Doch das ist Schnee von Vorgestern. Schnee von gestern ist das zweite Album, das Großmeister T Bone Burnett höchstselbst in Szene setzte - aber auch "Put Your Needle Down" wollte mit Platz 18 in den Country-Charts nicht so richtig zünden. Noch schlimmer war, dass sich die Kritiker vom Songwriting und von der Produktion enttäuscht zeigten. Was nun?
The Secret Sisters - ein Up and Down in der Karriere
Tja, klarer Fall von "Erwartungen nicht erfüllt". Im Musikbusiness heißt das für gewöhnlich, dass man ruck-zuck ohne Plattenvertrag dasteht. So erging es auch The Secret Sisters. 2015 setzte Republic Records die hochtalentierten Schwestern vor die Türe - begleitet von störenden Hintergrundgeräuschen, wie Rechtsstreitigkeiten mit einem früheren Manager und die Aussicht, auf Privat-Insolvenz. Erst als Ende 2015 Brandi Carlile die beiden als Opening-Act verpflichtete, wendete sich das Blatt. Und wie: Brandi Carlile produzierte - gemeinsam mit Tim und Phil Hanseroth - ihr nächstes, bei New West Records erschienenes Album "You Don’t Own Me Anymore" (2017). Und plötzlich war die Magie wieder da. Mehr noch: die CD brachte den Schwestern ihre erste Grammy-Nominierung in der Kategorie "Best Folk Album" ein.
Nun also "Saturn Returns". Der Albumtitel spielt auf ein astrologisches Phänomen an. Alle 29, 30 Jahre befindet sich der Saturn an gleicher Himmelsstelle, bildlich gilt diese Zeitspanne als das völlige Erwachsensein eines Menschen. Ein passender Titel. Denn trotz mancher Gemeinsamkeit zum Vorgänger-Album - wieder produzierte das bewährte Gespann - schrieben Lydia und Laura erstmals alle Songs völlig alleine, also ohne Hilfe von Co-Autoren. Themen haben die beiden genügend. So starben in den letzten Jahren beide Großmütter und - als schönes Erlebnis - beide wurden sie Mütter. Das Kommen und Gehen von Menschen. Der Kreislauf des Lebens.
Nie klangen The Secret Sisters persönlicher als auf "Saturn Returns"
Diese archaischen Momente haben The Secret Sisters in wunderbar persönlichen Songs verarbeitet. Gleich mit dem Opener, dem ganz im moderaten Folk-Rock angesiedelten "Silver", berichten sie, wie es sich anfühlt, Mutter zu sein. Ein Mut machender, schöner, grundpositiver Track über das vielleicht größte Wunder der Menschheit. Darum geht es auch in der großartigen Klavier-Ballade "Hold You Dear". In diesem Song beschreibt Laura den Moment, in dem sie erfuhr, dass sie schwanger ist. Wie es scheint, hat sich der Track fast von selbst geschrieben. Innerhalb von 15 Minuten, sagt sie, war sie damit fertig.
Diese Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, diese ganz von Herzen - und nicht von einem kalkulierenden Kopf - kommenden Songs prägen das gesamte Album. Nichts wirkt hier gewollt. Nichts bemüht. Der Song "Late Bloomer" bringt diese Haltung auf den Punkt: Ein vordergründig nettes Liedchen mit hübscher Klavier-Melodie, aber mit klarer Ansage - wir machen unser Ding. Trends interessieren uns nicht. Und: Ja, wir sind jetzt erwachsen.
Keine Frage, die Ups and Downs ihrer Karriere und ihre neue Lebenssituation zeigen Wirkung. The Secret Sisters klingen heute, im Vergleich zum eitel-nostalgischen Debüt, deutlich sensibler, zerbrechlicher und demütiger. Aber auch deutlich ehrlicher und mutiger. So scheuen sie sich nicht, in dem beherzten Folk-Rocker – und erste Single-Auskopplung – "Cabin", kritische und wütende Töne gegenüber Gewalt an Frauen anzuschlagen. Der Track mit einem an Neil Young-typischen Gitarrensolo bildet in dem Song-Reigen dennoch die Ausnahme. Titel wie der harmonische Leckerbissen von "Fair" oder die ganz im Hippie-Folk der 60er und 70er angesiedelten "Tin Can Angel" und "Nowhere, Baby" sind die Regel.
Fazit: Gemeinsam mit Brandi Carlile und den Hanseroth-Brüdern laufen The Secret Sisters bei ihrem vierten Album "Saturn Returns" zu Höchstform auf. Die nächste Grammy-Nominierung sollte gemachte Sache sein.