"Ghost on the Canvas" ist das Farewell-Album von Glen Campbell
Schon der akustische und gitarrenbetonte Opening Track "A Better Place" macht neugierig auf mehr und der Zuhörer wird nicht enttäuscht. Allerdings erschließt sich die Wirkung der Songs erst nach mehrmaligem Hören. Zu überrascht ist man beim ersten Einlegen der CD, Glen Campbell klingt anders, als man ihn von seinen bisherigen Produktionen kennt und das will auch erst einmal im Zuhörer "reifen". Um die volle Schönheit der Lieder zu erschließen, muss man sich auf sie einlassen und die Scheibe mehrfach durchlaufen lassen. Immer wieder wird man so Dinge entdecken, die man vorher nicht bewußt wahrnahm. Einige Ausnahmen gibt es: Schon beim ersten Hören gräbt sich der Titeltrack "Ghost on the Canvas" mit seiner Mischung aus romantischem Country und gradlinigem Pop ins Ohr. Flächige Streicher mit großen Melodiebögen umrahmen den Gesang und machen ihn zu einem Hit. Auch "A Thousand Lifetimes" ist sehr eingängig und erinnert an frühere Erfolge Campbells, klingt dennoch sehr modern und unverbraucht. Irgendwie beschleicht einem stets das Gefühl, den Song schon lange zu kennen.
Seine musikalische Karriere begann der 1936 in Delight, Arkansas geborene Sänger schon am Ende der 1950er Jahre, als er nach Los Angeles, Kalifornien, ging und sich als Studiomusiker einen Namen machte. Als Teil der "Wrecking Crew" spielte er unter anderem mit Frank Sinatra, Simon & Garfunkel und Elvis Presley. Mit den Beach Boys und ihrem wegweisendem Album "Pet Sounds" schrieb er sich in die Pophistorie ein. Als Solokünstler hatte er 1967 mit "Gentle on my Mind" seinen ersten großen Erfolg. Schnell folgen mit "Wichita Lineman" und "Galveston" weitere Hits. In den 1970ern kommen mit "Rhinestone Cowboy" und "Southern Nights" lupenreine Country-Hits dazu. Glen Campbell wird im Zuge seines Erfolges auch Schauspieler und Fernseh-Moderator. Seine Rolle in der Originalfassung von "Der Marshall", an der Seite von John Wayne, bringt ihm 1969 eine Nominierung für den Golden Globe ein. Außerdem präsentierte er mehrere Staffeln der CBS TV Show "The Glen Campbell Goodtime Hour" und begrüßte zahlreiche illustre Gäste wie Dean Martin oder Johnny Cash. Doch wie so oft im Leben greifen Drogen nach den Kreativen und Campbell verschwindet aus den Charts und für viele Jahre in der künstlerischen Versenkung. Erst 2008 kommt es mit "Meet Glen Campbell" zu einem vielbeachteten Album-Comeback und nun folgt mit "Ghost on the Canvas" der krönende Abschluß einer langjährigen erfolgreichen Karriere.
Ghost on the Canvas: Gelungenes Comeback von Glen Campbell
Viel frischen Pop versprüht "It's Your Amazing Grace". Campbell ist nicht nur bei diesem von ihm gemeinsam mit Raymond geschriebenen Song musikalisch sehr wandlungsfähig und zeigt, dass ihm neue Strömungen und Trends nicht fremd sind und er in der Lage ist, sie in seine Musik einfließen zu lassen. Gemeinsam mit so unterschiedlichen Musikern wie Chris Isaak, Dick Dale und Brian Setzer singt er den Teddy Thompson Song "In My Arms", der seine offene Umgangsweise auch mit der Country Music entfernterer musikalischer Spielarten untermauert. Entstanden ist ein melodiöser Rock 'n' Roll Song, romantisch und doch ein wenig ungestüm. Von Jakob Dylan lieh sich Campbell "Nothing But The Whole Wide World", eine fast schon besinnliche akustische Country-Nummer, mit überraschend schöner Melodieführung. Eine der wenigen Fremdkompositionen des Albums: "Any Trouble" wurde geschrieben vom ehemaligen Replacements-Sänger Paul Westerberg, ein frischer und flotter Country-Song, kurz und knackig. Wenn man es denn wirklich vergleichen möchte, erinnert das Abschlußstück des Albums "There's No Me…Without You" sanft an den Sound der Beatles. Nicht nur musikalisch, auch vom Gesang her weckt es Vergleiche zu George Harrison. Die Gitarrenarbeit erledigen souverän und virtuos gleich vier hervorragende Gitarreros: Billy Corgan, Marty Rifkin, Rick Nielson und Brian Setzer. Ein Weltklassestück des balladesken Rock!
Fazit: "Ghost on a Canvas" repräsentiert nicht mehr den "alten" Glen Campbell, wie wir ihn von den 1960er/70ern kennen. Der 75-jährige klingt reifer, auch wenn es vielleicht etwas dumm klingt: Erwachsener als zu Zeiten früheren Erfolge, mit einer Sangesstimme ausgestattet, die besser denn je klingt. Seine Kompositionen sind anspruchsvoll und modern. Es stellt die Krönung einer glanzvollen Karriere dar und ist ein würdiges Abschiedsalbum.
01 | A Better Place |
02 | Ghost On the Canvas |
03 | The Billstown Crossroads |
04 | A Thousand Lifetimes |
05 | It's Your Amazing Grace |
06 | Second Street North |
07 | In My Arms |
08 | May 21st, 1969 |
09 | Nothing But the Whole Wide World |
10 | Wild and Waste |
11 | Hold On Hope |
12 | Valley of the Son |
13 | Any Trouble |
14 | Strong |
15 | The Rest is Silence |
16 | There's No Me...Without You |