In "Country Strong" stehen Tim McGraw und Garrett Hedlund erneut gemeinsam vor der Kamera
Nach ihrer oscar-prämierten Rolle in "Shakespeare in Love" aus dem Jahre 1998 hat es mehr als 12 Jahre gedauert, bevor der Kinobesucher Gwyneth Paltrow wieder in einer facettenreichen Rolle sehen konnte, in der sie im Rampenlicht steht und eine zutiefst verstörte Persönlichkeit mimt.
In "Country Strong" von Regisseurin Shana Feste zeigt Gwyneth Paltrow ihre bislang eindrucksvollste schauspielerische Leistung.
Gwyneth Paltrow schlüpft in die Rolle der Kelly Canter, einer bekannten Country-Sängerin, die von ihrem Ehemann und Manager James (Tim McGraw) gezwungen wird, die Entzugsklinik, in die sie wegen Alkoholismus eingewiesen worden war, zu verlassen, obwohl sie psychisch und körperlich noch längst nicht genesen ist. James ist fest entschlossen, ein Comeback zu starten, und bucht eine Tournee mit drei Auftritten. Letzte Station ist Dallas, Texas, wo die Sängerin vor ihrem Aufenthalt in der Klinik wegen ihrer Alkoholsucht auf der Bühne zusammengebrochen war und das Baby, mit dem sie schwanger war, verloren hatte.
Kellys Beziehung zu ihrem Ehemann ist gestört. Schuld daran sind zum einen ihre Sucht und der Verlust des Ungeborenen, aber auch Beau (Garett Hedlund), ein Suchtbetreuer, dem sie während der Entziehung emotional und körperlich näher gekommen ist. Die Beziehung wird noch verkompliziert, als Beau, ebenfalls Country-Sänger, auf Vorschlag von Kelly im Vorprogramm der Comeback-Tournee auftritt.
James erkennt die förderliche Wirkung, die Beau auf seine Frau hat, und stimmt der Tournee widerwillig zu, gestaltet die Situation aber noch schwieriger, indem er die junge Schönheitskönigin und aufstrebende Sängerin Chiles Stanton (Leighton Meester) engagiert. Kelly, die ihr traumatisches Erlebnis noch nicht verwunden hat, sieht James' neuen Schützling als Gefahr für ihre Ehe und Karriere und bald schon geht es mit ihrem Comeback steil bergab. Kurz gesagt: ein richtiges Country-Drama, wie es im Buche steht.
Gwyneth Paltrow gibt eine absolute glaubwürdige Country-Sängerin ab, singt und spielt Gitarre undläuft herum, als wäre sie ganz in ihrem Element.
Unterstützt wird Paltrow von einer Gruppe begnadeter Songschreiber, denen sie, Hedlund und Meester Musik und Texte zu verdanken haben- jeder Song hätte das Zeug zu einem echten Country-Hit. Ihre Vielseitigkeit als Schauspielerin zeigt sich in der nuancierten Darstellung einer Frau, die in ihrem Leben als Star von inneren Dämonen geplagt wird. Die Story von Shana Feste ist an manchen Stellen zwar ein wenig klischeebeladen, doch Paltrows Darstellung driftet nie in diese Richtung ab und vermeidet jede Melodramatik.
Auch Tim McGraw als leidender Ehemann und Manager, der verzweifelt versucht, mit den beruflichen und persönlichen Verfehlungen seiner Frau zurechtzukommen, kann mit seiner starken Darbietung überzeugen. Es gelingt ihm, seine Rolle glaubhaft zum Leben zu erwecken, und er zeigt seine bislang beste schauspielerische Leistung. Tim McGraw, einer der erfolgreichsten Country-Sänger in den USA, stellt mit seiner Darbietung in "Country Strong" deutlich unter Beweis, dass er nicht nur ein Country-Sänger ist, der auch mal schauspielert, sondern das Potential hat, in weiteren Filmen eine tragende Rolle zu übernehmen. Einziges Manko von ihm in "Country Strong" ist, dass er nicht singt, sondern nur auf dem Soundtrack zu hören ist.
Wenn man Gwyneth Paltrow als Kopf des Films bezeichnet, dann ist Garett Hedlund eindeutig das Herz. Nach einer meist durchschnittlichen Leistung in dem Disney-Streifen "Tron: Legacy" zeigt Hedlund in "Country Strong" das absolute Gegenteil. Er stiehlt allen die Show und völlig zu Recht wurde er für seine Darbietung mit dem Young Hollywood Award ausgezeichnet. Dieser Streifen wird der Wendepunkt seiner Karriere sein und ihn in den Olymp Hollywoods aufsteigen lassen.
Mit seinem guten Aussehen und Charisma verkörpert Garett Hedlund glaubhaft den jungen Country-Sänger, der trotz des Erfolgs natürlich und verletzlich bleibt. Er bringt frischen Wind mit und fordert Paltrow ordentlich. Auch Meester, vor allem bekannt durch ihre Fernsehrolle Blair in "Gossip Girl", verdient sich erste Sporen als Leinwanddarstellerin durch ihre Verkörperung der Chiles Stanton, eines unsicheren, naiven Mädchens, das der Faszination des Glamours und der Verlockung des Ruhmes erliegt.
Eklatante Schwächen zeigt jedoch das klischeeüberfrachtete Drehbuch des Films. Der Regisseurin Shana Feste gelingt es wunderbar, die vier konfliktbeladenen Hauptpersonen, die jeweils an einem Wendepunkt in ihrem Leben stehen, zu einer einheitlichen Story zu verknüpfen. Dabei greift sie jedoch auf die altbekannten Szenarios zurück. Die Art und Weise, wie sie das Thema eines ehemaligen Stars angeht, der ein Comeback versucht, hat absolutnichts Neues zu bieten.
Manche Szenen sind geradezu an den Haaren herbeigezogen. Wieso zum Beispiel bleibt die alkoholkranke Sängerin unmittelbar vor dem Auftritt allein in der Garderobe, wenn doch bekannt ist, dass sie immer vor einer Show getrunken hat? Zumindest hätte man doch wohl den Wodka versteckt, oder?
Zudem lässt Feste Kelly in der Klinik einen kleinen Vogel finden, den sie während der Tournee in einer Schachtel mit sich herum trägt. Das ist eindeutig eine Metapher- allerdings eine schlechte- für ihr verlorenes Kind. Wie praktisch für ihre Geschichte, dass Beau, ein begabter angehender Country-Sänger, ausgerechnet in der Klinik arbeitet, in die Paltrow eingewiesen wird.
Fazit: Trotz offensichtlichen Drehbuch-Schwächen gelingt es den Schauspielern, ihre Charaktere glaubhaft zu verkörpern. Zusammen mit erstklassiger Country Music und der mitreißenden, von Herzen kommenden schauspielerischen und musikalischen Leistung ist es diese Verletzlichkeit der Protagonisten, die "Country Strong" durchaus sehenswert macht.