"I'll Never Get Out of This World Alive" ist nicht nur ein weiteres starkes Album von dem bekennenden Sozialisten - es ist ein Meisterwerk. Ein - inklusive Artwork und Booklet - echtes Gesamtkunstwerk. Gemalt natürlich mit feinem Pinselstrich. Dickes, effekthascherisches Auftragen war schließlich nie die Sache des mehrfachen Grammy-Gewinners und gepriesenen Songautoren.
Wie hoch der Sound-, Song- und Arrangement-Standard dieser CD ist, verdeutlicht schon mal Produzent T Bone Burnett. Der kauzige Typ mit Seitenscheitel und Sonnenbrille avanciert im Country-Lager gerade zu einem Gütesiegel für hochkarätige, abseits vom geschleckten Mainstream angesiedelte Produktionen. Mit "I'll Never Get Out of This World Alive" unterstreicht er diesen Status. Erneut gelingt es dem pfiffigen Gitarren- und Mischpult-Virtuosen einen gleichermaßen traditionellen wie modernen Klang zu erzeugen. Dabei setzt Burnett stets mehr auf Kreativität und Charisma des Künstlers als - wie leider viele seiner Kollegen - auf eine Materialschlacht im Studio. Wie weit Burnett und Earle davon entfernt sind, zeigen vor allem die ganz im Americana/Blues/Bluegrass verankerten Tracks wie das magische "Molly-O". Ein in seiner Schlichtheit unglaublich magisch anmutendener Roots-Song. Gleiches gilt für "Meet Me In The Alleyway" - ein rumpelnder, pochender, hypnotisch um eine Harp-Linie kreisender Blues, mit einem fantastisch intonierenden Steve Earle. Ganz große Klasse!
Dass Steve Earle mit den größten Barden der Musikgeschichte - Bob Dylan, Neil Young, Bruce Springsteen - auf Augenhöhe ist, macht er in "Every Part of Me" deutlich. Ein spartanischer Akustik-Folk. Und ein leidenschaftlich ehrliches Liebeslied - vermutlich Country-Sängerin Allison Moorer gewidmet, die er gleich zwei Mal geheiratet hat (fünf weitere geschiedene Ehen gehen auch noch auf sein Konto). Mit seiner Gattin teilt er sich in "Heaven or Hell" das Mikrofon um ein bisschen aus dem Nähkästchen dieser Künstler-Ehe zu plaudern. Sehr erhellend!
Wie sehr Steve Earle nach den wilden Jahren seiner Jugend mittlerweile in sich ruht, wird aber am ehesten in den schon fast konventionellen Country-Songs deutlich. In "Every Part of Me" zum Beispiel, oder in dem - Johnny Cash lässt grüßen - keinesfalls ironisch gemeinten "God Is God". Größtes Hitpotential der CD hat aber eindeutig der Opener "Waitin' On The Sky". Wer sich J.J. Cale und Tom Petty vorstellen kann, wie die beiden in einem Bierzelt einen launigen Cajun schrammeln, bekommt von dieser dreineinhalbminütigen Gute-Laune-Dosis eine vage Vorstellung.
Neben einer kleinen und feinen Musikerriege um Earle, Burnett, Greg Leisz (Pedal Steel) und Sara Watkins (Fiddle) steuert New Orleans-Legende Allen Toussaint gelegentliche Horn-Arrangements bei. Das Tüpfelchen auf dem i.
Fazit: Ein Meisterwerk und Gesamtkunstwerk. Steve Earle auf der Höhe seiner Kunst. In der Limited Edition inklusive DVD mit aufschlussreichem "Making Of".
Label: New West (Soulfood) | VÖ: 29. April 2011 |
Titelliste
01 | Waitin' On The Sky | 07 | Every Part of Me |
02 | Little Emperor | 08 | Lonely Are The Gree |
03 | The Gulf of Mexico | 09 | Heaven or Hell (mit Allison Moorer) |
04 | Molly-O | 10 | I Am Wanderer |
05 | God is God | 11 | This City |
06 | Meet Me In The Alleyway |