"Nashville Lady" - Ein filmisches Denkmal für Loretta Lynn
Von ganz unten nach ganz oben - genau so stellte man sich den amerikanischen Traum vor. Loretta Lynn hat ihn gelebt. Als Tochter eines Bergarbeiters 1932 unter ärmlichen Bedingungen in Kentucky geboren, avancierte sie in den Sechzigerjahren zu eine der erfolgreichsten Country-Sängerinnen der USA. Die heute 88-Jährige hat in ihrer Karriere 70 Alben veröffentlicht, von denen 17 die Nummer 1 der Country-Charts erreichten. Doch der Weg zum Ruhm war jedoch steinig und gleichzeitig so spannend, dass ihre Geschichte Hollywood einen Film wert war, der nicht nur ein Kinohit wurde, sondern auch etliche Preise einheimste. 40 Jahre danach ist "Nashville Lady" immer noch ein würdevolles Porträt über eine große Frau.
Der Originaltitel lautet übrigens "Coal Miners Daughter" (Die Tochter des Kohlenarbeiters) nach Loretta Lynns gleichnamigen Studio-Album von 1971.
Mit einer Gitarre zum Hochzeitstag fing alles an
Mit einer Schar von Geschwistern wächst Loretta Webb (Sissy Spacek) in den Vierzigerjahren in einem kleinen Kaff in Kentucky auf. Ihr Vater (Levon Helm) schuftet mit kaputter Lunge unter Tage, ihre Mutter versorgt den Haushalt. Mit 13 lernt Loretta den draufgängerischen Kriegsheimkehrer Doolittle Mooney Lynn (Tommy Lee Jones) kennen, der sich sofort in das Mädchen verliebt und sie heiraten will. Ihre Eltern sind zunächst dagegen und fühlen sich bestätigt, als Loretta kurz nach der Hochzeit von Doolittle wieder rausgeworfen wird.
Doch sie geht zu ihm zurück und verlässt Kentucky, damit sich beide ein eigenes Leben aufbauen. Ein Haus, vier Kinder und eine Gitarre zum Hochzeitstag, die Loretta aber zunächst ablehnt. Doch Doolittle mag es wie seine Frau die Kinder in den Schlaf singt und ermutigt sie sogar, in einer Kneipe aufzutreten. Überzeugt von ihrem Gesang kratzt er die letzten Dollar zusammen, um mit ihr den von ihr selbstgeschriebenen Song "I'm A Honky Tonk Girl" im Plattenstudio aufzunehmen. Mit Single und Werbefotos klappert das Paar schließlich alle Radiosender ab, bis beide Nashville erreichen.
Hier lernt Loretta ihr großes Vorbild Patsy Cline (Beverly D'Angelo) kennen. Sie werden beste Freundinnen, geben gemeinsame Konzerte und Doolittle fühlt sich immer mehr zurückgesetzt. Als Patsy mit einem Flugzeug verunglückt, bricht für Loretta eine Welt zusammen.
Ein mehr als verdienter Oscar für Hauptdarstellerin Sissy Spacek
In erster Linie ist "Nashville Lady" ein großartiger Schauspielerfilm. Sissy Spacek war bei Drehbeginn 31. Die 13-jährige Kindfrau nimmt man ihr aber genauso ab wie durch Migräne in Mitleidenschaft gezogene Entertainerin. Die 1976 durch die Stephen-King-Verfilmung "Carrie" berühmtgewordene Schauspielerin stellte hier erstmals ihre darstellerische Vielfalt unter Beweis und wurde dazu zu Recht mit dem Oscar ausgezeichnet. Die eigentliche Sensation ist jedoch, dass sowohl Spacek als auch Beverly D'Angelo als damals noch erfolgreichere Country-Sängerin Patsy Cline (†30) alle Songs im Film selbst gesungen haben.
Für Spacek war das sogar die Bedingung - nicht etwa, weil sie einst selbst von einer Karriere als Sängerin träumte, sondern weil sie Country Music anfangs gar nicht ausstehen konnte und die Rolle ursprünglich ablehnen wollte. Mit ihrer Forderung hoffte sie, die Produzenten abzuschrecken, was nicht klappte. Ausschlaggebend war schließlich der Song "Coal Miner's Daughter", den sie in der Entscheidungsnacht zufällig im Radio hörte und das als ein Zeichen von oben sah. Für Loretta Lynn war Sissy Spacek sowieso die erste Wahl. Durch den Film freundeten sich beide an und natürlich mag Spacek seitdem Country Music.
Was nicht zuletzt auch Owen Bradley (†82) zu verdanken ist, dem legendären Förderer von Country-Stars wie Patsy Cline, Brenda Lee, Billy Sherrill (†80) oder Kitty Wells (†92). Er studierte mit der Darstellerin nicht nur alle Loretta-Lynn-Songs von "I'm a Honky Tonk Girl" über "You Ain't Woman Enough to Take My Man" bis hin zu "Coal Miner's Daughter", sondern holte auch andere Country Music-Urgesteine wie Minnie Pearl (†83), Ernest Tubb (†70) und Roy Acuff (†89) für Cameo-Auftritte ans Set. Der von Bradley produzierte Soundtrack erreichte nach seiner Veröffentlichung schnell die Spitze kanadischer und amerikanischer Billboards.
Am Ende siegt in "Nashville Lady" die Liebe
Im Film wird also viel gesungen und die restliche Hintergrundmusik tut ihr Übriges, um Country Music-Liebhaber in die richtige Stimmung zu bringen. Nichtsdestotrotz dominiert die Lovestory zwischen Loretta und ihrem Doolittle, der von Tommy Lee Jones ("Men in Black" gleichsam impulsiv und liebenswert porträtiert wird. Es wird kein Hehl daraus gemacht, dass beide auch schwere Zeiten miteinander durchmachten und mitunter auch handgreiflich wurden. Doch sie fanden immer wieder zueinander, was immer wieder anrührend in Szene gesetzt wird, ohne in die Kitschecke zu geraten. Ebenso stellt Regisseur Michael Apted ("James Bond - Die Welt ist nicht genug") heraus, wie viel die Country-Sängerin eigentlich ihrem Mann zu verdanken hat, ohne ihn hätte Loretta Lynn keine Karriere gehabt. Insofern ist "Nashville Lady" eine gelungene Liebeserklärung an beide.
Fazit: "Nashville Lady" ist ein ergreifender Musikfilm, der manchmal wie ein Märchen und dann wieder wie ein Sozialdrama wirkt. Das verbindende Glied ist die Country Music, mit der so viel Leidenschaft zum Ausdruck gebracht wird, dass man anschließend den Soundtrack einlegt, um sich ein zweites Mal beseelen zu lassen.