Also: Songschreiber werden und hübsche Tantiemen-Schecks einstreichen. Wie man aber mittlerweile weiß, hatte das Schicksal einen anderen Plan mit dem stämmigen Rauschebart aus den amerikanischen Südstaaten. Schon Jordan Davis' erste Single "Singles You Up" eroberte Platz vier der Country-Charts und sein 2018 erschienenes Debüt-Album "Home State" schaffte es auf Platz sechs der Bestenliste. Der Einstieg war geglückt.
Um bei seiner rasant gewachsenen Fangemeinde seit seinem Debüt nicht in Vergessenheit zu geraten, hielt er sie mit regelmäßigen Single- und EP-Veröffentlichungen bei Laune. Die meisten davon landeten in den Top 10 - "Buy Dirt", das gefühlvoll und launige, 2021 veröffentlichte Duett mit Luke Bryan sogar auf Platz eins. Tja, da kann man nicht meckern. Andererseits dürfte so ein Wahnsinnserfolg auch die Erwartungshaltung und den Druck auf den Künstler für die nächsten Veröffentlichungen erhöhen.
"Bluebird Days": 17 ehrliche und persönliche Songs
Corona und die Folgen hätten sich, das sagte Jordan Davis dem amerikanischen Business-Magazin Billboard, auf die Entstehung von "Bluebird Days" ausgewirkt. Vor allem das Nicht-Touren-Können: "Mit der Auszeit konnte ich mich hinsetzen und ehrliche, echte Songs schreiben. Ohne diesen erzwungenen Break würde es sicher einige der neuen Songs nicht geben." Wie man weiß, birgt jedes Unheil eine Chance. Jordan Davis hat sie genutzt. Sehr gut gut sogar, wie sich jetzt mit den 17 Titeln von "Bluebird Days" zeigt.
Schon der Opener gibt die Tonlage vor: "Damn Good Time". Das klingt schon vom Titel her nach "das Leben feiern", nach positiv denken, nach Spaß haben - und genau das ist auch die Aussage dieses flotten, angenehm unangestrengt arrangierten Songs. Ein Titel, der Laune macht, der Energie gibt: runter von der Couch, rein in die nächste Bar, den nächsten Club. Das Leben ist zu kurz, um es zu vergeuden. Aber das Leben hält nicht nur sonnige Tage bereit. Das weiß auch Jordan Davis. Davon berichtet unter anderem der Titeltrack. "Bluebird Days" ist nicht, wie man vielleicht glauben könnte, seine Schilderung seiner frühen Auftritte in Nashvilles legendärem Bluebird Café. Es ist vielmehr die eindringliche, sehr emotionale Aufarbeitung der Trennung seiner Eltern. Eine Geschichte, die mit einer glücklichen Familie beginnt und ein einer Scheidung endet. Tausendfach wurde dieses Familiendrama schon erzählt, aber nur selten so bewegend wie hier.
Jordan Davis greift auf "Bluebird Days" noch öfters persönliche Erlebnisse auf und gewährt damit einen recht intimen Blick in sein Innenleben. Auch auf "Fishing Spot", bei dem es um mehr als nur um das Country-Dauerthema "Fischen" geht. Der sehr traditionell gehaltene Song ist eine ergreifende Hommage an seinen Großvater - und damit eine dieser grundehrlichen Country-Balladen, die man auch noch in vielen Jahren hören kann.
Jordan Davis ist als Mensch und Songschreiber hörbar gereift
Neben großer Authentizität punktet "Bluebird Days" auch mit einem gelungenen Schulterschluss von moderner Herangehensweise, zum Teil auch stylischen Arrangements und den erdigen Roots des Genres. Auch wenn man im Verlauf der 17 Tracks keine Fiddle und Pedal Steel Guitar weinen hört, gehören akustische Element zu den Säulen des Albums. Vor allem aber - und das gehört zum Country, wie die Saiten zur Gitarre - bieten die neuen Titel Blaupausen für gelungenes Storytelling. Jeder Track erzählt eine Geschichte. Und diese Geschichten handeln, weiterer Pluspunkt, nur sehr selten von "icecold Beer" oder Pickups.
So packt der Mitdreißiger in Songs wie "Money Isn't Real" und "Sunday Saints" auch mal, sagen wir, heiße Eisen an: Geld und Glauben. Er stellt in diesen musikalisch fein austarierten Country-Folk-Songs diese Säulenheilligen des American Way of Life vielleicht nicht gleich in Frage, aber er stimmt auch nicht in den Chor der unkritischen Mitläufer ein. Auch das ist ein Indiz dafür, wie gereift Jordan Davis bereits in seinem sechsten Karrierejahr ist.
Zum verzagten Protestsänger ist er aber freilich nicht gleich mutiert. Er kann immer noch Party - wie er in Titeln wie dem fröhlichen "One Beer In Front of The Other" und dem gefühlvollen Drinkin' Song "Whiskey Weak" beweist. Zum Ausklang hält er noch zwei Duette bereit: die Ballade "Midnight Crisis", bei der er sich das Mikro mit der vielversprechenden Newcomerin Danielle Bradbery teilt und, als Zugabe, den Platin-Hit mit Luke Bryan "Buy Dirt". Mehr geht kaum.
Fazit: Jordan Davis zeigt sich auf "Bluebird Days" als gereifter Sänger und Storyteller. Musikalisch wendet er sich mehr den Roots zu, vergisst dabei aber auch nicht das Hier und Heute. Keine Frage, ein großer Wurf!
Label: MCA Nashville (Universal) | VÖ: 17. Februar 2023 |
Disk 1 | |
01 | Damn Good Time |
02 | Money Isn't Real |
03 | Tucson Too Late |
04 | What My World Spins Around |
05 | Sunday Saints |
06 | No Time Soon |
07 | You've Got My Number |
08 | Next Thing You Know |
09 | Fishing Spot |
10 | One Beer in Front of the Other |
11 | Bluebird Days |
12 | Part of It |
13 | Short Fuse |
14 | Whiskey Weak |
15 | Midnight Crisis (mit Danielle Bradbery) |
16 | What I Wouldn't Do |
17 | Buy Dirt (mit Luke Bryan) |