"Meine musikalische Erziehung startete mit Bluegrass", erinnert sich der heute 59-Jährige, der zu College-Zeiten mit den Front Porch Boys seine erste Bluegrass-Band ins Leben rief. Das erste offizielle Genre-Album nach einer bereits langen Karriere ist dennoch eine kleine Überraschung. Zwar ist der Schritt von seinem Red Dirt-Sound, den Robert Earl Keen mit akustischem Country und Americana ergänzt, zu Bluegrass nicht so groß, aber Keen gehört als passionierter Songschreiber zu den letzten, von denen man ein reines Cover-Album erwartet hätte.
Los geht der Trip in die Vergangenheit mit dem Bluegrass-Duo schlechthin: Lester Flatt und Earl Scruggs. Keen hat sich aus dem umfangreichen Vermächtnis für "Hot Corn, Cold Corn" entschieden. Rau, ungefiltert, direkt und zudem recht eigenwillig - so der Eindruck des Klassikers im neuen Arrangement des Texaners. Bluegrass-Puristen werden hier wahrscheinlich die Nase rümpfen, zu weit ist diese Interpretation von der Norm entfernt.
Ein Gefühl, das sich in der Folge der CD aber nur teilweise wiederholt. Allerdings auch beim folgenden "1952 Vincent Black Lightning", das mehr an eine biergeschwängerte Performance in einem Pub als an Hochglanz-Bluegrass à la Dailey & Vincent erinnert. In diesem Fall aber mit Recht, stammt die Vorlage doch vom englischen Folkrockmusiker Richard Thompson.
Die ungezwungene Fröhlichkeit, die purer Bluegrass ausstrahlen kann, findet sich in "Footprints in The Snow" wieder. Flottes Arrangement, munteres Picking, ein aufgeweckt klingender Sänger und nicht zuletzt das Fiddlespiel lassen den Evergreen von Bill Monroe zum Ohrwurm werden. Bemerkenswert ist dabei besonders Keens Performance - selten hat man den Sänger so munter und losgelöst gehört. Ähnlich flott und beschwingt geht es bei "Old Home Place", einem früheren Hit des Quintetts The Dillards zur Sache, selbst wenn der Inhalt des Songs, der von einem Mann handelt, der sein Dorf verlassen hat, nach zehn Jahren zurückkehrt und seine Heimat dann nicht mehr wiedererkennt, nicht unbedingt Grundlage für eine ausgelassene Stimmungsnummer bietet.
Dass die Vorlagen nicht unbedingt aus dem Bluegrass-Bereich kommen müssen, zeigt Keen - stimmlich verstärkt durch Kumpel Lyle Lovett - bei der launischen Version von "T for Texas". Sicher gibt es spannendere Versionen des Klassikers von Jimmy Rodgers, aber diese Interpretation der beiden Texas-Ikonen besitzt - nicht nur wegen der kurzen Jodel-Einlage von Keen - einen speziellen Independent-Charme. Natalie Maines unterstützt Keen dann noch bei der Neuauflage von "The Wayfaring Stranger" und bringt mit ihrer warmherzigen Stimme eine bittersüße Note in das bereits vielfach gecoverte Traditional.
Das sehr natürlich klingende Album hat Keen wieder von seinem früheren Produzenten Lloyd Maines einspielen lassen. Neben seiner regulären Band mit Rich Brotherton (Gitarre, Mandoline), Bill Whitbeck (Bass), Tom Van Schaik (Percussion) und Marty Muse (Dobro) hat Keen für "Happy Prisoners" unter anderem Danny Barnes (Banjo) und Sara Watkins, die sonst für Nickel Creek die Fiddle spielt, gewinnen können.
Fazit: Robert Earl Keen bezeichnet sich als "a happy prisoner of bluegrass" (einen glücklichen Gefangenen des Bluegrass). Selbst wenn viele der Songs hier schon X-Mal gecovert wurden, ist es dem Songwriter gelungen, den überwiegend zeitlosen Kompositionen seinen persönlichen Touch aufzudrücken.
Label: Dualtone (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 6. Februar 2015 |
Titelliste
01 | Hot Corn, Cold Corn | 09 | T For Texas (mit Lyle Lovett) |
02 | 52 Vincent Black Lightning | 10 | Peter Rowan Intro |
03 | Footprints in the Snow | 11 | Walls of Time |
04 | 99 Years For One Dark Day (mit Peter Rowan) | 12 | White Dove |
05 | East Virginia Blues | 13 | Old Home Place |
06 | Poor Ellen Smith | 14 | Twisted Laurel |
07 | Long Black Veil | 15 | Wayfaring Stranger (mit Natalie Maines) |
08 | This World Is Not My Home |