Dale Watson: Heilung durch Musik
So leicht hatte es der heute 61-jährige Künstler nicht im Leben. Seine Karriere kam nur stotternd in die Gänge. Außerdem avancierte er zwar schon bald zu einer Art Kritiker-Liebling, doch mit den Verkaufs-Charts nahm er keine Berührung auf. Er versuchte es in Los Angeles, in Nashville, und auch hier konnte er nicht so richtig Fuß fassen. Also zog er wieder zurück nach Austin, Texas. Richtig übel wurde es für ihn, als seine Verlobte bei einem Autounfall ums Leben kam. Wie bei so vielen, suchte auch Dale Watson bei Drogen und Alkohol Trost und Erlösung - und wäre um Haaresbreite an einer Überdosis gestorben.
Nach erfolgreichem Entzug kam er nach und nach wieder in die Spur. Auch weil er begann, seine Ängste und Nöte in Worte und Töne zu verpacken. So avancierte Dale Watson ab dem Jahr 2007 zu einem der meistbeschäftigen Country-Acts in Nashville und Austin. Gig folge auf Gig, Tournee auf Tournee und Album auf Album. Die Musik war und ist sein Motor. Das zeigt sich auch auf seinem neuen Album "Starvation Box". In den zwölf Tracks, elf davon stammen aus eigener Feder, serviert der Routinier minimalistischen Country, Country- und Delta-Blues, Folk, Rock 'n' Roll und Country-Gospel. Kurz: Roots-Musik. Ohne Schnickschnack und ohne auch nur aus den Augenwinkeln auf das Mainstream-Radio zu schielen. Nein, nein, hier macht einer sein ganz eigenes Ding.
Und er macht es gut. Schon der Opener und Titeltrack weiß mit rustikalem Country-Blues zu überzeugen: Akustik-Gitarre, Brummstimme, Blues-Harp, Slide-Gitarre. Mehr braucht es nicht. Vor allem, wenn man ein Feeling-Musiker wie Dale Watson ist. Wer sich eine Unplugged-Version von ZZ Top vorstellen kann, bekommt eine Ahnung von der Geschmacksnote dieses hier angerührten Gebräus. Natürlich ist der Mann auf Retro-Trip. Das zeigt sich auch im nachfolgenden Titel "Whatever Happened to the Cadillac", in dem Watson - im düsteren Sprechgesang - von den guten, alten Zeiten berichtet. Von den schön polierten Cadillacs und von der Musik, die früher noch Substanz und Authentizität hatte.
Retro mit Stil und Hingabe: "Starvation Box" von Dale Watson
So eine Rückschau ist legitim. Zumal der musikalische Schwerstarbeiter keineswegs einen verbitterten Eindruck macht. Nicht einmal, wenn er das Lied des immer zu knappen Mammons anstimmt: "That's Where the Money Goes" kommt als waschechter Delta-Blues, mit Blues-Harp, Orgel und John Lee Hooker-Feeling. Stark! Neben weiteren lupenreinen Blues-Tracks ("Nothingville", "Streets of Gold") serviert Dale Watson auf "Starving Box" auch eine hübsche Rock 'n' Roll-Reminiszenz an Elvis ("Billy Strawn"), einen wunderbaren, schon fast an Jim Croce erinnernden Folk-Song ("I Ain't Been Livin' Right"), einen klasse Retro-Country-Track ("Two Peas in a Pod" im Duett mit Celine Lee) und eine gelungene Cover-Version des Percy Mayfield-Songs "Like a Stranger in my Hometown").
Für den heitersten Moment des Albums sorgt "Adios", in dem sich der Wahl-Texaner köstlich in verschiedenen Sprachen verabschiedet (sein "auf Wiedersehen" ist es wert, gehört zu werden!). Die größte Energieleisten der CD hat er sich indes für den letzten Song aufbewahrt: "Ain't Nobody Everybody Loved" reißt den Hörer mit temperamentvollem Country-Gospel mit. Auch das mit nur minimalem Arrangement-Aufwand. Er hat's einfach drauf!
Fazit: Kein Jahr ohne ein Dale Watson-Album. Doch der musikalische Schwerarbeiter liefert nicht nur Quantität, er überzeugt auf "Starving Box" erneut auch durch Qualität. Sehr retro, sehr minimalistisch, aber auch sehr musikalisch und damit bärenstark!
Label: Cleopatra (hier nicht veröffentlicht) | VÖ: 7. Juli 2023 |
Disk 1 | |
01 | Starvation Box |
02 | Whatever Happened to the Cadillac |
03 | That's Where the Money Goes |
04 | Nothingville |
05 | Billy Strawn |
06 | I Ain't Been Livin' Right |
07 | Adios |
08 | Streets of Gold |
09 | Down Down Down Down |
10 | Two Peas in a Pod (mit Celine Lee) |
11 | Like a Stranger in My Hometown |
12 | Ain't Nobody Everybody Loved |