Mancher Betrachter hielt den Tick mit dem Retro-Ding der beiden kernigen Landmädels vielleicht für leicht übertrieben. Schließlich haben sie sich für die Fotosessions auch noch in Klamotten der 40er- und 50er-Jahre geschmissen. Es wirkte verkleidet. Der hochwertigen Musik hat das freilich keinen Abbruch getan, doch etwas irritierend ist so eine Maskerade ja immer.
Davon, und nicht nur davon, haben sich The Secret Sisters bei ihrem zweiten Album "Put Your Needle Down" verabschiedet. Auch musikalisch zeigen sich die in unmittelbarer Nähe der legendären Hit-Schmiede, dem "Fame"-Studio, aufgewachsenen Sängerinnen von einer neuen Seite: von einer zeitgemäßeren. Von einer härteren, von einer vermutlich authentischeren Seite; sicher aber nicht von einer gefälligeren Seite. Die Angst, dass sich die Secret Sisters nach dem Erstlingserfolg vom Mainstream korrumpieren lassen, erwies sich als unbegründet. Dafür ist den Zweien ihre Musik wohl zu wichtig. Und deshalb haben sie auch auf dem Nachfolger-Album auf den unbestechlichen Geschmack von Edel-Produzent T Bone Burnett gesetzt. Gute Entscheidung! Der Mann hat für erdige, dennoch aber eingängige Songs und Arrangements einfach ein goldenes Händchen.
Im Gegensatz zu ihrem Debüt-Album vertrauen die beiden Schwestern auf "Put Your Needle Down" auf ihre Songwriter-Fähigkeiten: Ein Großteil des runden Song-Dutzends stammt aus eigener Feder - und die meisten Titel überragen mühelos das Gros aktueller Country- und Roots-Tracks. Warum? Weil sie in ihren Songtexten die gängigen Klischees meiden wie Vampire den Knoblauch. Und weil sie sich harmonisch nicht nach den Regeln des Mainstream-Radios orientieren. Voraussetzungen, die Songperlen wie das romantische, an den frühen Roy Orbison erinnernde "Black and Blue", die herzerweichende Folk-Ballade "Let There Be Lonely" oder das düstere, sumpfige, bluesige und mit frauenrechtlerischen Inhalten aufgeladene "luka" möglich machen.
Dennoch sind es vermutlich die Cover-Versionen, die den großen Unterschied zum recht braveren Vorgänger-Album ausmachen. Anstatt gut abgehangene Evergreens neu aufzulegen, haben sie sich für Album Nummer zwei sperrige, zum Teil auch frische Kost ausgeguckt. Schon Opener und Single-Auskopplung "Rattle My Bones" von Brandi Carlile hat es in sich: Rockabilly trifft auch Harmony-Vocals, Bo-Diddley-Groove auf Country-Twang. Ein echter Knaller. Das gilt auch für "The Pocket Knife". Der von Feministinnen- und Alternativ-Ikone PJ Harvey komponierte Titel rockt so schwülstig und düster wie eine mondlose Sommernacht in Alabama. Mit "Lonely Island" huldigen sie ihren frühen Helden - den Everly Brothers. Die beiden Brüder nahmen den Boudleaux Bryant-Track einst stimmgewaltig und stimmungsvoll auf; die Version der Secret Sisters kann aber durchaus mithalten.
Welches Standing die beiden Schwestern aus dem Provinz-Städtchen in Alabama bereits besitzen, wird aus einer kleinen Geschichte deutlich: Folk-Großmeister Bob Dylan ließ Laura und Lydia eine Handvoll unvollendeter Songs zukommen. Sie könnten sich einen aussuchen und ihn vollenden. Große Ehre! Und großes Kompliment, was sie aus der Dylan-Vorgabe "Dirty Lie" gemacht haben - einen deftigen Blues, mit nostalgischen Rockabilly-Elementen veredelt. Bob dürfte damit zufrieden sein.
Zum Ausklang der gelungenen CD gelingen ihnen mit der schrägen, im Stile eines Quentin Tarantino-Films angelegten Country-Ballade "Good Luck, Good Night, Goodbye" und dem an die frühe Nancy Sinatra erinnernden "Bad Habit" zwei weitere Song-Volltreffer.
Fazit: Die braven Secret Sisters sind flügge und kess geworden – viel eigenes Material, strammer im Sound, kritischer in den Inhalten. T Bone Burnett führte wieder meisterlich Regie.