Ryan Bingham - Fear and Saturday Night

CD Cover: Ryan Bingham - Fear and Saturday Night

Mit "Nobody Knows My Trouble" beginnt Ryan Bingham sein neues Album. Ein ruhiger, harmonisch ausgewogener Song mit einem ruhig pulsierenden Groove und lyrischen Gitarrenmelodien. Keine lauten Momente. Keine Kracher. Aber ein Text, der unter die Haut geht - und in seiner radikal autobiografischen Aussage einen Kontrapunkt zu den lieblichen Melodien darstellt.

Ryan Bingham hat vieles erlebt. Großartige Momente, wie sein Grammy®- und Oscar®-geschmückter Songbeitrag ("The Weary Kind") zu dem Jeff Bridges-Film "Crazy Heart". Die Kehrseite der schillernden Medaille ist weniger bekannt, und viel weniger glamourös. Seine Mutter hat sich, während er gerade rasant die Karriereleiter emporkletterte, zu Tode getrunken, sein Vater erschoss sich. Wie so etwas verdauen? Wie verarbeiten?

Künstler, vor allem Singer/Songwriter haben das Privileg, Schicksalsschläge in Worte und Songs zu fassen. So stellen sie eine Distanz zu den Tragödien her und therapieren sich irgendwie selbst. Das Schöne daran: Es sind ideale Voraussetzungen für die besten und bewegendsten Songs - man nehme nur Claptons Verlust-Drama "Tears in Heaven".

Auch "Fear And Saturday Night" trägt die Züge einer Eigentherapie. Nie zuvor hat man den 1981 in Hobbs, New Mexico, geborenen Musiker so leiden und wüten gehört wie in diesen zwölf neuen Songs. Selten aber auch so gut gelaunt zu Werke zu gehen. Man nehme nur "Adventures of You and Me", eine Art Road Movie eines Paares, verpackt in hemdsärmelige Tex-Mex-Klänge. Die muntere Akkordeon-Melodie lässt dabei glatt an eine rockende Version des 90er Jahre-Hits "Macarena" denken.

Dieses Hochgefühl schummelt sich, und das ist gut und tröstlich, immer wieder dazwischen. Auch der Titeltrack zählt dazu. Kein Wunder, denn hier erzählt er ruhig und mit wohldosierter Euphorie von seiner eigenen Hochzeit. Dass dabei kein gewöhnliches Friede-Freude-Hochzeitskuchen-Rührstück herauskommt, ist bei einem wie Ryan Bingham ohnehin klar. Nicht nur, weil er den Walzer mit einem knisternden, an einen Quentin Tarrantino-Soundtrack erinnernden Arrangement auflädt; sondern vor allem, weil seine Whiskey-, Zigaretten- und Reißnägel-Stimme einfach nicht zum Schmusekater taugt.

Schon zu Beginn seiner Karriere klang er als Mitte-Zwanzigjähriger wie ein heiserer Tom Waits. Heute aber hält der optisch erstaunlich subtil wirkende Sänger Stimmbänder parat, die an rostige Drahtseile erinnern. Und im Verlauf des neuen Songdutzends verlangt er ihnen so einiges ab. Vor allem natürlich, wenn er rabiate Rock-Klänge anstimmt, wie bei dem an die frühen Small Faces erinnernden "Top Shelf Drug". Seine raue Intonation tut vor allem den gefälligeren Songs gut. So bekommt das im Bo-Diddley-Groove gehaltene, und irgendwie optimistische "Hands Of Time" eine gegen den Strich gebürstete Frische und Schärfe. Gegen Ende des Tracks, als alle Beteiligten noch eine Schippe drauflegen, erinnert Bingham – vor allem bei den Shouts - an Doors-Legende Jim Morrison. Und nicht nur hier.

Mit dem im Zeitlupentempo angelegten und melodiös vertrackten "Gun Fighting Man" klingt das Album düster aber auch stark aus. Ein Extralob verdienen sich bei der CD auch Binghams musikalische Begleiter. Allen voran die gut geölten Gitarristen Daniel Sproul und Jedd Hughes.

Fazit: Sperrig, schwierig, rockig, düster - aber auch extrem stark und tiefgehend: ein Album wie eine Einheit auf der Psycho-Couch.

Label: Axster Bingham / HumHead (Harmonia Mundi) VÖ: 16. Januar 2015
01 Nobody Knows My Trouble
02 Broken Heart Tattoos
03 Top Shelf Drug
04 Island in the Sky
05 Adventures of You and Me
06 Fear and Saturday Night
07 My Diamond Is Too Rough
08 Radio
09 Snow Falls in June
10 Darlin
11 Hands of Time
12 Gun Fightin'Man
vgw
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