Viel handfester ist schon das, was Gretchen Wilson auf ihre dritte CD gebrannt hat: elf knackige, erfreulich ungebügelte Country-Songs. Rockige, herzige, traditionelle, rührselige, krachende, lustige, traurige ... Damit beweist sie, dass sie unter den vielen Nashville-Barbies die wohl attraktivste ist. Weil sie einfach so ehrlich und natürlich, also authentisch ist.
"One of the Boys ist authentisch
"Authentitzität" ist ohnehin das Stichwort. Nicht selten hört man die Lüge, wenn ein Sänger oder eine Sängerin eine von irgendeinem Songschmied verfasste Liedzeile anstimmt. Man hört das Kalkül, kauft es ihm oder ihr einfach nicht ab. Ganz, ganz anders verhält es sich bei der aus einem kaum 1000 Seelen zählenden Illinois-Nest stammenden Gretchen Wilson. Nicht nur, weil sie fast jeden Song mitschrieb und "One of the Boys" gemeinsam mit John Rich und Mark Wright produzierte. Auch, weil sie singt, als ob sie jedes einzelne Wort genau so meint - und nicht, weil sich "part" zufällig auf "heart" reimt. Wahrscheinlich, hier wird noch mal gemutmaßt, liegt viel in ihrer Biografie begründet. Ihre Mutter ist erst 16, als sie zur Welt kommt. Als sie zwei ist, nimmt ihr Vater Reißaus. Seit sie 15 ist, steht sie auf eigenen Beinen - tingelt, putzt, kellnert und wird schließlich in 2000 von den Jungs von Big & Rich entdeckt.
Wer so ein Leben lebt, muss schon entschlossen zu Werke gehen. So in etwa, wie bei dem sexy Rocker "You Don't Have To Go Home" oder bei dem schnurstracks für gute Laune sorgenden Country-Feger "Good Ole Boy" oder bei dem an alte Hillbilly-Tage gemahnenden und mit pfiffigem Text aufwartenden "If You Want A Mother".
Stilistisch unterschiedlich macht sie in den Titeln dennoch klar, dass sie für halbe Sachen nicht zur Verfügung steht. Ganz oder gar nicht - Sekt oder Selters - Lachen oder Weinen. Wenn sie sich für eine Stimmung entschieden hat, lebt sie Gretchen Wilson auch aus. Volle Pulle. Am anschaulichsten wird das in der CD-Mitte klar. Während sie sich bei "Heaven Help Me" von ihrer verletzlichen, romantischen und auch traditionellen Seite zeigt, vollführt sie beim darauf folgenden "There's a Place in the Whiskey" auf ihren Cowboy-Boots die Kehrtwende: Ein astreiner, an ZZ Top erinnernder Country-Blues-Shuffle im ICE-Tempo. Keine der derzeit angesagten Nashville-Sängerinnen könnte da auch nur annährend mit ihr mithalten. Gleiches gilt bei diesem Track übrigens auch für Drummer Shannon Forrest. Was der Mann hier an Trommeln und Becken veranstaltet, muss jedem Hobby-Drummer die Tränen in die Augen treiben. Der Autor dieser Zeilen weiß wovon er spricht...
Fazit: Gretchen Wilson ist kein Püppchen, sondern eine Frau aus Fleisch und Blut und "One of the Boys" mit Songs für die Kuschelheia, für die Kneipe oder fürs Pferde stehlen. Starke Leistung!
Label: Epic Nashville (Sony) | VÖ: 18. Mai 2007 |
01 | The Girl I Am |
02 | Come to Bed |
03 | One of the Boys |
04 | You don't have to go home |
05 | Heaven Help Me |
06 | There's a Place in the Whiskey |
07 | If you want a mother |
08 | Pain Killer |
09 | There Goes the Neighborhood |
10 | Good Ole Boy |
11 | To tell you the truth |