und in seiner kecken Art fast an frühe Shania Twain-Songs erinnernde Track lässt kaum ein Country-Klischee aus. Andererseits ist man heute schon fast froh, wenn die unbeschwerte Prä-Corona-Zeit beschworen wird. "Knockin' Boots" ist sicher kein Über-Song, im Gegenteil. Er bietet solide Country-Wertarbeit. Nicht mehr, nicht weniger. Aber es ist auch ein Lied, das Endorphine freisetzen kann, das motiviert und - nicht unwichtig - Sorgen absorbiert.
Das triff auch auf die weitere Single-Auskopplung "One Margerita" zu - vor allem sogar! Michael Carter, Matt Dragstrem und Josh Thompson haben für das partywillige Country-Volk einen süffigen, augenzwinkernden Drinkin' Song geschrieben. Wer hier Tiefgang erwartet, ist selbst schuld: das Anspruchsniveau entspricht dem Wasserstand im Baby-Plantschbecken. Wen stört's? Unter anderen Umständen wäre der Track mit ziemlicher Sicherheit ein, vielleicht sogar DER Sommerhit in den USA geworden. Dies belegen rund 14 Millionen YouTube-Kucker, die das Video seit dem Upload Mitte März sehen wollten. Wer das putzige Strand-Filmchen sieht, könnte allerdings wehmütig werden.
"Born Here Live Here Die Here": Klischees - aber auf hohem Niveau
Besser in diese neue Zeit passt da schon das nachdenkliche, akustisch eingespielte "Build Me A Daddy", geschrieben von Jake Mitchell, Josh Thompson und Brett Tyler. In dem Song hat ein kleiner Junge seinen Daddy verloren; ein Soldat, dem der Knabe in einem Laden begegnet, möge ihm doch bitte einen neuen Vater bauen ("Sir, I've heard you can build anything"). Das ist natürlich hanebüchen und dazu mit üblichen Klischees - Patriotismus, Waffen, Baseball - beladen. Trotzdem hat der Song seinen Charme. Auch weil er in Form und Aufmachung an die große Tracy Lawrence-Ballade "Paint Me A Birmingham" erinnert.
Großes Country-Kino liefert erwartungsgemäß auch der Titelsong "Born Here, Live Here, Die Here": das klingt nach "so war es immer und so wird es bleiben", nach Traditionen, nach Familie und Kirche, nach Boots, Trucks, Fischengehen, kaltes Bier trinken, kurz: nach heiler Country-Welt. Und genau die besingt Luke Bryan in der knapp vierminütigen Jake Mitchell-, Jameson Rodgers- und Josh Thompson-Komposition. Dass sich der Multimillionär in dem gediegenen, etwas pathetischen Track als Landei und Average Guy stilisiert, kann man durchaus bemäkeln und tatsächlich hinken die YouTube-Klicks des Songs weit hinter den anderen Titeln hinterher. Wir erkennen: Glaubwürdigkeit ist immer noch erste Sänger-Pflicht. Das gilt offenbar auch für ein Großkaliber wie Luke Bryan.
Weitere Drinkin' Songs ("Too Drunk to Drive”), Balladen ("A Little Less Broken”) und Große-Jungs-Träume ("For A Boat", von Randy Montana mitkomponiert) runden das Album stimmungsvoll und natürlich hochprofessionell ab.
Mit "Where Are We Going", das Luke Bryan gemeinsam mit Brent Cobb geschrieben hat, bietet die CD dann doch noch einen nachdenklichen, sinnsuchenden Moment. Es ist ziemlich genau der einzige der CD.
Fazit: Wo Luke Bryan draufsteht, ist gute Laune garantiert und Hit drin. Das gilt freilich auch für seine siebte CD "Born Here, Live Here, Die Here", auf der erneut auf sein bewährtes Erfolgsrezept vertraut.
Label: Capitol Nashville (Universal) | VÖ: 7. August 2020 |
01 | Knockin' Boots |
02 | What She Wants Tonight |
03 | Born Here, Live Here, Die Here |
04 | One Margarita |
05 | Too Drunk to Drive |
06 | Build Me A Daddy |
07 | Little Less Broken |
08 | For a Boat |
09 | Where Are We Goin' |
10 | Down to One |