Dale Watsons "innerer Kreis"
Der charismatische Sänger hat nicht einfach "nur" Fans. Auch zu Hause in den USA ist Dale Watson eine Persönlichkeit, die andere nicht nur durch sein Können auf der Bühne anzieht, sondern auch durch seine offene, humorvolle Art, Menschen zu begegnen.
Er erinnert sich oft nach Jahren an Gesichter und sogar Namen, gibt sich nicht distanziert oder zeigt jemals Allüren. So war klar, dass er bereits in den Tagen zuvor bei seinen Konzerten in den Niederlanden und in Belgien von vertrauten Fans und Freunden empfangen worden war. Selbiges galt auch am Sonntag im Four Corners, wohin erwartungsvolle Dale Watson-Anhänger aus ganz Süddeutschland, aus Thüringen oder sogar Österreich angereist waren. Wobei, wie Dale Watson später in der Show scherzte, der Weg nach Untermeitingen von überall her weit sei.
Das Publikum bei seinen Shows unterscheidet sich immer ein wenig von üblichen Country-Konzerten, spricht der von Dale Watson als "Ameripolitan" definierte Stil doch breit gefächert auch solche an, die auf Rockabilly oder generell auf alles stehen, das irgendwie experimentell und anders ist. Dale Watson passt in kein Begriffssystem. Fakt ist, der Mann macht süchtig, denn viele der Konzertgänger am Sonntagabend hatten ihn bereits mehrmals zuvor erlebt. Darunter auch einige Musiker der nationalen Country-Szene.
Die Lone Stars von Dale Watson
Die wenigsten Künstler umgeben sich heute mit einer konstanten Band. Zu kurzlebig ist die Zeit, austauschbar die Musiker. Sicher würde auch Dale Watson an jeder Ecke in Texas jemanden finden, der ein Instrument brauchbar beherrscht. Doch dass es hierauf allein noch lange nicht ankommt, hat er längst begriffen. In all den Jahren auf Tour gab es für ihn kaum einen Wechsel seiner "Lone Stars". Wenngleich Dale Watson sich für Alben immer auch gern Gast-Musiker hinzu holte, sind sie die Basis nicht nur seiner Arbeit, sondern wohl auch in seinem persönlichen Wohlfühlradius.
Mike Bernal lebt von Geburt an in Texas und spielt Schlagzeug, seit er 10 Jahre ist. Seither tourte er mit namhaften Künstlern im Bereich Blues, Rock, Funk und auch Tex-Mex Music, bis er schließlich fester Bestandteil der Lone Stars wurde.
Von der Westküste, aus Kalifornien, verschlug es Chris Crepps nach Texas. Mit Country hatte der Kontrabassist früher wenig zu tun, seine Einflüsse liegen hauptsächlich bei Paul McCartney. Heute schenkt er mit seiner Slaptechnik und seiner sensiblen Tempovorgabe den Konzerten ihren gewissen Retro-Stil und Dale Watson bezeichnet ihn liebevoll als "der Leim, der die Band zusammen hält".
Stilles Genie der Band ist Don Pawlak an der Pedal Steel, welche bei den "Lone Stars" nicht nur unterschwelliges Beiwerk ist, sondern häufig sogar im Sound dominiert. Eigentlich kann sie nicht laut genug sein. Beobachtet man Don Pawlaks Spiel, meint man, er sei im inneren Dialog, doch die Aufmerksamkeit gilt doch dem Mann am Mikro, dessen Zeichen oft so haarklein sind und doch von allen auf der Bühne verstanden werden. Pure Vertrautheit. Wer unter solchen Bedingungen arbeitet, kann sich dann auch auf die Menschen im Saal konzentrieren.
Die Show
Die Europa-Tour von Dale Watson ist ein wahrer Marathon. Elf Konzerte in zwölf Tagen in vier Ländern. Für ihn jedoch nichts Neues, denn kaum ein Künstler arbeitet härter und gibt mehr, als er. Hat er zu Hause keine gebuchten Gigs, spielt er im eigenen Club, dem Big T Roadhouse in St. Hedwig, Texas.
Dreieinhalb Jahre ist es her, dass Dale Watson zuletzt im Four Corners auftrat. Das Konzert nun war sein einziges in Deutschland und heiß erwartet. Angekündigt seit langem, auch von ihm selbst. Ob es bei einem solchen Act überhaupt einen Opener gebraucht hätte, sei dahin gestellt. Danny Wünschel hat mit seiner Band das Warten auf Dale Watson relativ unnötig in die Länge gezogen, als nach einer Stunde Spielzeit auch noch die Schweizer Sängerin Andrea Benz für einige Stücke hinzukam.
Lang ersehnt erschien Dale Watson dann, edel im Anzug und präsent von der ersten Sekunde an. Sofort griff er einen Zuruf aus dem Publikum auf und startete mit einem seiner älteren Songs, "Tequila And Teardrops". Prompte Überleitungen von soft zu knallig sind seine Taktik, die er des Öfteren einsetzt. So drehte er direkt auf zu "Fox On The Run". Wobei sanfte Melodien den Abend durchaus öfter durchzogen, wie beispielsweise George Jones' "Walk Through This World With Me", welches prompt mit dem von Dale Watson selbst geschriebenen Stück "Jonesin For Jones" vervollständigt wurde.
Eigentlich hätte er Bill Wallace gern überredet, im Four Corners auch Chicken Shit Bingo zu veranstalten, scherzte Dale Watson. Vielleicht nächstes Mal. Bedauern äußerte Dale Watson auch darüber, dass es diesmal im Four Corners keine Tanzfläche gab (diese war angesichts der hohen Ticket-Nachfrage mit Tischen und Bänken zugestellt). "Most Wanted Woman" wäre tatsächlich auch so wunderbar für Two Step gewesen. Diesen definierte er später noch in einem seiner vielleicht schönsten Lieder, "Quick Quick Slow Slow" aus dem Album "El Rancho Azul" aus dem Jahr 2013.
Nicht nur bei "A Real Country Song" wurde deutlich, wie viele bekennende Dale Watson-Kenner sich im Publikum befanden. So blieb es nicht aus, dass irgendwann das erste Tablett mit Tequila den Weg auf die Bühne fand. Doch kannte man Dale Watson bisher auch von Auftritten hierzulande recht trinkfreudig, gab er sich diesmal recht zurückhaltend. Entsprechende Lieder, wie "I Lie When I Drink", fehlten dennoch nicht. Auch baute Dale Watson, wie auf seinem Live-Album "Live at The Big T Roadhouse, Chicken S#!+ Bingo Sunday" einen kleinen Werbe-Trailer für Lonestar-Bier ein. Das deutsche schien ihm, wenn auch eben in Maßen, jedoch ganz gut zu schmecken.
Ein festes Programm, strikte Regeln, all das braucht ein derart erfahrener Künstler wohl nicht mehr. Die Gabe, die Stimmung aufzunehmen und auf das Publikum einzugehen, macht wahrscheinlich einen Entertainer wie Dale Watson aus. So erfüllte er auch im Four Corners Wünsche auf Zuruf, schäkerte mit den Leuten und lachte selbst über die Bemerkung, er wäre doch bestens geeignet, Präsident der USA werden. Schlimmer könne es eh nicht kommen, meinte er darauf. Wieso also nicht? Als sich jemand "Luckenbach" wünschte, diskutierte er kurz, welches denn nun gemeint sei und spielte kurzerhand beide , "Luckenbach, Texas" (von Waylon Jennings) und sein eigenes "Everybody’s Somebody in Luckenbach, Texas").
Nie genug Dale Watson
Wo Dale Watson die Energie für seine Auftritte her nimmt, ist wirklich unglaublich. Routine, ja, dennoch nie gleich und ganz sicher nie lieblos oder abgespult. Nach knapp eineinhalb Stunden regulärem Set wollte ihn die Menge im Four Corners noch nicht gehen lassen. Wo andere sich vielleicht zu noch einem Song überreden lassen, war Dale Watson dann eher nicht zu bremsen und verwöhnte das Publikum noch mit einigen seiner wunderschönen Hits, wie "Jack’s Truck Stop & Café" vom Album "I Hate These Songs" (1997) oder "Flowers In Your Hair" von "Carryin‘ On" (2010). Etwas verwirrend nach bereits dem nochmaligen Abschied von der Bühne - wiederum zwei weitere Songs. "Tequila, Whisky And Beer, Oh My", ein echtes Kult-Stück von Dale Watson. Zum endgültigen Abschluss dann doch leider, zumindest für das deutsche Ohr, der wohl inzwischen abgenudeltste aller Country-Songs: "Folsom Prison Blues".
So bizarr sich Dale Watson selbst oft gibt, so anziehend ist er auf jene, die musikalisch vielleicht nicht immer ganz mit dem Strom schwimmen. Gegen Ende der Show überraschte Bill Wallace das Publikum mit der Frage, was es davon halten würde, Dale Watson am folgenden Abend noch einmal zu hören? Verwunderung tat sich auf, so wirklich ernst nahm es wohl anfangs niemand. Auch der Sänger selbst gab noch keine klare Aussage. "Heute ist heute, morgen ist morgen", wobei er eine Halloween-Party im Four Corners doch eine tolle Sache sei. Am nächsten Morgen dann die offizielle Ankündigung via Facebook: Dale Watson wird am 31. Oktober .2016 eine weitere Show geben! Spontan-Entschlossene haben also die Chance, ihn hier zu erleben. Mehr dazu in unserem Terminkalender.
Im Anschluss geht es für Dale Watson und die Lone Stars dann weiter nach England, bevor sie zurück in die Heimat reisen. Seine Musik lässt er hier. Schon jetzt wünschen sich viele, Dale Watson möge uns in Deutschland dann nicht ganz so lange warten lassen und seine nächste Tour schon mal vorplanen.