In dem halb-dokumentarischen Drama "The Rider" feiert Brady Jandreau sein Leinwand-Debüt.
In South Dakota liegt nicht nur Mount Rushmore oder der Badlands National Park, sondern der US-Bundesstaat dient auch als Drehkulisse für Filme - immer dann, wenn atemberaubende Landschaft gebraucht werden. Der bekannteste Film für die Landschaftaufnahmen dürfte wohl Kevin Costners "Der mit dem Wolf tanzt" sein. Nun dient dieses weite Land erneut als Kulisse, dieses Mal für den Film "The Rider", der halb-dokumentarisch erzählt wird.
The Rider - Der Cowboy als zerbrechliches Wesen
Für den Cowboy Brady Blackburn (Brady Jandreau) bricht eine Welt zusammen, als man ihm nach einem fast tödlichen Reitunfall nahelegt, nie wieder auf ein Pferd zu steigen. Als Sioux-Nachkomme definiert sich der junge Mann allerdings vor allem über die Arbeit mit den Tieren und so nimmt er die Anweisungen seiner Ärzte nicht ganz so genau. Zunächst trainiert er Nachwuchsreiter, bis er eines Tages den wilden Hengst Apollo kennenlernt. Brady übernimmt die Ausbildung des rohen Pferdes und setzt sich dazu auch wieder in den Sattel. Vor allem sein Vater beäugt das mit Sorge, denn er weiß: Einen weiteren Sturz würde Brady nicht überleben. Doch da hat sein Sohn schon längst Pläne für den nächsten Rodeo-Wettkampf geschmiedet…
Das Klischee vom unverwundbaren Cowboy
Seit jeher gilt der Cowboy als Inbegriff des unverwundbaren Kerls. Wenn die Reiter auf ihren Pferden Rinder zusammentreiben oder sich in halsbrecherischen Manövern bei Rodeos mit anderen Reitern messen, käme Niemand auf die Idee, dieses Bild vom unkaputtbaren Haudegen zu hinterfragen. Regisseurin Chloé Zhao ("Songs My Brother Taught Me") tut in ihrem halb-dokumentarischen Drama "The Rider" nun allerdings genau das. Im Mittelpunkt ihrer Geschichte steht Brady Jandreau, der sich selbst spielt (nur dass er hier Brady Blackburg heißt). Das Besondere: Das, was der Hauptfigur im Film passiert, ist dem Laiendarsteller tatsächlich geschehen. Anhand seines Beispiels vom die Schattenseiten seines Berufes kennenlernenden Cowboys erzählt die Filmemacherin in "The Rider" vom inneren Kampf zwischen Vernunft und dem unbedingten Willen, seine Träume zu verwirklichen. Gleichzeitig schildert sie aber auch völlig frei von Klischees die Bedeutung der Pferde für die Cowboys - und beides ist auf seine Weise atemberaubend.
Brady Jandreau - Ein Newcomer kommt ganz groß raus
Man mag es kaum glauben, dass "The Rider" für Brady Jandreau die aller erste Arbeit als Schauspieler ist, der obendrein ja auch eigentlich gar keiner ist, sondern eben Cowboy und Pferdeausbilder. Von purer Glückseligkeit bis zu innerer Zerstörung gelingt es ihm, die komplette Bandbreite menschlicher Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Dabei stehen gerade in der ersten Hälfte vor allem jene Momente im Fokus, in denen der Zorn, die Wut über sich selbst und die Trauer das Geschehen dominieren. Dank Jandreaus feinen Schauspiels verspürt man zwar eine allgegenwertige Melancholie, doch pure Schwerfälligkeit lässt "The Rider" vermissen. So gelingt es Chloé Zhao, dem Cowboy-Dasein langsam sein draufgängerisches Image zu nehmen und der Film blickt hinter die Fassade dieser unkaputtbaren Typen und in ein Milieu, in dem beileibe nicht jeder die Rodeo-Arena als strahlender Held verlässt.
Schönheit ohne Arrangement
Die Szenen beim Rodeo oder bei der täglichen Arbeit mit den Pferden sind gerade durch ihre fehlende Inszenierung wunderschön und authentisch zugleich. Die Regisseurin ließ ihre Schauspieler einfach machen, was ihrem Film einen dokumentarischen Touch verleiht. Die Rodeo-Wettkämpfe sind nicht gestellt, genauso wenig wie die Szenen, in denen Brady mit seinem jungen Pferd trainiert. Vor allem Letzteres nutzt Zhao, um viel über ihren Hauptcharakter zu verraten, ohne dabei auf ellenlange Dialoge zurückgreifen zu müssen. Brady durchlebt anhand der Arbeit mit seinem Pferd Apollo noch einmal sein ganzes Leben als Cowboy; sein Pferd wird zu einem Spiegelbild auf vier Beinen, bis sich Brady schließlich komplett von seinem Leben als Cowboy freimachen muss. Kameramann Joshua James Richards liefert die passenden Aufnahmen dafür. Er findet in den ungestellten Bildern eine natürliche Schönheit, der sich auch die sehr übersichtliche, dafür umso eindringlicher erzählte Geschichte perfekt anpasst.
Aus dem Leben eines Pferdemenschen
In den 104 Filmminuten folgt der Zuschauer dem Cowboy Brady auf seinem Weg zurück ins Leben, was zunächst von totaler Resignation begleitet wird. Als er später eine Aufgabe findet und zunächst Nachwuchsreiter, anschließend aber vor allem den wilden Hengst Apollo trainiert, findet er zu seiner wahren Bestimmung, die Chloé Zhao als das Herzstück von "The Rider" begreift. Die Art und Weise, wie sich Brady schließlich von seinem Leben als Cowboy freimacht und beginnt, sich nicht mehr ausschließlich über seine Arbeit zu definieren, ist zutiefst bewegend und ordnet sich harmonisch in die zuvor so zurückhaltende Inszenierung ein. Immer wieder beobachtet die Filmemacherin ihren Protagonisten einfach nur in ihrem Umfeld und legt so sukzessive die verletzliche Seite ihres vermeintlichen Helden frei. Nach wiederholten Besuchen bei einem Cowboy-Kollegen, der seit einem schweren Unfall im Krankenhaus liegt, oder nach ausgiebigen Gesprächen mit seiner um ihn und seine Gesundheit bangenden Schwester kann Brady schließlich gar nicht mehr anders, als nur noch zu weinen. Auch Cowboys dürfen in "The Rider" Gefühle zeigen!
Fazit: Mit "The Rider" hinterfragt Chloé Zhau das Image vom unverwundbaren Cowboy auf sehr einprägsame und ehrliche Weise.