Das Kennedy-Zentrum ehrt Leben und Musik von George Jones

Kennedy Center Honors 2008Mit einem regenbogenfarbenen Band um den Hals, das seine Position als Kennedy-Preisträger zeigt, hielt George Jones am Sonntagabend für einen Augenblick inne.

Er stand auf dem surrealsten roten Teppich in Amerika - vorher hatten bereits andere Persönlichkeiten auf diesem Teppich ihre Fußspuren hinterlassen: die ehemaligen Sprecher des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi und Newt Gingrich, die ehemalige Wonder Woman - Darstellerin Lynda Carter und der R&B Musiker mit dem Künstlernamen Ne-Yo  - und er dachte wohl über ein Wochenende nach, welches er mit Größen aus Washington und den anderen Preisträgern verbracht hatte: Morgan Freeman, Barbara Streisand, Twyla Tharp und Pete Townshend sowie Roger Daltrey von "The Who".

"Wir haben einige tolle Leute kennengelernt, und sie kommen uns jetzt schon wie alte Freunde vor." sagte Jones, der mit 77 Jahren von Vielen als der Sänger mit der besten Stimme in der Geschichte der Countrymusic angesehen wird. "Wir haben Aretha Franklin getroffen, und sie ist wirklich nett. Und Barbara Streisand, sie ist sehr unkompliziert. James Brolin, Barbaras Mann, ist so countrymäßig wie man es nur sein kann. Was ich meine ist: Er liebt Countrymusic. Ich bin sehr überrascht, dass so viele von Ihnen mit meinem Werk vertraut sind."

Jones Frau Nancy erklärte dann, wie sie zuhause über Weihnachten die Peitsche schwingen wird, um zu verhindern, dass Jones all die lobenden Worte, die ihm in Washington anlässlich der wichtigsten Preisverleihung für Künstler in den USA gegolten haben, zu sehr und dauerhaft zu Kopf steigen werden.

Caroline Kennedy pries seine "tränengetränkte Stimme voll rauher Emotionen." Laura Bush eröffnete den Teil der Preisverleihung, der Jones gewidmet war, indem sie sagte, dass sie und ihr Mann "nur wenige Dinge gehört haben, die lieblicher waren als die Stimme von George Jones. Diese Stimme ist ein schönes Geschenk an die Welt." Lily Tomlin bekannte sich als Fan, Alan Jackson nannte Jones "die letzte große Stimme der wahren Countrymusic" und Randy Travis sagte: "George hat wahrscheinlich mehr Country-Künstler beeinflusst als irgendjemand anders in diesem Geschäft es je getan hat oder noch tun wird."

Jones' offizielle Ehrung enthielt Versionen seiner Lieder von Randy Travis, Garth Brooks, Alan Jackson und Brad Paisley sowie eine rührende Version von "Amazing Grace", vorgetragen von Shelby Lynne, die Jones unter seine Fittiche nahm, als sie noch ein Teenager war. Dieser Gospel-Song war ein Hinweis auf Jones' Liebe zu religiöser Musik und zu seiner eigenen Lebensgeschichte, die viele Schwindel auf dem Weg zur späten Befreiung vom Alkoholismus enthielt. 

Vor dreißig Jahren wäre Jones vor der Vorstellung zurückgeschreckt, in steifer Kleidung, unter Kronleuchtern, die wie der strassbesetzte Manuel-Anzug eines Riesen glitzern, zwischen einem Präsidenten und einem Filmstar zu sitzen. All dies wäre mehr als genug gewesen, um Jones einen Grund zu geben, sich den Schädel voll zu dröhnen, wieder mal ein Flugzeug zu verpassen und den Leuten einen neuen Grund zu liefern, ihn "No Show Jones" zu nennen, anstatt den respektvolleren Spitznamen "Possum" zu benutzen.

Irgendwie schaffte es Jones jedoch den ganzen Abend über perfekt, den Eindruck zu vermitteln, am richtigen Ort zu sein. Nachdem Botschafter, Senatoren, Staatsmänner und Prominente ersten Ranges ihren Platz eingenommen hatten, spielte die Musikanlage Streisands elegante Version von "Somewhere" sowie das beinahe opernhafte "Love, Reign O'er me" von "The Who" und dann kam Klaviergeklimper, ein Honky-Tonk-Takt und es war eine Stimme aus dem "Bible Belt" zu vernehmen, die in der Politikszene Washingtons zu Hause zu sein schien: "In North Carolina, way back in the hills / Lived my old pappy and he had him a still" begann die Aufnahme von Jones' "White Lightning".
 
Das offizielle Programm begann mit einer Willkommensrede der Gastgeberin Kennedy und dem Video einer Zeremonie, die am Sonntagnachmittag im Weißen Haus stattgefunden hatte. Bei diesem Treffen traf die unverblümte Bushkritikerin Streisand zum ersten Mal den scheidenden Präsidenten, und ihr Wangenkuss war sicherlich der unangenehmste Filmkuss ihrer Karriere: Das offensichtlich rezessionssichere Publikum der Kennedy-Preisverleihung - einige der 2.300 Gäste hatten bis zu 4.000 Dollar für die Karten ausgegeben - musste über die Aufzeichnung lachen. Jones und Bush scheuten die komödiantischen Möglichkeiten einer solchen Szene und entschieden sich für einen Handschlag.

Dann begannen die Ehrungen. Denzel Washington und Clint Eastwood sprachen über den aus Tennessee stammenden Freeman, der sich an den Blues-Stücken erfreute, die von dem achtzigjährigen Koko Taylor, dem 93jährigen Honeyboy Edwards und dem 95jährigen Pinetop Perkins sowie dem 83jährigen B.B. King vorgetragen wurden. Daltreys und Townshends Segment folgte im Anschluss. Es enthielt Musik von Dave Grohl, Bettye LaVette, Rob Thomas und Chris Cornell sowie eine tobende Einführung vom Schauspieler Jack Black, der The Who für ihre kraftvollen, unvergleichbaren Songs lobte.

Der Teil des Abends, der der Tänzerin und Choreografin Twyla Tharp gewidmet war, enthielt komplizierte, fließende Bewegungen, die in keinster Weise an die Darbietungen erinnerten, dass Jones schon tausendmal von Tanzgruppen wie den Melvin Sloan Dancers in der Grand Ole Opry - Radioshow gesehen hatte. An dem Teil des Abends, der Barbara Streisand gewidmet war, beteiligten sich große Stars - Beyonce, Glenn Close und Queen Latifah. 

Jones' großer Augenblick kam nach der Pause, vor der Ehrung von Barbara Streisand, die die Gala beendete. Präsident Bush, der vorher während der Rede der Kennedy geistesabwesend durch einen Souvenirkalender geblättert hatte, erschien energiegeladen und enthusiastisch, als Jones an der Reihe war:

Er bewegte, während Brooks sang, seinen Mund nach dem Text von "The Race is On" und klopfte Jones mehrfach gutgelaunt auf die Schulter.

Laura Bush sprach mehrere Minuten lang über das Vermächtnis von George Jones und seiner "einzigartigen Stimme". Dann zeigte ein Video die künstlerischen Höhepunkte und persönlichen Kämpfe in Jones' Leben.

"Wir feiern sein Leben", sagte George Stevens, Jr., Produzent der Kennedy-Preisverleihung, während einer Probe. "Und so wollen wir zuerst seine Lebensgeschichte erzählen, und zwar mit einer gewissen Anmut."

Paisley sang und spielte eine Version von Jones' Hit "Bartender Blues" und Travis begann seine Version von "One Woman Man" mit der Ansage: "Der Herrgott schuf nur einen George Jones... Er dachte sich wahrscheinlich: 'Einer reicht. Es ist wohl besser, jetzt aufzuhören.'"

Jones schien von Jackson zurückhaltendem, respektvollem "He stopped Loving Her Today" hingerissen gewesen zu sein, und Brooks trug vor, was das Drehbuch als "The Possum Medley" beschrieb: "White Lightning", "The Grand Tour" und "The Race is On".
 
Lynnes "Amazing Grace" schloss die Ehrung des "Possums" ab, und teure Kleider erhoben sich von den 4.000 Dollar-Sitzplätzen, als Jones eine Standing Ovation erhielt, ohne dass er auch nur einen Ton hätte singen müssen. Er lächelte und winkte zur Präsidentenloge hin. Er wirkte plötzlich so majestätisch und unkompliziert wie ... seine neue Freundin Barbara Streisand.

George Jones war 700 Meilen von zu Hause weg und weit entfernt von den vielen Gefahren, Mühen und Fallen.

vgw
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