Tracy Lawrence. Was hätte aus ihm nicht alles werden können? Nicht dass der 53-jährige aus Atlanta, Texas, keine beachtliche Musiker-Karriere hingelegt hätte. Das allemal. Doch man hat bei ihm immer das Gefühl, dass er sein beträchtliches Potential in seinen nunmehr 30 Jahren nicht so völlig ausgeschöpft hat. Nur zur Erinnerung: Als er 1991 mit seinem Debüt-Album "Sticks And Stones" auf der Country-Bildfläche erschien, galt er als ernst zu nehmender Konkurrent für die Neo-Country-Superstars Garth Brooks und Alan Jackson.
Tracy Lawrence galt als ernsthafter Konkurrent für Garth Brooks
Vor allem, da er mit den nachfolgenden Alben "Alibis" (1993), "I See It Now" (1994) und "Time Marches On" (1994) immer erfolgreicher wurde. Tracy Lawrence, zu Beginn seiner Karriere ein hagerer, blondgelockter Country-Bengel mit flaumigem Schnauzbart, erwies sich als samtkehliger Sänger mit warmherzigen Country-Twang in der Stimme. Gelegentlich flirtete natürlich auch er mit Rock-Einflüssen (z.B. in dem Craig Wiseman-Song "If The Good Die Young"), doch seine Domäne und sein Markenzeichen wurde bald das gefühlvolle Fach: Balladen und Love-Songs. In zeitlos schönen Titeln wie "I See It Now", "Alibis", "Texas Tornado" oder "How A Cowgirls Says Goodbye" spielte er vollendet seine Trümpfe aus.
2004 gelangen ihm mit dem von James Stroud produzierten Album "Strong" und der Single-Auskopplung "Paint Me a Birmingham" noch absolute Top-Platzierungen, doch dann begann der Stern des Tracy Lawrence allmählich zu sinken. Aber: weg war er nie. Im Gegenteil. Der gelegentlich auch mit seinem Privatleben für Schlagzeilen sorgende Sänger - 1991 wurde er überfallen und vier Mal angeschossen - kann auf eine treue Fan-Gemeinde zählen. So konnte sich selbst das mit christlichen Songs bestückte Album "The Rock" in oberen Charts-Gefilden platzieren. Natürlich, schließlich gilt: Wo Tracy Lawrence draufsteht, ist guter Country-Sound immer drin.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil. Der Mann ist längst zu einer - seiner - Marke geworden. Deshalb ist es für die Country-Gemeinde auch eine gute Nachricht, dass Tracy Lawrence in diesem Jahr sein 30. Karriere-Jubiläum mit drei Alben begehen möchte. Drei Alben mit, so heißt es, insgesamt 30 Songs. Neues Material und seine unvergessenen Hits. Den Auftakt des Trios macht jetzt "Hindsight 2020, Volume 1: Stairway to Heaven Highway to Hell" - und bietet: zehn neue Songs (plus zwei Alternative-Versionen) in handelsüblicher Tracy-Lawrence-Qualität.
Wobei es den Anschein hat, dass der einstige Schlacks nicht nur an Kilos zugelegt hat. Auch musikalisch hat er ein paar Schippen draufgelegt. Das verrät schon der Titeltrack und Opener, die pfiffige Verbindung aus der Led-Zeppelin-Hymne "Stairway to Heaven" und dem AC/DC-Knaller "Highway to Hell" (diese Anmerkung nur für totale Rock-Verweigerer): der Sound ist etwas druckvoller, der Beat fordernder, die Gitarre um eine Spur breitbeiniger. Ein echter Rocksong ist "Stairway to Heaven Highway to Hell" aber trotzdem nicht. Dafür sorgt der eine oder andere ganz in der Country Music angelehnte Melodiebogen und natürlich die unverkennbare nach Stetson, Highways und Budweiser klingende Stimme des Country-Barden.
"Hindsight 2020, Volume 1: Stairway to Heaven Highway to Hell" bietet zehn neue Songs
Eine Stimme, wie gemacht für romantische Balladen. Für Songs, die von Fernweh, Einsamkeit und Liebesleid berichten und damit für Tracks wie das nachfolgende "Struggle Struggle". In dem langsamen, im traditionellen Walzer-Takt angelegten und dreieinhalb Minuten langen Lied knüpft Lawrence an frühere Glanztaten wie "I See It Now" an. Keine Frage, ein erstes Highlight der CD. Beileibe aber nicht das einzige. Ganz im Gegenteil. Alle zehn neuen Tracks erfüllen hohe Qualitätskriterien. Sie gehen ins Ohr, sie laden zum Träumen ein oder sie spenden, wie beispielsweise das energetisch rockende "Water", positive Energie und Motivation.
Während Lawrence in früheren Karrierejahren fast ausschließlich Songs aus fremder Feder interpretierte, zeigt er sich heute als Songschmied: bei neun von zehn Tracks hatte er seine Songwriter-Finger mit im Spiel. Respekt! Das zeugt von einer künstlerischen Weiterentwicklung, zu der so mancher Veteran nicht gewillt oder fähig ist. Andererseits muss man aber auch sagen, dass Premium-Songwriter wie Craig Wiseman, Don Cook oder Tom Shapiro nichts anderes machen, als eben Song auf Song, Hit auf Hit zu schreiben. Diese Damen und Herren verfügen in dieser Disziplin nicht nur über immense Erfahrung, sie können auch auf ein umfangreiches Arsenal an Harmonie- und Wortschöpfungen zugreifen So ist es kein Wunder, dass diese neuen Lawrence-Songs alle um eine Spur weniger raffiniert gestrickt ausfallen. Dennoch wissen Tracks wie das soulige, moderat angelegte "Lonely 101" das forsche "Whole Loatta Me", das beherzt rockende "Hard Times" und das hintergründige, melodisch bezaubernde "Summer Snow" vollauf zu überzeugen. Das gilt vor allem auch für das transparent angelegte, lässig groovende und damit schon fast altersweis klingende "You Only Get One". Natürlich mit Pedal Steel und Fiddle im Gepäck.
Als Zugabe spendiert Tracy Lawrence auf "Hindsight 2020, Volume 1: Stairway to Heaven Highway to Hell" die Akustik-Version von "Hard Times" und eine Unplugged-Fassung von "Whole Lotta Me". Auch in dieser Umgebung weiß der Bariton des Texaners zu überzeugen. Natürlich...
Fazit: 30 Jahre Karriere - das feiert Tracy Lawrence mit drei Alben. Den Auftakt bestreiten die zehn neuen Songs (plus zwei Bonus-Tracks) von "Hindsight 2020, Volume 1: Stairway to Heaven Highway to Hell": grundsolider, roots-orientierter Country-Rock des großartigen Sängers.
Label: LMG (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 24. April 2021 |
01 | Stairway to Heaven, Highway to Hell |
02 | Struggle Struggle |
03 | Water |
04 | Lonely 101 |
05 | Summer Snow |
06 | Hard Times |
07 | If I Could Give You Anything |
08 | Knowing |
09 | You Only Get One |
10 | Hard Times (Unplugged) |
11 | Whole Lotta Me (Unplugged) |