Glen Campbell - Ghost On The Canvas

CD Cover: Glen Campbell - Ghost On The Canvas

Es hat schon etwas Trauriges, denn mit dem Album "Ghost On The Canvas" will sich Country-Legende Glen Campbell aus dem aktiven Musikgeschäft zurückziehen. Dem finalen musikalischen Vermächtnis geht die Diagnose von Alzheimer voraus, so dass sich der Sänger zu diesem drastischen Schritt eines letzten Albums und einer letzten Konzerttour entschloß. So können ihn seine Fans in guter Erinnerung behalten. Mögen einem die früheren Songs des Sängers oftmals etwas schwülstig vorkommen, mit ein wenig zuviel Bombast und Streichern, so ließ sich der Sänger aber nie stilistisch so richtig eindeutig festlegen. Und so endet es auch, auf dem finalen Album. Die neuen Lieder sind musikalisch schwer greifbar, zeigen aber einen exzellenten Sänger, der zusammen mit seinem Produzenten (und Co-Autoren) Julian Raymond die Umsetzung der Vorgaben hervorragend meistert.

Schon der akustische und gitarrenbetonte Opening Track "A Better Place" macht neugierig auf mehr und der Zuhörer wird nicht enttäuscht. Allerdings erschließt sich die Wirkung der Songs erst nach mehrmaligem Hören. Zu überrascht ist man beim ersten Einlegen der CD, Glen Campbell klingt anders, als man ihn von seinen bisherigen Produktionen kennt und das will auch erst einmal im Zuhörer "reifen". Um die volle Schönheit der Lieder zu erschließen, muss man sich auf sie einlassen und die Scheibe mehrfach durchlaufen lassen. Immer wieder wird man so Dinge entdecken, die man vorher nicht bewußt wahrnahm. Einige Ausnahmen gibt es: Schon beim ersten Hören gräbt sich der Titeltrack "Ghost On The Canvas" mit seiner Mischung aus romantischem Country und gradlinigem Pop ins Ohr. Flächige Streicher mit großen Melodiebögen umrahmen den Gesang und machen ihn zu einem Hit. Auch "A Thousand Lifetimes" ist sehr eingängig und erinnert an frühere Erfolge Campbells, klingt dennoch sehr modern und unverbraucht. Irgendwie beschleicht einem stets das Gefühl, den Song schon lange zu kennen.

Seine musikalische Karriere begann der 1936 in Delight, Arkansas geborene Sänger schon am Ende der 1950er Jahre, als er nach Los Angeles, Kalifornien, ging und sich als Studiomusiker einen Namen machte. Als Teil der "Wrecking Crew" spielte er u.a. mit Frank Sinatra, Simon & Garfunkel und Elvis Presley. Mit den Beach Boys und ihrem wegweisendem Album "Pet Sounds" schrieb er sich in die Pophistorie ein. Als Solokünstler hatte er 1967 mit "Gentle On My Mind" seinen ersten großen Erfolg. Schnell folgen mit "Wichita Lineman" und "Galveston" weitere Hits. In den 1970ern kommen mit "Rhinestone Cowboy" und "Southern Nights" lupenreine Country-Hits dazu. Campbell wird im Zuge seines Erfolges auch Schauspieler und Fernseh-Moderator. Seine Rolle in der Originalfassung von "True Grit", an der Seite von John Wayne, bringt ihm 1969 eine Nominierung für den Golden Globe ein. Außerdem präsentierte er mehrere Staffeln der CBS TV Show "The Glen Campbell Goodtime Hour" und begrüßte zahlreiche illustre Gäste wie Dean Martin oder Johnny Cash. Doch wie so oft im Leben greifen Drogen nach den Kreativen und Campbell verschwindet aus den Charts und für viele Jahre in der künstlerischen Versenkung. Erst 2008 kommt es mit "Meet Glen Campbell" zu einem vielbeachteten Album-Comeback und nun folgt mit "Ghost On The Canvas" der krönende Abschluß einer langjährigen erfolgreichen Karriere.

Viel frischen Pop versprüht "It's Your Amazing Grace". Campbell ist nicht nur bei diesem von ihm gemeinsam mit Raymond geschriebenen Song musikalisch sehr wandlungsfähig und zeigt, dass ihm neue Strömungen und Trends nicht fremd sind und er in der Lage ist, sie in seine Musik einfließen zu lassen. Gemeinsam mit so unterschiedlichen Musikern wie Chris Isaak, Dick Dale und Brian Setzer singt er den Teddy Thompson Song "In My Arms", der seine offene Umgangsweise auch mit der Country Music entfernterer musikalischer Spielarten untermauert. Entstanden ist ein melodiöser Rock 'n' Roll Song, romantisch und doch ein wenig ungestüm. Von Jakob Dylan lieh sich Campbell "Nothing But The Whole Wide World", eine fast schon besinnliche akustische Country-Nummer, mit überraschend schöner Melodieführung. Eine der wenigen Fremdkompositionen des Albums: "Any Trouble" wurde geschrieben vom ehemaligen Replacements-Sänger Paul Westerberg, ein frischer und flotter Country-Song, kurz und knackig. Wenn man es denn wirklich vergleichen möchte, erinnert das Abschlußstück des Albums "There's No Me…Without You" sanft an den Sound der Beatles. Nicht nur musikalisch, auch vom Gesang her weckt es Vergleiche zu George Harrison. Die Gitarrenarbeit erledigen souverän und virtuos gleich vier hervorragende Gitarreros: Billy Corgan, Marty Rifkin, Rick Nielson und Brian Setzer. Ein Weltklassestück des balladesken Rock!

Fazit: "Ghost On A Canvas" repräsentiert nicht mehr den "alten" Glen Campbell, wie wir ihn von den 1960er/70ern kennen. Der 75-jährige klingt reifer, auch wenn es vielleicht etwas dumm klingt: Erwachsener als zu Zeiten früheren Erfolge, mit einer Sangesstimme ausgestattet, die besser denn je klingt. Seine Kompositionen sind anspruchsvoll und modern. Es stellt die Krönung einer glanzvollen Karriere dar und ist ein würdiges Abschiedsalbum.

Glen Campbell
Label: Surfdog / Membran (Sony) VÖ: 2.September 2011
01 A Better Place
02 Ghost On the Canvas
03 The Billstown Crossroads
04 A Thousand Lifetimes
05 It's Your Amazing Grace
06 Second Street North
07 In My Arms
08 May 21st, 1969
09 Nothing But the Whole Wide World
10 Wild and Waste
11 Hold On Hope
12 Valley of the Son
13 Any Trouble
14 Strong
15 The Rest is Silence
16 There's No Me...Without You

Anmelden