Auch sonst bekommt der Hörer ziemlich genau das, was er auch von einem Truck Stop-Album erwarten darf. Vielleicht sogar noch ein bißchen mehr. Denn neben dem erwartungsgemäßen Mix aus guter Laune, dem so tristen wie schönen Truckerleben, gefühlvollen Liebesliedern und einigen gut gemeinten Ratschlägen für das Leben an sich, holt Truck Stop um Gitarrist, Sänger, Bassist und Bandgründer Cisco Berndt auch so manch tiefschürfende Thema aus dem Holster. "Papa musste selbst erwachsen werden" ist dafür ein gutes Beispiel. Von Cisco höchstselbst mit kneipen- und bühnenerprobter Stimme gefühlvoll interpretiert, erzählt der Song die Geschichte eines Vaters, der spät, zu spät erkannt hat, was eine Familie für ihn bedeuten könnte. Ein trauriger Song. Und dazu ein Text, mit dem sich leider nur zu viele Väter identifizieren können.
Überhaupt dürfte es eines der Erfolgsgeheimnisse der norddeutschen Countryband sein, dass es ihnen gelingt, ihren Fans aus der Seele zu sprechen. Immer wieder aufs Neue. So werden sich auch viele Hörer mit "Hand und Fuß" ertappt fühlen- noch ein Lied über Vaterschaft, ungewollt zwar, dennoch aber akzeptiert und schließlich freudig angenommen. Der waschechte Berliner Lucius Reichling greift dabei zum Mikro- genau wie bei "Engel, der zu nah am Boden fliegt", ein moderner, rockiger Song mit buchstäblich Tiefgang.
Dass das 34. Album so abwechslungsreich wie kaum eines der Vorgänger ausfällt, hat seinen Grund: Neben den standesgemäßen Lead-Sängern Cisco und Lucius dürfen auf "Immer geradeaus" auch mal die anderen von Truck Stop ran. Bassist Uwe Lost stimmt sehr überzeugend, sehr gefühlsbetont mit "Lost Canyon" ein richtig schmusiges Liebeslied an. Und Knut Bewersdoff erhebt sich bei "Elbe-Cowboys" mal von seiner Steelguitar um den Einheizer zu geben- und das macht er überraschend gut. Weil's so schön ist, dürfen beim Opener und der Single-Auskopplung "Alle machen's" tatsächlich mal alle ran. Jeder darf einen Solopart übernehmen, sogar Drummer Teddy Ibing mit seiner knorrigen Waldschrat-Stimme.
Ansonsten hält die CD freilich noch weitere typische Truck Stop-Titel parat: "Laxter Sand", eine Autobahnraststätte- also eine Art Truck Stop- die für ihre Buletten berühmt sein soll; "Kalte Pizza und lauwarmes Bier"- mit einem hervorragenden Gitarrensolo. "Ist das nicht ein bißchen wenig"- ein origineller Macht-Laune-Song mit witzigem Text.
Weniger glücklich fallen die Worte in dem musikalisch mit Bluegrass-Anleihen vollauf überzeugenden "Echte Cowboys weinen nie". Hier wird mal wieder das Klischee, dass echte Männer keine Gefühle zeigen dürfen, arg strapaziert: "echte Cowboys weinen nie, nur Coyoten heulen in der Prärie. Ein echter Cowboy hat Rückgrat und weint wirklich nicht, auch wenn er innerlich daran zerbricht." Soweit der Refrain, der zum Songende nur mäßig abgemildert wird in: "Echte Cowboys weinen leise, geht ein Freund einmal auf die letzte Reise." Na ja ... ihre amerikanischen Kollegen wie Tim McGraw, Tracy Lawrence und selbst Neo-Hardliner Alan Jackson bekennen sich schon wesentlich unverblümter zu ihren Gefühlen und auch Schwächen- und genau das ist auch ihre Stärke. Kann man ja im hohen Norden mal darüber nachdenken...
Fazit: "Immer geradeaus" ist ein genauso typisches wie vielschichtiges Truck Stop-Album. Viele Hightlights, wenige Durchhänger. Top: die musikalische Umsetzung.
Label: Ariola (Sony) | VÖ: 20. Januar 2006 |
01 | Alle machen's |
02 | Laxter Sand |
03 | Kalte Pizza und lauwarmes Bier |
04 | Grand Canyon |
05 | Ist das nicht ein bisschen wenig |
06 | Hand und Fuß |
07 | Echte Cowboys weinen nie |
08 | Alle Wege führ'n zurück zu dir |
09 | Wir sind die Elbe-Cowboys |
10 | Engel, der zu nah am Boden fliegt |
11 | Papa musste selbst erwachsen werden |
12 | Susanna |
13 | Blue Tattoo |
14 | Immer geradeaus |