Garth Brooks - Man Against Machine

CD Cover: Garth Brooks - Man Against Machine

Er ist zurück. Der Messias des Country, die Lichtgestalt, der Abräumer, der Megastar, der Rekordhalter in allen Verkaufswettbewerben. Für die Gemeinde heißt das: Ostern und Weihnachten gleichzeitig: Garth Brooks präsentiert nach mehr als einer Dekade Vorruhestand wieder ein Studio-Album mit neuen Songs. Hosianna!

Spannung und Erwartungshaltung hätten also nicht größer sein können. Ein anderer würde unter dem Druck vielleicht feuchte Hände bekommen. Garth Brooks aber posiert auf dem Album von "Man Against Machine" saucool mit schwarzem Stetson, böser dunkler Brille, HipHop-Kinnbärtchen, Kette und muskulös verschränkten Armen. Druck? Ich? Harhar...

Man kann sich ja in etwa vorstellen, wie lang und intensiv über das Album diskutiert wurde. Wer produziert es? Mark Miller. Wie legen wir es stilistisch an? Gemischt. Wie steigen wir ein? Nun ja, was soll man sagen. Dem Opener kommt natürlich eine entscheidende Bedeutung zu. Es ist ja fast wie ein Erstkontakt mit einem neuen Künstler. Andererseits werden die vielen treuen Garth-Brooks-Fans ihre ureigenen Erwartungen an das neue Album hegen. Erfüllen oder überraschen

Garth Brooks entschied sich eindeutig für die zweite Option. Mit dem Opener und gleichzeitig Titeltrack macht er gleich mal deutlich, dass hier ein anderer Garth Brooks die Bildfläche betritt, als der, der sich 2001 nach "Scarecrow" zu einem guten Dutzend Sabbatjahre entschloss. Der Song verwirrt, gibt Rätsel auf. "Man Against Machine" erweist sich als ein über fünfminütiges Werk, ohne Zugeständnisse im Rock angelegt. Nach einem verspielten, bedeutungsschwangeren und mit Akustikgitarren ausgemaltem Intro geht es ans Eingemachte: donnernde Drums, dröhnende Orgeln, sägende Gitarren. Nach vier Minuten kommt wieder das Intro, man denkt: OK, das war's. So also klingt die Rückmeldung des Meisters. Da geht der Song in die nächste Runde, wieder volle Pulle. Wer noch das rabiate "Truck Yeah" von Tim McGraw im Ohr hat, bekommt eine Soundvorstellung von dem Song. Doch die bange Frage lautet: Ist etwa nicht Garth Brooks zurückgekommen, sondern sein Alter Ego, der Rocker Chris Gaines, mit dem er schon 1999 zu verwirren wusste?

Die nächsten Songs geben die Antwort. Nicht klar, nicht eindeutig, sondern häppchen- und songweise. Nach dem ganz nach 80er-Rock und sanften Aerosmith klingendem "She's Tired of Boys" - mit dezenten Country-Anklängen - und dem raukehligen, Geigen verstärkte Bombast-Rock von "Cold Like That" kommt der erhoffte Schwenk in Richtung Country-Gefilde: Das von Craig Campbell, Brice Long und Terry McBride geschriebene "All American Kid" - ein richtig guter Country-Song à la Garth Brooks. Ein Lichtblick! Aber vielleicht nur ein stilistischer Ausrutscher, ein einziges Zugeständnis an seine Country-Fans, eine Ein-CD-Fliege? Nein, liebe Freunde des gepflegten Country-Sounds, ganz im Gegenteil. Je länger der Silberling im CD-Player rotiert, desto mehr Country, desto mehr, sagen wir mal, alter Garth Brooks, kommt zu Gehör. Mehr noch: Das an seinen Klassiker "What She's Doing Now" erinnernde "Mom", der kreuzfidele Western-Swing von "Rodeo And Juliet" (klasse Wortspiel), das ruhige, luftig-romantische "Midnight Train" und die im langsamen Walzertakt angelegte Ballade "Cowboys Forever" (komponiert u.a. von Dean Dillon) machen deutlich, warum Garth Brooks einst allen Grenzen und Rekorde sprengte: keiner singt so wie er. Niemand kann so viel Wärme und gleichzeitig Entschlossenheit in seine Songs legen, wie der pummelige Superstar aus Oklahoma. Wenn dann noch eine Pedal-Steel Guitar zu schluchzen beginnt, weiß man wieder, warum man Country liebt.

Warum man sich entschloss, ausgerechnet das recht banal rockende, mit recht belanglosen Harmonien ausgestattete "People Loving People" als erste Single auszukoppeln, werden wohl nur die pfiffigen A&R-Manager von Sony wissen. Alles andere als eine weise Entscheidung. Nicht nur, weil der Song dem Album nicht gerecht wird. Auch weil die Single - für Brooks-Verhältnisse - arg Schiffbruch erlitt: lediglich Platz 25 in den US Country-Charts. Ein glatter Flop.

Besser in der Käufergunst hätten bestimmt andere Songs abgeschnitten: die herrliche Gänsehaut-Ballade "Send 'Em On Down The Road" (von Marc Beeson), das an George Strait erinnernde "Fish", die lässig vorgetragene, mit originellen Harmonie-Wendungen verzierte Power-Ballade "You Wreck Me" oder als letzter Song und dennoch nicht zuletzt: "Tacoma". Songwriter-Ass Bob DiPiero und die junge, talentierte Caitlyn Smith schrieben diesen herrlichen, im Dreivierteltakt angesiedelten Gospel-Blues. Der letzte Song ist vielleicht sogar der Beste der CD. Man möchte ihn sofort wieder hören. Brooks at his best!

Fazit: Nach verstörendem Beginn besinnt sich der Country-Weltmeister dann doch noch auf seine Tugenden und Roots – je länger die CD läuft, desto besser wird sie. Kurz: eine letztendlich doch noch starke Rückmeldung.

Label: Pearl / RCA Nashville (Sony) VÖ: 14. November 2014

  • Titelliste

01 Man Against Machine 08 Midnight Train
02 She's Tired of Boys 09 Cowboys Forever
03 Cold Like That 10 People Loving People
04 All-American Kid 11 Send 'Em On Down The Road
05 Mom 12 Fish
06 Wrong About You 13 You Wreck Me
07 Rodeo And Juliet 14 Tacoma

vgw
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