"Feinde - Hostiles" ist der neue Film von "Crazy Heart"-Regisseur Scott Cooper.
Das Jahr 1892 - der Wilde Westen der Vereinigten Staaten: Der Indianer hassende Armee-Offizier Joseph J. Blocker wird auf eine moralische Probe gestellt und erhält eine Aufgabe, die gegen seine Prinzipien verstößt: Gemeinsam mit einer Handvoll Soldaten soll er als Zeichen der Versöhnung mit den Indianern einen viele Jahre inhaftierten, mittlerweile sterbenden Cheyenne-Häuptling zurück in sein Reservat bringen. Mit von der Partie ist außerdem seine Familie, die ihn im Bundesstaat Montana gemeinsam zu Grabe tragen will. Blocker bleibt keine Wahl: Wenn er die Reise nicht antritt, verwehrt man ihm seine Rente.
So begibt sich die ungewöhnliche Gruppe auf eine gefährliche Reise, auf der sie alle am selben Strang ziehen müssen, um zu überleben. Unterwegs treffen sie auf die Witwe Rosalie Quaid (Rosamund Pike), deren Ehemann und Kinder von brutalen Komantschen getötet wurden. Die Gruppe nimmt sie zu sich auf, nicht ahnend, dass auch sie längst ins Visier der Komantschen geraten ist…
Scott Cooper - Experte derber Kost
Regisseur Scott Cooper feierte sein Regiedebüt mit dem melancholisch-unbequemen Musikerdrama "Crazy Heart", das Jeff Bridges im Jahr 2010 zu seinem ersten Oscar verhalf. Anschließend widmete sich der gebürtig aus Virginia stammende Filmemacher vorwiegend härterer Kost: Auf sein derbes Crime-Drama "Auge um Auge" ließ er den biographischen Gangsterthriller "Black Mass" folgen, in dem er die wahre Geschichte des US-Mafioso Whitey Bulger erzählte und Johnny Depp damit endlich mal wieder in einer ernst zu nehmenden Rolle besetzte.
Einen Schritt weiter geht Scott Cooper nun mit "Feinde - Hostiles", für den er ein Skript des "Jagd auf Roter Oktober"-Autors Donald E. Stewart überarbeitete und schließlich als brutalen Neo-Western verfilmte. Schon die aller erste Szene zeigt ungeschönt den Überfall auf Rosalie Quaid und ihre Familie - Kinder werden erschossen, der Ehemann skalpiert und eine verstörte Witwe zurückgelassen, die ihren toten Säugling noch viele Stunden nach der Tat wie ein schlafendes Baby mit sich herumträgt. Erst dann geht es so richtig los…
Die Kunst, mit unangenehmen Figuren zu sympathisieren
In "Feinde - Hostiles" ist keiner so richtig sympathisch. Und die einzige, auf den ersten Blick noch irgendwie charmante Figur wird direkt in den ersten zehn Minuten durch die Ermordung ihrer Liebsten gebrochen. Trotzdem ist Scott Cooper ein Profi darin, Interesse für seine Charaktere zu schüren.
Da es in "Feinde - Hostiles" in erster Linie um Versöhnung und das Aufbrechen lang gehegter Konflikte geht, ist das Ausloten ihrer moralischen Untiefen lange Zeit unvermeidbar. Auf der einen Seite ist da der mit seinen brutalen Handlungen gegenüber Indianern nicht hinterm Berg haltende Joseph J. Blocker (Christian Bale), der nie einen Hehl daraus macht, am Gelingen der Mission nur bedingt Interesse zu haben - geschweige denn daran, dass der von ihm beaufsichtigte Indianerstamm sein Ziel heile und unversehrt erreicht. Auf der anderen Seite sind da der lange Zeit aus banalsten Gründen festgehaltene Cheyenne-Stamm, der an einer Aussöhnung mit den sie erniedrigenden Soldaten - verständlicherweise - nicht interessiert ist. Als gemeinsamen Feind verbindet die zwei Seiten ein brutaler Ableger des Komantschen-Clans, der immer wieder zu gefährlichen Überfällen aufbricht und dabei vor Nichts und Niemandem Halt macht.
In der ersten Stunde von insgesamt von insgesamt zweieinviertel lässt Scott Cooper das Geschehen auf den Zuschauer wirken. Nach dem rasenden Prolog und wenigen Minuten, in denen die Prämisse und das Ziel der Mission erläutert wird, stehen vorwiegend die Spannungen unter den Parteien im Mittelpunkt.
Viel Spektakel gibt es auf der Leinwand erst einmal nicht zu sehen - stattdessen stehen die zwischenmenschlichen Konflikte im Mittelpunkt, für deren Ergründung kleine Gesten und ausgewählte Dialogfetzen reichen (in "Feinde - Hostiles" wird generell sehr wenig gesprochen). Aus genau diesem Grund ist die lange Laufzeit aber auch so wichtig: Der lang gehegte Kampf zwischen dem vermeintlichen Gut und Böse, der mit Vorurteilen, Machtmissbrauch und Gewalt einherging, kann nur sehr langsam zu einer Versöhnung finden. Genau dieses Ziel wirkt zu Beginn des Films nahezu unmöglich - wenn es jedoch so weit ist, reicht ein Blick, ein Wort und ein Handschlag zwischen Blocker und dem sterbenden Indianerhäuptling Yellow Hawk (Wes Studi), um in einer Sekunde den ganzen Schmerz vieler Jahrzehnte spürbar zu machen und die persönlichen Fehden gleichzeitig vergessend zu machen.
Ein inszenatorischer Genuss
Der allgegenwärtigen Brutalität - immer wieder werden Menschen blutig erschossen, aufgeschlitzt oder für alle offensichtlich an Bäume gehängt - zum Trotz, ist "Feinde - Hostiles" ein wunderschöner Film, dessen gleichermaßen schroffes Erscheinungsbild das Land Amerika nicht besser treffen könnte. Scotts Stammkameramann Masanobu Takayanagi (filmte auch den Oscar-Gewinner "Spotlight") bestückt den Film mit herausragend-malerischen Wüstenpanoramen und findet in der Einöde das Schöne und Unverwechselbare. Trotzdem geht er auch immer wieder ganz nah an die Figuren heran und betont den Schmerz in den vom Schicksal gezeichneten Gesichtern, unter denen vor allem jenes von Christian Bale ("Todeszug nach Yuma") in Erinnerung bleibt.
Bale lotet die widersprüchlichen Facetten seines Charakters voll aus und macht ihn zu einer interessanten Figur, deren Beweggründe für den Hass sich mit der Zeit immer erschließen - auch ganz ohne, dass man diese nachvollziehen müsste. Rosamund Pike ("Gone Girl - Das perfekte Opfer") spielt die innerlich gebrochene Witwe mit einer beeindruckenden Kraft, mit der sie dem Rest des Casts - unter Anderem Stephen Lang ("Don't Breathe") und Jesse Plemons ("Game Night") und Timothée Chalamet ("Call Me By Your Name") und Country-Sänger Ryan Bingham ("Crazy Heart") die Show stiehlt. Letzterer sorgt mit einer Unplugged-Interpretation seines Songs "How a Sparrow Should Fly" am Lagerfeuer für einen der intensivsten Momente des gesamten Films. Untermalt werden die persönlichen Dramen in "Feinde - Hostiles" von einem sehr dosiert eingesetzten Score von Max Richter ("Escobar: Paradise Lost").
Fazit: In "Feinde - Hostiles" erzählt Regisseur und Drehbuchautor Scott Cooper vor beeindruckend karger Kulisse eine Geschichte über Kampf und Versöhnung, die beweist, dass selbst die härtesten Konflikte aufgebrochen werden können, wenn beide Parteien dazu bereit sind.