Irgendwie ein Jubiläum - New Country und sein bedeutungsvoller Einfluss auf die (deutsche) Musikgeschichte

New Country

Wann genau die Epoche nun einzuordnen ist, darüber lässt sich fachsimpeln. Irgendwann Mitte/Ende der 1980er Jahre jedenfalls trug es sich zu, dass sich die Musikelemente des Pop und Rock vor allem in Nashville mehr und mehr mit Country Music vermischten. Die so genannten Neo-Traditionalisten schufen einen Sound, der, warum auch immer, als New Country definiert wurde. Wenn man den Beginn nun einfach mal grob mit Anfang der 1990er Jahre setzt, könnte man sagen, dass dies nun ein viertel Jahrhundert zurück liegt und somit doch mal einen kleinen Rückblick wert ist. Immerhin "entsprangen" diesem Stück Musikgeschichte einige fast schon legendäre Künstler, deren Einfluss bis heute unschätzbar wertvoll ist.

Garth Brooks

Garth Brooks

Würde man den "Normalmusikhörer" auf der Straße befragen, er solle einen Country-Sänger aus jener Zeit benennen, würde ihm höchstwahrscheinlich zumindest einfallen. Der Entertainer war und ist auch über seine Musik-Kategorie hinaus einfach eine Lichtgestalt des Unterhaltungsbusiness. Dass er 1994 als erster der "ganz großen” US-Künstler jener Generation auf Deutschland-Tour kam und dabei Arenen füllte, die man nach der Jahrtausendwende anscheinend keinem Country-Künstler mehr zutraut, erhöhte seinen Bekanntheits- und Beliebtheitsfaktor hierzulande natürlich um ein Vielfaches, da viele die Chance wahrnahmen, einmal das Flair eines "echten" Country-Konzertes dieses Formats zu erleben. Zudem lief das Video von "The Thunder Rolls" sogar in der damals vor allem bei Jugendlichen beliebten Fernseh-Sendung "Formel Eins". Dass er später eine jahrelange Schaffenspause einlegte, schienen seine Fans größtenteils hinzunehmen. Zumindest war das Comeback im vergangenen Jahr, was die Verkaufszahlen des entsprechenden Albums betraf, doch recht vielversprechend. Wie es bei einer künftigen Live-Tour in Deutschland aussehen würde, so es denn jemals wieder eine geben wird, bleibt spannend.

Randy Travis

Randy travis

Einer der charismatischsten Sänger überhaupt ist auf jeden Fall der im Laufe seiner Karriere mit unzähligen Awards ausgezeichnete . Auch wenn seine Hochzeit in den 1990ern eher schon leicht abflachte, blieb er fester und wesentlicher Bestandteil der traditionellen Sparte. Paul Overstreet schrieb für ihn einen der Klassiker dieser Ära: "Forever And Ever, Amen". Nach einem schweren Schlaganfall vor zwei Jahren erholt sich Randy Travis nun langsam wieder.

Tracy Lawrence

Tracy Lawrence

"Time Marches On", "Texas Tornado" und natürlich "Sticks And Stones" - diese wunderschönen Songs bescherte dieser Mann dem New Country, der nie den Anspruch erhob, wie Garth Brooks auf der Bühne "die Sau rauszulassen" oder den Grad der Normalität in hohem Maß zu überschreiten. macht bis heute schlichtweg "nur" Musik, die den Nerv der Zeit und bei den Menschen ins Herz trifft. Wenn wir die Probleme der Welt einfach auf der Veranda ausdiskutieren könnten, wäre alles so viel einfacher... so in etwa sang er damals in "If The World Had A Front Porch". Irgendwie war auch alles ein bisschen leichter in dieser Zeit, als nicht nur er einen VoKuHiLa trug.

Alan Jackson

Alan Jackson

Auch er war ein gnadenloser Vertreter dieser Frisurenform und vor allem des Oberlippenbarts: . Niemand anders sah in zerrissenen Jeans je so sexy aus. Schlagartig 1990 erhielt er von der ACM (Academy of Country Music Awards) die Auszeichnung Top New Male Vocalist und ist somit quasi einer der Vorreiter der New Country-Epoche. Dass er seither zu den erfolgreichsten Entertainern überhaupt gehört, muss nicht erwähnt werden, wobei er an seinem Stil musikalisch bis auf wenige experimentelle Ausreißer nichts verändert hat. Auch modisch dauerte es doch äußerst lang, bis er sich vom Oberlippenbart verabschieden konnte und die Haare etwas kürzer wurden.

Die anderen Sanften

Man merkt schon, Rebellentum war in dieser Epoche nur sehr latent, aber durchaus vorhanden. Mit gezielt aktivierten Botschaften der Toleranz, das soziale Denken anstoßend und doch immer wieder den Patriotismus verkündend, war diese Zeit der Beginn für Künstler wie , , Joe Diffie, Steve Wariner oder Clint Black. Die Struktur ihrer Musik war klar ausgerichtet in fülligem Klang und das anschauliche Vorleben der Lebensweise, die ein wenig rau sein durfte, aber bitte immer auf dem edlen Weg bleiben sollte. Den Grundsatz durchbrach ein ganz kleines bisschen dann Tim McGraw, der jedoch zusammen mit seiner Gattin Faith Hill wiederum in schmachtenden Duetten immer wieder zurück zum Klischee kehrte. Diese kitschige Phase scheint er inzwischen ja hinter sich gelassen zu haben.

Aussagekräftige Bands

Nicht nur die Solisten, auch ganze Formationen prägten den Musikstil mit ihren Aussagen. Die Lieder von Restless Heart, wie "The Bluest Eyes In Texas" oder "A Tender Lie" fanden sich ebenfalls in den Contemporary-Charts wieder. Sie waren einfach hörbar und erreichten das Wohlgefühl. Eher typischer Country-Sound dagegen kam von (Terry) McBride & The Ride. Brodelnde Pedal Steel, wie in "Trick Rider" oder sphärischer Klang wie in "Amarillo Sky", das später von Jason Aldean gecovert wurde.

Lonestar hatten ihren ersten No. 1-Hit mit der Single "No News" im Jahr 1996 aus ihrem Debüt-Album. Damals gehörte der Band noch John Rich an, der die Band zwei Jahre darauf verließ und später das Duo Big & Rich gründete.

Eins der erfolgreichsten Duos der Country Music überhaupt waren Brooks & Dunn. 1990 stieg ihre erste Single "Brand New Man" gleich auf Platz 1 der Country-Charts ein, das gleichnamige Album wurde gleich mit dreifachem Platin ausgezeichnet. Fast alle Songs darauf und auf allen folgenden wurden von Kix Brooks und Ronnie Dunn selbst geschrieben. Die beiden bescherten der Welt bis zu ihrer offiziellen Trennung im Jahr 2009 so herrliche Lieder wie "Neon Moon", "Lost And Found" oder einen ihrer größten Hits "Boot Scootin' Boogie".

Die "Exoten" unter den Bands waren sicher The Pirates of The Mississippi. Nur sechs Alben und im Grunde wenig kommerzieller Erfolg, jedoch ein Hit, der Geschichte schrieb. "Feed Jake". Was Anfang der 1990er noch unvorstellbar war - offen über Themen wie Schwulsein zu sprechen - dagegen widersetzten sie sich, verbalisierten es in Texten wie "Anything Goes" und lösten unterbewusste Konflikte. Dass es in "Feed Jake" weniger um den Hund als um die innere Zerrissenheit des Jungen geht, ist so subtil und derart voller Schönheit, wie wir es wohl nur in Country Songs für die Ewigkeit finden.

Line Dance

Das gesunde Gleichgewicht muss auch in der Country-Welt gewährleistet sein. Vielleicht ein Grund, weshalb Bands mit geistig anspruchsvollen Texten kurzlebiger waren, während sich ein anderer Trend der damaligen Zeit bis heute beharrlich auch hierzulande hält. Als Billy Ray Cyrus 1992 den im Original von den Marcy Brothers stammenden Titel "Achy Breaky Heart" aufnahm und es dazu einen passenden Line Dance gab, der einigermaßen simpel zu erlernen war, brach eine Epidemie aus, deren symptomatischer Verlauf bis dato nicht abzusehen war. Plötzlich war der Tanz aus den Dance Halls der Cowboys auch den Europäern zugängig und wurde zum Massenphänomen. Line Dance wird sogar literarisch von Franz Dobler in seinem Buch "Auf des toten Mannes Kiste" verarbeitet. Darin schreibt er: "... Line Dancer sind in Texas in vielen Lokalen unerwünscht. Der echte Texaner findet das blöd, der echte Texaner schnappt sich'n Mädel und tanzt richtig. Eine Bar ist kein Gym und Tanzen kein Sport."

Das musikalische Erbe

Ohne Zweifel sind die Anker vieler heutiger Stars und Sternchen der Country Music in der Ära des New Country gesetzt. Einige von ihnen, die damals hell schienen (wobei die hier genannten selbstverständlich bei weitem nicht die einzigen sind!), sind mittlerweile auch wieder verblasst oder gar untergegangen. Die Weisheit jener Zeit jedoch hat uns einiges mitgegeben, die ein oder andere sinnvolle Handlungs- und Denkmöglichkeit, zumindest für die Generation, die sie bewusst erlebt hat. Die Sichtweise der Welt hat sich immer verändert und wird es immer tun und genauso werden sich die Lieder mit ihr wandeln, und die Texte, die diese Vorgänge beschreiben. Wir können die ewigen Kritiker sein und unsere Energie damit vergeuden, zu diskutieren, ob es früher oder heute die "bessere" oder "echtere" Country Music gab. Oder aber wir nehmen uns etwas mit aus den Worten der Pirates of The Mississippi "... Nobody knows all the answers, everybody walks a different road - so live and let live, anything goes!"

Wenn Sie weitere schöne Erlebnisse oder Erinnerungen an Ihren Lieblingskünstler aus der New Country Generation haben, schreiben Sie diese doch einfach in unser Kommentarfeld (unten) und lassen Sie die Leser unserer Seite daran teilhaben.

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