Steve Earle hat beides drauf: laut und leise. Mit dem Mitschnitt des in 2005 im Stravinsky Auditorium in Montreux aufgezeichneten Konzert, schlägt der in Virginia geborene und in Texas aufgewachsene Singer/Songwriter letztere, leise Töne an. Den politischen Lautsprecher gibt er aber trotzdem. Ehrensache bei einem wie ihn.
Vielleicht passt das Folk- und Protestambiente, bestehend aus Sänger, Akustikgitarre bzw. Banjo und Harp ohnehin besser zur unter das Volk zu bringenden Message. Und davon gibt es bei Steve Earle seit seinen musikalischen Anfängen ja jede Menge.So richtig giftig ist der Kritiker und Kollegen-Liebling allerdings erst seit der Präsidentschaft von George W. Bush. Seitdem lässt Steve Earle keine Gelegenheit aus, um seine Meinung über den ersten Mann der USA Kund zu tun. In Amerika erntet er dafür häufig Kritik, in Europa ist ihm allerdings der Applaus dafür sicher. Doch nicht nur deshalb hat der Mann, der harte Zeiten als Drogensüchtiger und bei Gefängnisaufenthalten überstehen musste, ein Faible für Europa. "In Europa habe ich eine feste Fangemeinde und einen steten Erfolg. In Amerika dreht sich alles um das Radio, und das ist schrecklich formatiert. Selbst in den Plattenläden wissen sie nicht, in welcher Rubrik sie meine Scheiben anbieten sollen."
Ist bei ihm ja auch keine so klare Sache. Auch wenn nahezu unzählige Country-Künstler seine Songs interpretieren, ist er kein typischer Nashville-Act. Er verströmt in einem Song zwar die gleiche Melancholie wie Willie Nelson - um im nächsten Track an die Sauf-Punker The Pogues zu erinnern; mal serviert er nachdenkliche Töne á la John Prine, Jimmie Dale Gilmore oder Neil Young - dann zitiert er Einflüsse von Bruce Springsteen, Bob Dylan oder den Rolling Stones. Die Schublade in die Steve Earle passt, muss erst noch geschnitzt werden.
Bei dem Mitschnitt in dem ehrwürdigen Konzertsaal im piekfeinen Montreux gibt er allerdings eine homogene Folk- und Protest-Sänger-Performance ab. Klaro, schließlich ist es eine akustische One-Man-Show, da ist kaum andere Musik drin. Dennoch gelingt es der singenden Antwort auf Michael Moore mit wenigen Mitteln ein Höchstmaß an Spannung und Intensität zu erzeugen. Warum? Weil er als Sänger und Performer einfache eine feste Größe ist. So schafft er es scheinbar mühelos, die Chemie der Songs - auch der härteren Gangart -auch in dieser minimalistischen Besetzung zum Grooven und Rocken zu bringen. Der wütende Protest von "The Revolution Starts Now", die Irak-Anklage "Warrior", das erschütternde, biografische "CCKMP" (Cocaine Cannot Kill My Pain), das viel gepriesene "Ellis Unit One" aus dem Soundtrack "Dead Man Walking", oder das nicht als Liebeserklärung an die amerikanische Aussenministerin Condoleezza Rice gemeinte "Condi Condi". Und das Publikum klebt während der Performance an seinen Lippen, ist so andächtig wie bei eine Papst-Audienz. Nach zwei Zugaben ("Copperhead Road", "Christmas In Washington") ist aber auch diese Show zu Ende. Es war eine gute Show, eine verdammt gute sogar
Fazit: Der Bruce Springsteen der Countrymusic nur mit Gitarre und Harp -und in top Form. Ein leiser, aber eindringlicher Konzertmitschnitt des unbequemen Songschreibers.
Label: Eagle Rock (edel) |
VÖ: 7. Juli 2006 |
01 |
Jerusalem |
08 |
Dixieland |
02 |
What's a Simple Man to Do |
09 |
Ellis Unit One |
03 |
The Devil's Right Hand |
10 |
Condi Condi |
04 |
Warrior |
11 |
The Mountain |
05 |
Rich Man's War |
12 |
The Revolution Starts Now |
06 |
South Nashville Blues |
13 |
Copperhead Road |
07 |
CCKMP |
14 |
Christmas in Washington |