Ohne Maskerade auf gefühlvollem Americana-Trip: The Secret Sisters mit ihrem fünften Album "Mind, Man, Medicine"
Für das nachfolgende Album "Put Your Needle Down", Jahrgang 2014, haben sie noch einmal mit dem Roots-Großmeister aus Nashville zusammengearbeitet. Wieder erfolgreich. Dennoch war offenbar anschließend ein frischer Produzenten-Wind für The Secret Sisters fällig - für den Brandi Carlile bei den beiden nachfolgenden Longplayern sorgte. Kommerziell schnitten die zwei Alben eher bescheiden ab, doch: die Kritik liebte sie. Und: Für "You Don't Own Me Anymore" sprang sogar eine Grammy-Nominierung in der Rubrik "Bestes Folk-Album" heraus.
The Secret Sisters: seit 2010 eine feste Größe im Americana
Dennoch schlagen Lydia und Laura Rogers, die beiden geheimnisvollen Schwestern, jetzt, mit Album Nummer fünf ein neues Kapitel auf. "Mind, Man, Medicine" haben sie mit Unterstützung von John Paul White (The Civil Wars) und Ben Tanner (St. Paul and the broken Bones) selbst produziert und servieren darauf elf, größtenteils ruhige Songs. Mehr noch. Die Tracks strahlen einerseits Ruhe und Zufriedenheit, andererseits zuversichtliche Nachdenklichkeit aus. Wie es scheint, sind Lydia und Laura sowohl künstlerisch als auch persönlich angekommen.
Die meisten Tracks entstanden in den historischen FAME-Studios in Muscle Shoals. Ein magischer Ort, wie man weiß. Ein Ort, in dem musikgeschichtliche Glanztaten vollbracht wurden und zu dem seit rund einem halben Jahrhundert klangvolle Namen aus allen möglichen Genres pilgern und sich Inspiration erhoffen. Für The Secret Sisters war es praktischerweise ein Heimspiel - und diese Gelassenheit hört man den elf Tracks auch an. Unterstützt von ausgewiesenen Roots-Experten wie Drummer Jeremy Gibson, Gitarrist und Fiddle-Experte Larry Campbell und Bassist Parker McAnally gelingt den Schwestern auf "Mind, Man, Medicine" ein homogener und selbst in den raren Uptempo-Songs ein unangestrengt klingender Sound.
"Mind, Man, Medicine": gefühlvolles Americana mit zwei großen Stimmen
Auf welchen Trip man sich mit diesem Album einlässt, legt schon der Opener "Space" nahe. Der Titel suggeriert etwas Sphärisches, Schwebendes - und genauso klingt auch der knapp vierminütige Track, in dem die beiden Schwestern ihre Engelsstimmen in luftige Höhen steigen lassen. Gegen den Slow-Motion-Opener nimmt sich das nachfolgende "Paperweight" schon fast dynamisch aus: ein flotter, packender Country-Song, traditionell arrangiert und mit jeder Menge Leidenschaft und Roots-Vibes eingesungen.
Dass sich Lydia und Laura so ihre Gedanken machen, war schon immer klar. Das zeigt sich jetzt erneut in einigen philosophisch angehauchten Tracks wie in dem hübschen Americana-Track "If The World Was a House". Ja dann, … dann gäbe es, so singen sie, Frieden und Übereinkunft statt Krieg und Zoff. Schöne Vision, schön umgesetzt.
Die zweite Hälfte von "Mind, Man, Medicine" steht ganz im Zeichen der Liebe: "I Needed You" ist mit einer weinenden Fiddle und herrlichen Harmonien ausgestattet, "I Can Never Be Without You Anymore" ist akustisch minimalistisch angelegt und zu Herzen gehend und "Bear With Me" bietet melodiösen Folk-Rock erster Güte. Für den ruhigsten Moment im ohnehin ruhigen Song-Ensemble sorgt "Planted", das alle Kriterien eines Kinder- oder Schlafliedes erfüllt - und das man im hektischen Alltag dennoch getrost und gut hören kann.
Das Highlight von "Mind, Man, Medicine" setzt aber "All The Ways". Bei der Kooperation mit Ray LaMontagne besinnen sich The Secret Sisters darauf, wofür die Studios in Muscle Shoals (auch) berühmt sind: für großen, ehrlichen Soul. Genau das bieten die zwei in der Sechs-Achtel-Ballade in Vollendung.
Fazit: Auf ihrem fünften Album "Mind, Man, Medicine" klingen The Secret Sisters ganz so, als ob sie angekommen seien: ein bärenstarkes, sehr gefühlvolles und ruhiges Americana-Album.