Der eine, Robert Plant, ist nichts weniger als ein Rock-Gott. Sänger von Led Zeppelin, Vorbild und Blaupause für Epigonen wie David Coverdale (Deep Purple), Bon Scott (AC/DC) oder David Lee Roth (Van Halen); der Rolling Stone listet den 1948 in Staffordshire geborenen Briten auf Rang 15 der "100 besten Sänger aller Zeiten." Darüber hinaus ist der langmähnige Shouter ein überaus talentierter Blues-Harp-Spieler. Noch Fragen?
Fragen verbitten sich freilich auch bei Alison Krauss. Die 50-jährige Fiddle-Virtuosin, Songwriterin, Produzentin und Sängerin mit unvergleichlicher Engelsstimme, ist die ungekrönte Königin des Bluegrass und Americana. Seit Jahren bereits. Unglaubliche 27 Grammys hat die aus Illinois stammende Musikerin in ihrer Vitrine stehen (nur um einen weniger als Rekordhalterin Beyoncé). Sechs Grammys ihrer Sammlung gingen auf das Konto von "Raising Sand" aus dem Jahre 2007, ihrer ersten Zusammenarbeit mit: jenem Robert Plant. So viel vorneweg: Boyoncé muss sich warm anziehen, denn es wird für "Raise The Roof" wieder ein paar dieser goldenen Statuen geben, jede Wette!
Schwer Grammy-verdächtig: "Raise The Roof"
Nun also wollen die beiden durchaus ungleichen, trotzdem fantastisch harmonierenden Ausnahmekünstler weiter gemeinsam (Erfolgs)Geschichte schreiben. "Raise The Roof": Sie sind zu allem entschlossen - und sie sind, das spürt man schon nach wenigen Takten ihres Openers "Quattro (World Drifts In)", in blendender Form und überragender Spiellaune. Keine Frage, die beiden meinen es ernst mit dem "Hütte zum Kochen" bringen. Natürlich nicht mit simplen Mitgröl- und Party-Songs, sondern mit faszinierend filigranen Klängen.
Größtenteils haben sich Plant & Krauss erneut Songs aus fremder Feder herausgepickt. Titel von Größen und Stars, aber auch von eher unbekannten Interpreten. Ob so oder so: Gemeinsam mit Musikern wie Schlagzeuger Jay Bellerose, den Gitarristen Bill Frisell und Buddy Miller und den Bassisten Dennis Crouch und Viktor Krauss sowie erneut unter der Regie von Produzent T Bone Burnett formen und verformen sie die Song-Vorgaben zu einem sehr speziellen Sound. Texte und Akkordfolgen der Originale dienen ihnen dabei nur als Basis. Als Ausgangslager für den Trip in eine, wenn schon nicht neue, dann doch eigene Klangwelt. Ein Klangkosmos, der sich, natürlich, jeglicher Stilgrenzen kunstvoll entzieht. Klar, das ist Folk, Country, Americana und Blues. Aber auch irgendwie Rock, Beat und Worldmusic. Vor allem aber ist es: großartige Musik. Klänge, von zeitloser Schönheit, zerbrechlich und dabei trotzdem unwiderstehlich kraftvoll.
Nach dem von Plant gesungenen Auftakt - ein Calexico-Cover - legen sie mit der Everly Brothers-Komposition "The Price of Love" nach. Dieses Mal übernimmt Alison Krauss die Lead-Vocals. Obwohl mittlerweile auch jenseits der 50, besitzt ihre Stimme immer noch diesen magischen, astralen Engels-Klang. Lupenrein. Zu 100 Prozent. Im nächsten Titel übernimmt wieder der Ex-Led Zeppelin-Shouter das Ruder um mit "Go Your Way" einen herrlich melodiösen Folk-Song einzusingen. Großes Kino. Und so geht es in den restlichen Songs auch weiter.
Robert Plant & Alison Krauss - ein unschlagbares Duo
Mal er im Spotlight, mal sie. Immer schön abwechselnd. Für noch mehr Variation sorgt aber die vielfältig bestückte Songliste von "Raise The Roof": "Trouble With My Lover" (geschrieben von New Orleans-Legende Allen Toussaint) bietet düstere, perkussive Bluestöne, "Searchin' For My Love" lässt mit fröhlichen, schon fast an die Beat-Ära erinnernde Rock-Pop-Klänge aufhorchen, "Can't Let Go", das uns noch in der Interpretation von Lucinda Williams im Ohr ist, kommt als schmissiger Old-Fashioned-Song à la Lee Dorseys' "Working in a Coal Mine" und "Last Kind Words", geschrieben von Geeshie Wiley, serviert großartigen Americana-Blues.
Zu den weiteren Highlights gehören die herrliche Plant/Krauss-Kompositon "High and Lonesome" sowie ihre Versionen von zwei Merle Haggard-Tracks. Wie das Treffen der Klassen-Besten (Krauss, Plant, Haggard) klingt? Fantastisch! Zu einem hypnotischen, mit Cajon angezettelten Beat gesellen sich im Laufe von "It Don't Bother Me" akustische Gitarren, Banjo, Bass und E-Gitarre. Die Dynamik-Spannung steigert sich mit jedem Takt, ein Meisterwerk. Jenes Prädikat verdient sich auch "Going Where The Lonely Go", die zweite Haggard-Komposition. Die ohnehin todtraurige Country-Ballade berührt in der von Krauss gesungenen Version glatt noch um ein Stück mehr. So schön kann Wehmut klingen...
Fazit: Gute Nachricht: Robert Plant und Alison Krauss machen auf "Raise The Roof" erneut gemeinsame Sache. Noch bessere Nachricht: das Album ist großartig! Kein einziger Song-Lückenfüller, dazu meisterhaft subtil von T Bone Burnett produziert. Volle Punktzahl!
Label: Rhino (Warner) | VÖ: 19. November 2021 |
01 | Quattro (World Drifts In) |
02 | The Price of Love |
03 | Go Your Way |
04 | Trouble with My Lover |
05 | Searching For My Love |
06 | Can't Let Go |
07 | It Don't Bother Me |
08 | You Led Me to The Wrong |
09 | Last Kind Words Blues |
10 | High and Lonesome |
11 | Going Where the Lonely Go |
12 | Somebody Was Watching Over Me |