Mary Chapin Carpenter - The Dirt and the Stars

CD Cover: Mary Chapin Carpenter - The Dirt and the Stars

Mary Chapin Carpenter zählt zu den besten Storytellern. Was sie mit ihrem neuen Album "The Dirt and the Stars" unter Beweis stellt.

Ruhig geworden. Das passt irgendwie zu der 62-Jährigen aus Princeton, New Jersey. Bereits seit einigen Jahren fließt ihre Musik so unangestrengt dahin, wie der Mississippi im Hochsommer. Doch die begnadete Songschreiberin hatte schon zu ihren erfolgreichsten Zeiten in 90er Jahren, als sie mit Singles und Alben die Charts eroberte und insgesamt fünf Grammys erhielt, ein Faible für hypnotisch-langsame, super-ruhige Songs. Man nehme nur "I Am a Town" oder "Rhythm of the Blues” von ihrem Meisterwerk "Come On, Come On” aus dem Jahre 1992. Songs in Zeitlupe, mit kaum mehr als drei Akkorden. Doch: Genau die richtige Umgebung für ihre, nach messerscharfem Verstand klingende Altstimme.

Zu jenen Zeiten hatte allerdings noch weitere Gangarten im Repertoire. Sie konnte Rocken ("The Bug", ein Song, den auch die Dire Straits aufnahmen), sie konnte mit dem Mainstream flirten (trefflich in dem Lucinda Williams-Titel "Passionate Kisses") und sie hatte kessen Witz ("I Feel Lucky"). Und heute?

Es geht Mary Chapin Carpenter um die Inhalte

Schon die letzten beiden, nur mäßig erfolgreichen Alben "The Things That We Are Made Of" (2016) und "Sometimes Just The Sky" (2018) zeichneten sich vor allem durch jene ruhige, man könnte auch sagen: beruhigende Atmosphäre aus. Man bekam den Eindruck, dass die Musik für Mary Chapin Carpenter nicht so wichtig war, dass es ihr mehr um Inhalte, um die Message ging – was sich die grandiose Textdichterin natürlich locker leisten kann. Den großen kommerziellen Wurf darf man mit dieser Herangehensweise aber natürlich nicht erwarten. Doch: Ist ihr der nach über 14 Millionen verkaufter Tonträger überhaupt noch wichtig?

Wenn, dann merkt man das "The Dirt and the Stars" nicht an. Sie macht ihr Ding. Und ihr Ding ist es, große und kleine Geschichten zu erzählen. Mit Herzblut, mit Tiefgang, mit Poesie und mit ihrer langsam etwas rauer und noch etwas tiefer klingenden Altstimme. Erneut erweist sich Chapin Carpenter als Fachfrau der menschlichen Psyche, als Kennerin emotionaler Extreme: "Between The Dirt and the Stars", der letzte, namensgebende Song, steckt das weite Terrain ab. Ihr Song-Horizont reicht von Traurigkeit ("It's OK to Feel Sad") und Einsamkeit ("Asking for a Friend") über die Vorzüge innerer Werte ("Where The Beauty Is") bis hin zu philanthropischen Betrachtungsweisen ("Everybody's Got Something").

"The Dirt and the Stars": feinstes Songwriting, bestes Storytelling

Abgehoben? Kann man nicht sagen. Aber eben auch nicht der leichtbekömmliche Stoff, den sich Country-Radiostationen wünschen. Selbst wenn sie sich ein eher gefälliges Thema ausguckt, wie die Ode an eine Vintage Gitarre vom Hersteller Martin ("Old D-35"), verpackt sie das Liebeslied an das altgediente Instrument in ein spärliches, man könnte auch sagen, sperriges Arrangement. Erstaunlicherweise spielt die treue Akustik-Klampfe bei dem Track nicht mal die erste Geige und schrammelt nur im Intro prominent. Ansonsten steht ein esoterisch klingendes, von ihrem langjährigen Wegbegleiter Matt Rollins virtuos bespieltes Klavier im Vordergrund.

Klavier, Gitarre, Stimme sind ohnehin die prägenden musikalischen Elemente der von Ethan Johns (Paul McCartney, Kings Of Leon) produzierten CD. Der Rest hält sich brav im Hintergrund zurück. Das gilt auch für Drummer, Jeremy Stacey (Sheryl Crow, Chris Robinson), dessen ultra-ökonomische Spielweise man schon fast als schüchtern bezeichnen kann. Ein bisschen mehr Punch liefert er in dem souligen, sessionartigen, um einen Tick flotter angelegten Track "American Stooge". Gemeinsam mit einer knurrenden Orgel und filigranen Gitarren-Riffs kommt hier - wie erfreulich - mal echter Groove auf. Das gelingt den Musikern, die das Album in Peter Gabriels Real World Studios im britischen Bath live eingespielt haben, auch beim finalen, über sieben Minuten langen und mit einem großartigen Gitarren-Solo versehenen "Between The Dirt and the Stars". Ein bisschen mehr davon hätte nicht geschadet. Andererseits: wer Storytelling in Vollendung erleben möchte, wird mit den Songs von "The Dirt and the Stars" bestens bedient.

Fazit: Ein ruhiges, tiefgründiges und erlesen arrangiertes Folk- und Songwriting-Vergnügen: "The Dirt and the Stars", das 16. Album von Mary Chapin Carpenter.

Label: Lambent Light / Thirty Tigers (Membran) VÖ: 7. August 2020
01 Farther Along and Further In
02 It's OK to Feel Sad
03 All Broken Hearts Break Differently
04 Old D-35
05 American Stooge
06 Where The Beauty Is
07 Nocturne
08 Secret Keepers
09 Asking for a Friend
10 Everybody's Got Something
11 Between The Dirt and the Stars
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