Allerdings, und das zeichnet ihn aus, nicht mit plumpem Ranwanzen an country-ferne Musikfreunde, sondern mit authentischem, grundehrlichen Country-Rock. Ein Sound, der auch sein neues Album "Famous Friends" auszeichnet.
Auf Hit gepolt: Chris Young
Country liegt dem Mann aus Murfreesboro, Tennessee, im Blut. Schließlich trat schon sein Großvater in der populären Country-Show "Louisiana Hayride" auf. Und Chris Young trat schon früh in dessen Cowboyboots-Fußstapfen, als er noch während der High-School in den Clubs rund um Nashville gastierte und dabei selbstproduzierte Alben verhökerte. Wie musikverrückt der 1985 geborene Sänger und Songschreiber ist, zeigt sich auch darin, dass er es während seines Studiums in Nashville auf 150 Auftritte brachte. So nebenher, versteht sich.
Als er 2006 die Castingshow "Nashville Star" für sich entscheiden konnte, kam seine Karriere in die Gänge. Und zwar mit Vollgas. Von seinen bisher erschienenen sieben Alben (inklusive Weihnachtsalbum) landeten sechs davon in den Top drei und seine letzten zwei offiziellen Studio-Alben - "Losing Sleep" (2017) und "I'm Comin' Over" (2015) - schafften es jeweils auf Platz eins, plus: satte elf Nummer-eins-Singles. Noch fast imposanter lesen sich seine Streaming-Zahlen: angeblich bringt es Chris Young auf nahezu fünf Milliarden Streams.
Entsprechend hoch dürften jetzt die Erwartungen an "Famous Friends" sein. Für das mit 14 Songs üppig bestückte Werk hat er sich die Dienste der besten Songwriter, Musiker und Background-Sängerinnen und -Sänger (wie Sarah Buxton, Hillary Lindsey und Shay Mooney) gesichert. Für die Produktion sorgen - neben Chris Young - Corey Crowder, Chris DeStefano und Mark Holman. Tja, besonders viel da nicht mehr schief gehen - und das tut es auch nicht. Angefangen vom super-wuchtigen, mit einem klassischen Rock 'n' Roll-Riff versehenen Opener "Raised on Country" bis hin zum herrlich romantischen "Tonight We're Dancing" zieht Young alle Register des soliden, modernen Country-Sounds. Nicht überladen. Nicht zu viel des Guten. Trotzdem aber modern klingend und dabei gleichzeitig an die Roots erinnernd.
Natürlich kann Chris Young beides. Er macht als strammer Rocker eine genauso gute Figur, wie als gefühlvoller oder nachdenklicher Balladen-Sänger. In welcher Gefühlslage er mehr zu Hause ist, lässt sich auch nach den 14 Tracks von "Famous Friends" nicht eindeutig sagen. Dafür aber, wonach ihm - zumindest hier und heute - mehr zu Mute ist: nach ruhigen und emotionalen Klängen und Songs. Tracks in Moll bei niederer Drehzahl machen eindeutig das Übergewicht seiner Comeback-CD aus. Ein Schaden ist das nicht. Im Gegenteil. Denn kaum ein Sänger in Nashville kann glaubwürdiger von Herz und Schmerz berichten, als der wuchtige Typ aus Tennessee.
Chris Young zieht auf "Famous Friend" alle Register
Man nehme nur "Drowning". Eine großartige, zu Herzen gehende und trotzdem zu keiner Note kitschige Ballade. Den Song hat Young bereits 2020 bei den CMT Music Awards gemeinsam mit Kane Brown gesungen - zu Ehren des tödlich verunglückten Kane Brown-Schlagzeugers Kenny Dixon. Seitdem verbindet die beiden Musiker eine enge Freundschaft, wie sich auch im Titeltrack hören lässt: die beiden harmonieren in dem gefälligen Country-Pop-Song hervorragend.
Chris Young zeigt auf "Famous Friends" immer wieder seine sensible und verletzliche Seite: In dem Hilferuf "Rescue Me" genauso wie in dem großartigen, mit einer bluesigen Lead-Gitarre verzierten Liebeslied "Love Looks Good On You" und auch in dem frustriert-romantischen "Break Like You Do". Selbst wenn der Gute mal in einer Bar zum Glas greift, schwingen melancholische Noten mit, wie in "When You're Drinking" und "At the End of a Bar" (mit Mitchell Tenpenny). Doch keine Sorge. Zu viel Gefühlsduselei kommt auf "Famous Friends" trotzdem nicht auf. Dafür sorgen immer wieder eingestreute Rocker und Uptempo-Songs wie: das mit Southern-Rock-Feeling versehene "Town Ain't Big Enough" (mit Lauren Alaina), der ausnahmsweise zünftig rockende Drinkin' Song "Hold My Beer Watch This" und das harte, mit einem AC/DC-typischen Gitarren-Riff ausgestattete "One of Them Nights". Kurz: alles da, alles drin.
Fazit: Vier Jahre nach seinem letzten Hit-Album präsentiert Chris Young mit "Famous Friends" eine Album mit 14 erstklassigen, größtenteils ruhigen und romantischen Songs. Jede Wette: sein Höhenflug geht weiter.