Wer so eine Biografie aufzuweisen hat, kann kein Normalo sein. Nein, nicht mal nur "leicht abgedreht". So einer muss schon einfach extrem in eine bestimmte Richtung steuern - in eine Richtung, die vom Mainstream ungefähr so weit entfernt ist, wie der Merkur von der Sonne. So verwundert es auch nicht, dass Todd Snider mit seinem 1994 veröffentlichten, immerhin von Hit-Nase Tony Brown und Michael Utley produzierten Debüt "Talkin' Seattle Grunge Rock Blues" einen netten Erfolg landen konnte - dass ihm aber sowohl mit dieser, als auch mit den nachfolgenden Alben der große Wurf verwehrt blieb.
Daran wird wohl auch das neue, elf Songs starke Album "The Devil You Know" nichts ändern. Allein: Seine schon heute nicht gerade kleine Fangemeinde wird weiter wachsen und wachsen. Jede Wette, denn der Mann ist einfach eine Marke. Und er hat neben seinen skurrilen Texten und Song-Ideen auch einen gesegneten Humor. Eine nicht zu unterschätzende Tugend. Schließlich sagte mal Gevatter Keith Richards, dass Humor die stärkste Waffe des Rock 'n' Roll sei, und Bob Dylan konnte dies lange Zeit mit vielen Alben auch beweisen. Diese Tradition setzt der amerikanische Schlawiner auch mit seinem siebten Album fort.
Mit Stones-Gitarrist Richards und Bob Dylan verbindet Snider aber nicht nur der gepflegte Umgang mit dem angeborenen Mutterwitz. Der ruhe- und rastlose Individualist nimmt bei der CD auch musikalisch den Faden der beiden Legenden auf. Bei "Looking For A Job" und dem wild hämmernden Titeltrack erinnert der Sänger und Songschreiber an die dienstälteste Rockband der Welt, während ihrer "Sticky Fingers"-Phase in den 70er Jahren. Ein Kompliment? Aber freilich! Und auch der Vergleich mit dem vielleicht größten Songschreiber der Pop-Geschichte - Bob Dylan - kann nur als großes Lob gemeint sein: "Just Like Old Times" wandelt auf den Spuren Dylans, genau wie "You Got Away With It (A Tale of Two Fraternity Brothers)" und das finale "Happy New Year".
Wobei Todd Snider und Mannen - darunter langjährige Wegbegleiter seiner "Nervous Wrecks"-Band wie Gitarrist Will Kimbrough - ihre eigene Auffassung von Folk-Musik haben: sperriger, schräger, lauter. Aber auch, und das wird die Leser dieser Website freuen, ab und an mit Country-Touch versehen. So lässt so manche Passage in den leiseren, hintergründigeren Liedern an Lyle Lovett denken. Genau wie der Country-Star mit der Pudelfrisur brilliert auch Snider mit Wortwitz und unkonventionellen Themen. Beide werden sie in ihrer Musik auch politisch - ohne politische Songs zu verfassen. Jede Wette, die beiden würden sich prima miteinander verstehen. Noch ein Kompliment ...
Fazit: Ein munterer Mix aus Folk, Alternative-Rock, Country-Touch und Singer/Songwriter-Tradition. Frech, temperamentvoll, abwechslungsreich - und mit hintergründig witzigen Texten.Label: New Door (Universal) | VÖ: 8. August 2006 |
Titelliste
Links
01 | If Tomorrow Never Comes | 07 | Thin Wild Mercury |
02 | Looking For A Job | 08 | The Devil You Know |
03 | Just Like Old Times | 09 | Unbreakable |
04 | Carla | 10 | All That Matters |
05 | You Got Away With It (A Tale Of Two Fraternity Brothers) | 11 | Happy New Year |
06 | The Highland Street Incident |